Weinheim

Polizei-Chefin stolz: Weinheimer lösen überdurchschnittlich viele Fälle

Dagmar Pfeil stellte die Kriminalstatistik 2023 für Weinheim vor. Der Anstieg von rund 21 Prozent bei den Straftaten lässt erstmal schlucken. Bei einem genauen Blick auf die Zahlen sieht das anders aus.

Polizeirevierleiterin Dagmar Pfeil und stellte die Kriminalstatistik 2023 im Rathaus vor. Foto: Fritz Kopetzky
Polizeirevierleiterin Dagmar Pfeil und stellte die Kriminalstatistik 2023 im Rathaus vor.

Straftaten erreichten 2023 in der Stadt Weinheimein Rekordniveau. Mit insgesamt 3051 Fällen gab es rund 21 Prozent mehr erfasste Fälle als im Zehn-Jahres-Durchschnitt (2513). Auch im Vergleich zum Vorjahr stieg die Kriminalität um knapp ein Fünftel (2022 waren es 2509 Straftaten). „Das ist zunächst keine gute Nachricht“, sagte Dagmar Pfeil, Leiterin des Weinheimer Polizeireviers, bei der Präsentation der Kriminalstatistik 2023 im Gemeinderat. „Aber die Zahlen lassen sich erklären.“

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Kein Grund zur Panik

Im Gespräch mit unserer Redaktion beruhigt sie: „Von den 542 zusätzlichen Fällen sind 388 Vermögens- und Fälschungsdelikte.“ Also beispielsweise Computer-, EC-Karten- oder Warenbetrug. Bürger bräuchten sich somit nicht in ihrem Sicherheitsgefühl gestört fühlen. Überhaupt seien viele Straftaten nur deswegen in der Statistik vertreten, weil es gelungen war, sie zu entdecken. „Wir hatten viel mehr Manpower auf den Straßen. Das war uns möglich, weil wir zum 1. April 2023 personell verstärkt worden sind“, erläutert die Revierleiterin. Diese Präsenz wurde jüngst bei einer Großkontrolle auf der B 38 sichtbar, bei der 138 Fahrzeuge und 181 Personen inspiziert wurden.

Das verstärkte Hinsehen lohnte sich: Denn nicht nur wurden mehr Fälle erfasst – sie wurden auch häufiger gelöst. „Die Aufklärungsquote ist um fast zehn Prozent gestiegen. Das ist ein Beleg dafür, dass wir im Dunkelfeld einige Bereiche erleuchten konnten“, so Pfeil. Insgesamt lag die Quote bei 67,4 Prozent. Sprich: mehr als jeder zweite Fall.

Eine Entwicklung, die sich in ganz Deutschland beobachten lässt, machte auch vor der Zweiburgenstadt nicht Halt. „Durch den starken Zuzug von Menschen ist es auch in Weinheim zu einem Zuwachs von Fällen gekommen“, erläutert die Revierleiterin. Von insgesamt 1719 Tatverdächtigen waren 629 nicht deutsch.

Verbrechen verübt von Kindern

Insgesamt waren drei Viertel erwachsen, weitere 132 Verdächtige zwischen 18 und 21 Jahre alt. Bedenklich stimmt Dagmar Pfeil der hohe Anteil von jungen Straftätern: 274 hatten das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht, davon waren 64 strafunmündige Kinder unter 14 Jahren (2022: 28). Hierbei hielt eine Tätergruppe die Behörden besonders auf Trab: „Es ging immer um dieselben vier Kinder, immer in der gleichen Zusammensetzung“, sagt Revierleiterin Pfeil. Mit Blick auf das junge Alter und die laufenden Ermittlungen konnte sich die Polizistin nur bedingt zu dem Quartett äußern. Sie ließ jedoch durchblicken, dass es sich um keine Kavaliersdelikte gehandelt hatte. Im Gegenteil: „Es ging bis zur Schwerstkriminalität“, so die 51-Jährige. Körperverletzung, schwere Körperverletzung, Raubdelikte: „So eine hohe kriminelle Energie in einem so jungen Alter. Das ist schon außergewöhnlich – im negativen Sinne“, sagt Dagmar Pfeil. Viele der Taten der deutschen Kinder hätten sich im öffentlichen Raum abgespielt, darunter im Bereich rund um den OEG-Bahnhof. Sie seien jedoch auch außerhalb der Stadtgrenzen aktiv gewesen.

Ein Grund, wieso die Kriminalpolizei eingeschaltet wurde, die die Ermittlungen übernommen hat. Mittlerweile seien die Tatverdächtigen allesamt über 14 Jahre alt und auch nicht mehr in Weinheim wohnhaft. Die Straftatenserie des Quartetts lässt sich auch in der Statistik ablesen. Sie trug zu ihrem größten (prozentualen) Ausreißer 2023 bei: den gestiegen Fallzahlen im Bereich „Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum“. Hier verzeichnete das Revier 145 Taten und damit einen Anstieg von 61,1 Prozent im Vergleich zu 2022 (90). Hier wiederum machten den größten Teil Körperverletzungsdelikte aus. Das zeigt sich dementsprechend auch bei der Gewaltkriminalität, die um ein Drittel zugenommen hat. Jede zweite der 95 Taten wurde von Nichtdeutschen begangen. Die gute Nachricht: Mehr als acht von zehn Taten im Bereich der Aggresions- und Gewaltdelikte konnten von den Beamten aufgeklärt werden. Die schlechte: Sie fielen ihr auch besonders oft zum Opfer. Die Gewalt gegen Polizisten war 2023 mit 23 Fällen auf einem Zehn-Jahres-Hoch (Zehn-Jahres-Durchschnitt: 13,5).

Ideale Bedingungen für Einbrecher

Mit seiner Lage direkt an der Autobahn schafft Weinheim eine ideale Ausgangslage für professionelle Einbrecher. Täter agieren hier zunehmend überregional, suchen sich Ziele mit günstigen Fluchtwegen aus, so Pfeil. Trotzdem gelang es dem Polizeirevier, fast jeden zweiten der 968 Eigentumsdelikte aufzuklären. „Damit haben wir eine überdurchschnittliche Quote“, erklärt Leiterin Dagmar Pfeil. Im Bereich des Polizeipräsidiums und im gesamten Baden-Württemberg gelang das nur in jedem dritten Fall.

Weniger Fälle, dafür größere Funde: Das war nach Angaben Pfeils die Devise im Bereich Rauschgiftkriminalität. Nachdem deren Anzahl 2022 bei 222 gelegen hatte, wurden 2023 nur 172 Fälle verzeichnet (Rückgang: 22,5 Prozent). Aber: „Wir hatten mitunter Sicherstellungsmengen von zwei Kilogramm. Das ist im Bereich eines Reviers schon eine Menge“, erklärt Pfeil. Getötet wurde im vergangenen Jahr niemand. Versucht worden ist es. Die Revierleiterin spricht von einem versuchten Tötungsdelikt im Flüchtlingsheim. „Dieses Delikt hat aber nicht auf die Öffentlichkeit ausgestrahlt.“ Hier laufe das Verfahren noch. Es habe sich um einen Vorfall gehandelt, bei dem zwei Bewohner bewaffnet aufeinander losgegangen waren. Einer der beiden Kontrahenten sei dabei so brutal vorgegangen, dass die Staatsanwaltschaft Mannheim wegen versuchter Tötung ermittle.

Drei Frauen vergewaltigt

Drei Frauen wurden im vergangenen Jahr vergewaltigt. In zwei Fällen handelte es sich um Beziehungstaten. Der dritte hingegen fand im öffentlichen Raum statt und erregte hohe Aufmerksamkeit. Es handelte sich um eine 28-jährige Frau, die am Kerwemontag auf ihrem Nachhauseweg von einem unbekannten Mann auf dem Spielplatz „Katzenlauf“ attackiert wurde. Insgesamt war die Zahl der Sexualstraftaten mit 60 fast gleichbleibend, die Aufklärungsquote mit 85 Prozent hoch.

Sexualstraftaten im öffentlichen Raum bleiben die Ausnahme. Heutzutage ereignen sich die Delikte meist im digitalen Raum. Beispielsweise, wenn Nacktbilder per WhatsApp versendet werden. Von den 60 Sexualstraftaten 2023 waren laut Pfeil 42 solche „Messenger-Delikte“. Oftmals handelte es sich um jugendliche Täter. Ein Motiv, das sich durch die ganze Kriminalstatistik zu ziehen scheint.