Mörlenbach

Aus Klärschlamm wird Dünger

Der Abwasserverband Oberes Weschnitztal sucht Partner zur Rückgewinnung des Nährstoffs aus Klärschlamm. Michelstädter Unternehmen informiert.

UPhO-Geschäftsführer Gunnar Krannich (Zweiter von rechts) ging in die Details des Rückgewinnungsverfahrens. Foto: Stephanie Kuntermann
UPhO-Geschäftsführer Gunnar Krannich (Zweiter von rechts) ging in die Details des Rückgewinnungsverfahrens.

Auch wenn es an diesem Abend um Klärschlamm geht, ist die Infoveranstaltung, zu der die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses ganz nebenbei wird, keine so anrüchige Veranstaltung, wie man denken mag. Im Gegenteil – durch eine Novelle der Klärschlammverordnung von 2017 werden erstmals „umfassende Vorgaben zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen und Klärschlammverbrennungsaschen“ gemacht, wie beim Bundes-Umweltministerium nachzulesen ist. Der Abwasserverband Oberes Weschnitztal (AOW) hat im Vorfeld der Sitzung mit den Betreibern von drei Anlagen im Umkreis Kontakt aufgenommen. Der Vertreter eines der Unternehmen, UPhO mit Sitz in Michelstadt, referiert jetzt über Art, Methode und Zweck der Phosphor-Gewinnung; gekommen sind Vertreter der AOW-Mitgliedskommunen. Neben Mörlenbach sind das Fürth, Lindenfels und Rimbach. Eine Besonderheit gibt es noch: Der Lindenfelser Stadtteil Winterkasten arbeitet durch seine Zugehörigkeit zum Abwasserverband Obere Gersprenz bereits mit dem Unternehmen zusammen. Im Folgenden werden die wichtigsten Fragen in der Sache beantwortet.

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Was ist Klärschlamm?

Eine Erklärung liefert Ingenieur Gunnar Krannich: Abwasser wird in mehreren Stufen bearbeitet. Nach der mechanischen Vorreinigung folgen die Vorklärung, eine biologische Reinigungsstufe sowie eine Nachklärung. Bei jeder Stufe fallen Schlämme an. Zu 70 Prozent besteht Klärschlamm aus Wasser, zu 14 aus Kohlenstoff. Kleinere Anteile sind anorganisch (Sand oder Kalk), außerdem gibt es noch unerwünschte Stoffe (Mikroplastik, Medikamentenreste, „Ewigkeitschemikalien“ oder Polymere). Zu den enthaltenen Schwermetallen gehören Zink, Kupfer, Nickel und Blei. Letzteres wird in speziellen Deponien gelagert. Außerdem findet man auch noch Arsen, Quecksilber oder Thallium als Rückstände. 4,9 Prozent des Schlamms sind Nährstoffe – eben Phosphor.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

„Phosphor soll aus dem Klärschlamm extrahiert werden“, erklärt Boris Niedermayer, Geschäftsführer des AOW. Hintergrund ist, dass der Pflanzennährstoff selten ist und durch Rückgewinnung wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden soll. Für größere Anlagen, mit Ausbaugrößen ab 100 000 „Einwohnerwerten“, gelten die Regeln ab 2029, für kleinere (ab 50 000) ab 2032. Für die Gemeinden gilt mittlerweile eine Meldepflicht in Sachen Rückgewinnung.

Welche Unternehmen bieten die Rückgewinnung an?

Niedermayer erläutert, dass derzeit im Land „relativ viel Geld in die Hand genommen“ werde für Versuchsprojekte. In der Umgebung gibt es derzeit drei Unternehmen, die sich damit befassen: ZAS in Darmstadt, die MVV in Mannheim und das Unternehmen für Phosphat-Recycling im Odenwald (UPhO) in Michelstadt. Bürgermeister Erik Kadesch erklärt, dass die AOW mit allen dreien Kontakt aufgenommen habe, und Niedermayer fährt fort: Bei der ZAS würden Vertragslaufzeiten von 20 Jahren gelten, außerdem sei die Anlage etwa 50 Kilometer weit weg. Die Mannheimer MVV sei 24 Kilometer entfernt und damit zwar am nächsten gelegen, aber ein kommerzieller Anbieter, der die Bedingungen festlege: „Man ist der Preisgestaltung ausgeliefert, ohne Mitspracherechte“. Weshalb man jetzt mit der UPhO in Gesprächen sei, die im 36 Kilometer entfernten Michelstadt sitzt und ihren Mitgliedern Mitspracherechte einräumt.

Wer gehört zur UPhO, und welche Kapazitäten hat sie?

Geschäftsführer Gunnar Krannich geht hier ins Detail: Die Gesellschaft wurde 2020 ge gründet. Ihr gehören die Abwasserverbände Mittlere Mümling, Bad König, Unterzent –Untere Mümling, Obere Gersprenz (Lindenfels) an, außerdem die Stadtwerke Heppenheim und zwei Verbände aus Bayern, der Abwasserverband Untermain und die Stadt Alzenau. Zusammen macht das 240 000 Einwohner. Kapazitätsreserven bestehen noch für weitere 80 000 Einwohner. „Die Klärschlamm-Mengen des AOW sind in der UPhO demnach verwertbar“, heißt es in der Verwaltungsvorlage.

Mit welchem Verfahren wird Phosphor recycelt?

Krannich erläutert, dass man Nass-Schlamm gewinnen kann oder ein thermisches Verfahren anwendet, wofür die UPhO sich entschieden hat. „Die meisten Anlagen sind noch im Erprobungszustand“, schränkt er ein. Soweit es die UPhO angeht, soll sie im April oder Mai in den „Warmbetrieb“ gehen und später in Volllast. Wenn die Klärschlämme ankommen, werden sie in Bunkersystemen gelagert, dann werden sie in Segmenten mit Lochplatten getrocknet; verbrannt werden sie über Drehrohre. In der thermischen Anlage kann auf fossile Brennstoffe verzichtet werden, fährt er fort: „Wir brauchen 400 Tonnen Holzhackschnitzel im Jahr.“ Die Wärme aus der Verbrennung werde fürs Trocknen genutzt; die Anlage sei nicht anders als die bereits bekannte Technik: „Das funktioniert wie eine gewöhnliche Verbrennungsanlage.“ Zu Geruchsbelästigungen komme es nicht, betont er.

Was kommt am Ende heraus?

Nach der thermischen Behandlung bleibt eine feinkörnige, graue Asche übrig, die nach einer Staubbindung „ausbringbar“ ist und dann direkt an die Landwirtschaft geht. Der Kohlenstoffgehalt, erläutert Krannich, liegt bei drei Prozent. Sein Unternehmen arbeite mit zwei Universitäten zusammen. In Versuchen mit Gräsern sei festgestellt worden, „dass wir mit einem Rezyklat genauso gute Ergebnisse erzielen wie mit einem Düngemittel.“

Wie viel kostet die Entsorgung von Klärschlamm?

Nach Auskunft der Verwaltung zahlt der AOW seit 2023 einen Nettopreis von 143 Euro; das Jahresaufkommen liegt etwa bei 2200 Tonnen, macht jährliche Kosten von rund 207 000 Euro. Die UPhO kalkuliert derzeit mit 100 Euro netto im 15-Jahres-Mittel. Für den AOW ist das insofern günstig, als Zusatzkosten für das Phosphatrecycling entfallen. Nicht einkalkuliert sind die Erlöse aus dem künftigen UPhO-Produkt, an denen der AOW ebenfalls beteiligt wäre. Die Transportkosten seien noch nicht „abschließend erhoben“, schreibt die Gemeinde, rechnet jedoch mit etwa 15 Prozent des Entsorgungspreises.

Welche Argumente gibt es für einen Beitritt zur UPhO?

Bis 2029 könnten nicht mehr genug freie Kapazitäten am Markt sein, argumentiert die Gemeinde. Durch Verknappung und einen hohen Preisdruck könnten Nachteile entstehen. Auch die UPhO hätte Vorteile von einer Kooperation: Sie könnte, falls der AOW vor dem 31. Juli beitritt, Landes-Fördermittel in Höhe von 166 000 Euro erhalten. Auf Nachfrage erklärt Krannich, dass das Unternehmen drei Millionen Euro Landes-Förderung erhalten hat.

Wie würde es bei einem Beitritt für den AOW weitergehen?

Ab Anfang 2025 würde die Gesellschaft ihre Klärschlämme bei der UPhO abliefern. Aus ihnen würde dann Phosphor zurückgewonnen werden. Um diesen Beitritt zu bewerkstelligen, müssten die AOW-Mitgliedsgemeinden ihre Zustimmung erteilen.