Weinheim

Carsten Labudda wünscht sich ein Kiffer-Café in Weinheim

Im Gespräch mit der WN/OZ erklärt er außerdem, warum sich Konsumenten weiterhin in die Illegalität begeben und man ihm nicht mit einem Joint in der Hand begegnen wird.

Die Legalisierung von Cannabis ist ein Thema, für das sich Stadtrat Dr. Carsten Labudda (Linke) schon seit Jahren starkmacht. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt er, warum der Aktivismus auch nach dem 1. April nicht enden darf. Foto: Thomas Rittelmann
Die Legalisierung von Cannabis ist ein Thema, für das sich Stadtrat Dr. Carsten Labudda (Linke) schon seit Jahren starkmacht. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt er, warum der Aktivismus auch nach dem 1. April nicht enden darf.

Eigentlich könnte man meinen, Dr. Carsten Labudda springt vor Freude an die Decke. Immerhin setzt sich der Linken-Stadtrat bereits seit den frühen 2000ern für die Legalisierung von Gras ein. Doch trotz der Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes durch den Bundestag bleibt der 47-Jährige im Gespräch mit den Weinheimer Nachrichten auf dem Boden. Labudda erklärt, warum der Alltag für Konsumenten im Großen und Ganzen derselbe bleibt und wieso er in absehbarer Zeit nicht mit einem Cannabis Social Club in Weinheim rechnet.

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Es ist kein Geheimnis: Carsten Labudda raucht nicht nur gerne Cannabis. Er setzt sich auch seit Jahren für dessen Legalisierung ein. Sein Interesse für das Thema wurde geweckt, da hatte der 47-Jährige noch gar nichts mit Gras am Hut. Es war das Jahr 1994 und ein Lübecker Richter machte Schlagzeilen, weil er den Grenzwert für eine „nicht geringe Menge“ Cannabis in seinem Urteil auf vier Kilo hochgeschraubt hat. „Das hat mich fasziniert, dieses Gefühl von zivilem Ungehorsam gegen eine auf Verbot setzende Prävention. Die ging früher wirklich ad absurdum.“

Doktorarbeit über Kokain

Im Laufe seiner studentischen und politischen Laufbahn wurde die Legalisierung immer mehr zum Herzensthema. In seiner Zulassungsarbeit verglich der Germanist und Politologe die Drogenpolitik in Deutschland mit der in Großbritannien. Und auch seine Promotion sollte sich ursprünglich mit den Substanzen in der Justiz beschäftigen – hätte er dafür nicht extra die Universität wechseln müssen. Stattdessen widmete er sich eben der Rolle des Kokains in der Literaturgeschichte. Auf politischem Parkett nutzte Labudda die große Bühne: sei es als Redner auf der Berliner Hanfparade, als drogenpolitischer Sprecher der PDS oder als Interviewgast beim Hanfjournal.

Doch auch in der Region macht er sich für die Legalisierung stark. Er kennt die hiesige „Szene“ also recht gut und weiß: Das Einzige, was sich für Konsumenten wirklich geändert hat, ist: „Die Angst ist aus dem Nacken. Kiffer müssten sich nicht mehr davor fürchten, von der Polizei schikaniert zu werden, wenn sie ein bisschen Gras in der Tasche haben.“

Nachteile im Job oder Verein

Ganz ist die Angst jedoch nicht verflogen. In der Öffentlichkeit werde der Großteil der Weinheimer Konsumenten dennoch nicht kiffen: „Viele, die ich kenne, wissen, dass es in Weinheim nicht nur progressive, sondern auch viele konservative Menschen gibt.“ Sie würden ihren Konsum allein deshalb nicht an die große Glocke hängen, weil sie persönliche Nachteile befürchteten, etwa im Vereinsleben oder auf der Arbeit. Und was ist mit Labudda selbst – wird man ihn künftig mit dem Joint in der Hand antreffen? Der Stadtrat verneint: „Ich arbeite im sozialen Bereich, da habe ich eine Vorbildfunktion.“

50 Kiffer auf dem Marktplatz?

Er habe sich mit Blick auf die Teil-Legalisierung am 1. April schon überlegt, ob es sich anböte, eine öffentlichkeitswirksame Aktion zu starten. In Zeiten der Illegalität seien solche Zeichen schon notwendig gewesen. „Aber jetzt 50 Kiffer auf den Marktplatz zu stellen, die eine große Dampfwolke in die Luft blasen: Das wäre der Sache heute nicht mehr zuträglich“, sagt der 47-Jährige. Überhaupt würde das ja ein Bild abgeben, das nicht der Normalität entspreche. Also einem geselligen Konsum mit Freunden im Garten. Die Geselligkeit, das ist ein Aspekt, den Labudda absolut in der jetzigen Regelung zu Cannabis Social Clubs (CSC) vermisst.

Denn während dort Marihuana an Mitglieder abgegeben werden darf, dürfen diese das Cannabis nicht in Klubnähe konsumieren. „In einem Kiffer-Café hätte man hingegen einen geschützten Rahmen“, so Carsten Labudda. Stattdessen nehme man das Gras mit nach Hause und rauche dort. „Wenn ich daheim bin und es geht mir schlecht, bekommt es keiner mit.“ Es gebe in Weinheim durchaus Menschen, die Interesse an der Gründung eines CSC haben, er selbst nicht ausgenommen. Allgemein seien die Konsumenten aber eher zögerlich. Der zahlreichen und knallharten Vorschriften zu den Vereinen wegen. „Man will sich nicht mehr Stress ans Bein binden, als vorher“, sagt der Linken-Stadtrat.

Was tun bei Rückwärtsrolle?

Beim Gespräch mit unserer Zeitung hat er die Regeln ausgedruckt dabei – 14 Seiten in DIN A4. Neben der Abgabe ist dort beispielsweise auch der Anbau strikt geregelt. Demnach müssen die Pflanzen eingefriedet sein, sicher geschützt, damit sie nicht geklaut werden. Zudem muss es einen völligen Sichtschutz geben, dass niemand den Anbau sehen kann. „Und bei großen Pflanzen müsste dieser Sichtschutz ganz schön groß werden“, so Labudda. Ebenso ließen viele Vorsicht walten, da sie nicht wüssten, ob sie in Zukunft nicht doch stigmatisiert würden. „Schon jetzt steht in dem Gesetz, dass die Vereine ihre Mitgliederdaten für Forschungszwecke bereitstellen müssen.

Aber was ist, wenn die CDU im nächsten Jahr die Bundestagswahl gewinnt und alles wieder zurückdreht?“, fragt sich der 47-Jährige. Für den Kommunalpolitiker steht fest, dass sich Konsumenten bei der Beschaffung weiterhin in die Illegalität begeben werden. Beim Dealer des Vertrauens sei der Einkauf viel bequemer und einfacher. Dass Kiffer ihr Gras aus einem CSC in Weinheim beziehen, sieht Labudda auf absehbare Zeit trotz des grundsätzlichen Interesses nicht. Die Devise lautet: abwarten. In größeren Städten bilden sich derzeit ja Clubs. Labudda: „Dorthin wird der Blick erst einmal gehen. Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Vereinsgründung? Wo sind die Fallstricke?“

Summa summarum: Der Kampf ist noch nicht vorbei. Labudda sieht noch so einiges, das nicht vollends ausgereift ist. Dementsprechend sei auch die Legalisierungsbewegung noch nicht zu Ende. Denn eines steht für den Kommunalpolitiker fest: „So wie es jetzt ist: Das kann nicht das Ende der Fahnenstange sein.“