Regierung

Bundeskanzler Scholz reist durchs Rhein-Main-Gebiet

Rund ein halbes Dutzend Termine in Hessen standen am Freitag auf dem Terminplan von Bundeskanzler Scholz. Für Bundesinnenministerin Faeser eine gute Gelegenheit für etwas Landtagswahlkampf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht mit Vertretern der DEHOGA und dem Handelsverband Hessen. Foto: Arne Dedert/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht mit Vertretern der DEHOGA und dem Handelsverband Hessen.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Bei einer Tour durch das Rhein-Main-Gebiet hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag unter anderem mit hessischen Unternehmern diskutiert. Begleitet wurde er von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) - die derzeit auch Wahlkämpferin in Hessen ist. Am 8. Oktober wird ein neuer Landtag gewählt.

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Direkten Bürgerkontakt gab es am Abend bei einem Bürgergespräch mit 250 Menschen im Gewerkschaftshaus in Frankfurt. Angesichts des straffen Zeitplans konnten allerdings längst nicht alle Menschen ihre Fragen an Scholz und Faeser loswerden. Es ging um Sorgen um Arbeitsplätze, Kritik an befristeten Beschäftigungsverhältnissen, Sparpläne und die Angst vor Armut. Ein Fragesteller kritisierte Gleichgültigkeit angesichts des Todes von Migranten im Mittelmeer. «Es tut mir weh, dass nicht mehr über die Kinder gesprochen wird, die dort täglich sterben», sagte er.

Scholz sagte, das Fachkräftezuwanderungsgesetz schaffe eine Perspektive für legale Einwanderung. Gleichzeitig müsse klar signalisiert werden, dass sich das Risiko einer gefährlichen Reise über das Meer nicht lohne, wenn sie «vermutlich ohne Erfolg» enden werde. Die Herkunftsländer müssten diejenige Menschen zurück nehmen, für die keine Schutzgründe vorlägen, betonte der Kanzler.

Einen emotionalen Moment gab es, als Faeser spontan eine Frau in den Arm nahm, die ihr ein Schreiben von Patienten mit Long Covid überreichte. Zuvor hatte die Frau ihre Lage geschildert und wie sehr die Krankheit sie und andere Leidensgenossen beeinträchtige. Auch wenn sie dank einer Erwerblosenrente wirtschaftlich über die Runden komme - «ich hätte so gern mein altes Leben zurück», sagte sie.

Eine prompte Reaktion Faesers gab es auch auf die Kritik einer Frau an Kürzungen für Einrichtungen wie Hate Aid: «Das wusste ich nicht - ich kümmere mich», versprach sie und bezeichnete Rechtsradikalismus als «große Bedrohung der Demokratie in Deutschland».

Für die 22 Jahre alte Mihrije Avdyli hatte die Bundesinnenministerin keine schnelle Lösung parat: Die junge Frau fragte, was Faeser tun wolle, damit sich Menschen mit Migrationshintergrund in Hessen wieder sicher fühlen könnten. Im Falle eines Wahlsiegs wolle sie in jeder Polizeidienststelle «ein Fahrzeug mehr auf die Straße bringen», sagte Faeser. «Es kann nichts Schlimmeres geben, als das Kinder ermordet werden», sagte sie mit Blick auf den rassistischen Anschlag von Hanau. Ein falscher Umgang mit Angehörigen komme dann noch dazu. «Wie hätte man sich gekümmert, wenn es deutsche Kinder gewesen wären?» fragte Faeser.

Bei Gesprächen mit Vertretern des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) und des Handelsverbands Hessen in Wiesbaden hatte Kanzler Scholz zuvor betont, diese Branchen ständen wegen des Fachkräftemangels vor großen Herausforderungen. Es sei wichtig, viele junge Leute für eine Berufsausbildung zu motivieren. Derzeit gebe es mehr Lehrstellenangebote als Bewerber.

Scholz appellierte außerdem an die Betriebe, ihre Beschäftigten weiter zu qualifizieren. Zudem benötige Deutschland Fachkräfte aus anderen Ländern, sagte der Bundeskanzler und verwies auf das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Er kündigte an, weitere bürokratische Hürden bei der Gewinnung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern abbauen zu wollen.

Nach den Worten Faesers gibt es in Hessen Nachholbedarf bei der Berufsorientierung, die an Gymnasien nicht angeboten werde. Es sei wichtig, den jungen Menschen auch dort die Perspektive zu geben, dass es sich lohne, eine Ausbildung zu machen. Faeser sagte, für eine Stärkung der Ausbildungsberufe sei eine gute und flächendeckende Erreichbarkeit von Berufsschulen wichtig.

Die massiven Hilfen des Bundes in der Corona-Pandemie für die Unternehmen seien richtig gewesen, sagte Scholz. Allerdings würden die entstandenen Schulden nun die Haushaltspolitik des Bundes und auch der Länder und Gemeinden auf viele Jahre bestimmen.

Bei seiner ersten Station am Freitag hatte sich Scholz über das Datenangebot des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden informiert. Anlass war das 75-jährige Bestehen der Behörde. Der Bundeskanzler betonte die Bedeutung der unabhängigen und fundierten Erhebung von Daten mit Blick auf Fake News.

Es sei «schon ein Stück Rationalität, das wir bekommen, wenn wir die Daten des Statistischen Bundesamtes haben», sagte der SPD-Politiker. «Das hilft dann auch gegen Fake News und die Wirklichkeit ist dann ja doch so, dass man nicht einfach behaupten kann, der Himmel ist grün, wenn er blau ist.» Auch Amtsleiterin Ruth Brand erklärte: «Unsere fachliche und politische Unabhängigkeit ist unser größter Trumpf im Kampf gegen Desinformation und Fake News.»

Scholz hob angesichts des umstrittenen Heizungsgesetzes auch die Bedeutung der bundesweiten Sammlung von Daten für kommunale Wärmeplanungen hervor. Wenn diese Informationen im nächsten Frühjahr vorlägen, brauchten Kommunen «einfach nur den Computer anmachen» und könnten sehr kleinteilig die Wärmeversorgung der Haushalte sehen.