Familie

Viel Bedarf, wenig Platz: Frauenhäuser in Hessen überlastet

Bis eine von Gewalt betroffene Frau Mut und Kraft findet, aus ihrer prekären Situation auszubrechen, ist es oft ein langer Weg. Eine Hürde wird dabei immer größer: Die Suche nach einem Frauenhausplatz.

Eine Frau steht vor einem Frauenhaus. Foto: picture alliance / Sophia Kembowski/dpa/Archivbild
Eine Frau steht vor einem Frauenhaus.

Frankfurt/Main (dpa/lhe)- Von Gewalt betroffene Frauen haben es in Hessen schwer, einen Platz in einer entsprechenden Einrichtung zu finden. «Die autonomen Frauenhäuser sind immer voll ausgelastet und es kann deshalb sein, dass Frauen keinerlei Auswahlmöglichkeit haben und teils weit weg in ein Frauenhaus gehen müssen», sagte eine Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft autonomer Frauenhäuser Hessen (LAG) der Deutschen Presse-Agentur. Das wirke auf Schutzsuchende häufig abschreckend und so manche bleibe deshalb länger in einer gewalttätigen Beziehung.

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Die Plätze sind durchschnittlich zu 90 Prozent belegt, wie aus einer kürzlich veröffentlichen Studie des Investigativmediums Correctiv hervorgeht. Damit schneidet Hessen im bundesweiten Vergleich besonders schlecht ab. Mehrere Kinder erschweren die Suche nach einem freien Platz zusätzlich, da nicht alle Frauenhäuser größere Familien aufnehmen können, wie die Zentrale Informationsstelle der Autonomen Frauenhäuser (ZIF) berichtet.

Gemäß der 2018 in Kraft getretenen Istanbul-Konvention des Europarats hat sich Deutschland dazu verpflichtet, Frauen vor Gewalt zu schützen. Doch nach Angaben der europäischen Expertenkommission GREVIO bestehen gravierende Mängel bei der Umsetzung. Deutschlandweit würden über 14.000 Frauenhausplätze fehlen. Vorhandene Plätze seien zudem häufig nicht allen Frauen oder nur bei Kostenbeteiligung zugänglich.

Denn Land und Kommunen kommen nicht immer für die Kosten eines Aufenthalts im Frauenhaus auf. Auch in Hessen finanzieren sich diese teils über einen Tagessatz, der von der Schutzsuchenden selbst entrichtet werden müsse, erklärt eine Sprecherin der LAG. Zwischen 15 und 100 Euro könne das die Betroffene pro Tag kosten. Kinder würden manchmal noch extra berechnet. Wenn die Frau Anspruch auf Sozialleistungen habe, übernehme das Sozialamt oder das Jobcenter die Kosten. Doch viele fielen aus dem Raster: etwa Studentinnen, Schülerinnen, Selbstständige oder Migrantinnen ohne sicheren Aufenthaltsstatus.

Die ZIF fordert deshalb eine Abkehr von dem Modell der Tagessatz- und Einzelfall-Finanzierung. Es brauche stattdessen eine bundesgesetzliche, länderübergreifende Regelung, wobei die Zuschüsse zur Verwaltungsvereinfachung aus einer Hand ausgezahlt werden sollten. Die LAG verweist auf Schleswig-Holstein, das als einziges Bundesland seinen Frauenhäusern eine jährliche Pauschale zahle. Auch aus Sicht der hessischen Landesregierung besteht ein bundesgesetzlicher Regelungsbedarf für eine bessere finanzielle Absicherung des Hilfesystems.

Zudem seien die Mittel für Frauenhäuser in Hessen über die letzten Jahre kontinuierlich aufgestockt worden, um dem Mehrbedarf an Beratung und Betreuung gerecht zu werden, teilt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration weiter mit. Die 31 Frauenhäuser in Hessen bieten insgesamt 742 Plätze.

Die hohe Auslastung der Einrichtungen führt das HSM auf den mangelnden bezahlbaren Wohnraum zurück. Frauen, deren Lage sich stabilisiert habe, könnten deshalb oft nicht ausziehen und würden durch ihren langen Aufenthalt Plätze in den Frauenhäusern belegen. Die Landesregierung unterstütze deshalb mit dem Modellprojekt «Wohnen nach dem Frauenhaus» die Frauenhausträger dabei, Wohnraum zu finden. Das Frauenhaus Hanau kennt diese Schwierigkeiten und hatte zuletzt im Rahmen eines Bundesförderprogramms versucht seine Frauenhausplätze auszubauen. Dabei sei es aber an Förderrichtlinien gescheitert, wie eine Mitarbeiterin des Hauses bemängelt.