Fürth

Bei Fürth ein Reh gerissen

Zwischen Steinbach und Hammelbach wurde ein totes Tier gefunden. Wurde es von einem Wolf getötet? Das Landesamt nimmt Proben.

War es ein Wolf? Noch ist nicht klar, welches Tier für den jüngsten Wildtierriss verantwortlich war. Foto: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
War es ein Wolf? Noch ist nicht klar, welches Tier für den jüngsten Wildtierriss verantwortlich war.

Das Foto zeigt einen derart übel zugerichteten Kadaver, dass auf den ersten Blick nicht klar ist, um welches Tier es sich handelt; nur noch ein Hinterlauf ist erhalten, entlang der Wirbelsäule ist das Fleisch großflächig abgefressen.

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„Es war ein Reh“, sagt Nikolaus Berg, der das Tier am Sonntag begutachtete, wo es unweit einer Gaststätte zwischen Fürth-Steinbach und Hammelbach im Gras liegend aufgefunden wurde. Zusammen mit ihm hat Jagdpächter Christian Hirsch die Stelle in Augenschein genommen. Er rekonstruiert den Ablauf so: „Das Reh saß am Waldrand und wurde überrascht und vermutlich von hinten angefallen.“

Die Blutspuren seien ganz frisch gewesen am Sonntagmorgen: „Das ist in der Nacht passiert.“ Danach sei das Reh ein ganzes Stück die Wiese heruntergeschleift worden, wo es etwa 70 Meter von der Gaststätte entfernt aufgefunden wurde, ergänzt Berg.

Klärung der „W-Frage“

„Wir haben auch Losung gefunden“, fährt der Landwirt fort; noch ist unklar, ob das Tier von einem Wolf oder einem anderen Fleischfresser angefallen wurde. Seine Überreste wurden aber noch am Morgen samt Losung „eingetütet“, bemerkt Berg: „Glücklicherweise, denn danach hat es stark geregnet.“ Und das hätte die Identifizierung des Räubers erschwert oder unmöglich gemacht. Hirsch sorgte dafür, dass die Proben zum Forstamt nach Lampertheim gebracht wurden, wo es mittlerweile einen zuständigen Mitarbeiter gebe. Der sie weiterleitet an das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Eine Untersuchung dürfte die Klärung der „W-Frage“ voranbringen. Noch in Arbeit ist eine weitere Probe, denn vor einigen Wochen wurde ein Schaf unweit des Berg’schen Hofs angefallen – auch hier ist zu klären, ob ein Wolf am Werk war (die OZ berichtete).

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) äußert sich zu den Vermutungen über den Aufenthalt eines Wolfs im Odenwald. Die Organisation teilt jetzt mit: „Wölfe kommen an ungeschützten Weidetieren auf den Geschmack.“ Der Kreisverband der Umweltorganisation bezieht sich dabei auch auf den Vorfall bei Fürth. Allerdings geht der BUND schwerpunktmäßig auf die Frage ein, wie Schafe und andere Tiere vor Angriffen geschützt werden könnten. Guido Carl, Vorstand im BUND Bergstraße, erklärt: „Durchziehende Wölfe treffen noch viel zu oft auf ungeschützte Weidetiere, auch im Odenwald. Nutztierrisse lassen sich nur vermeiden, wenn der Herdenschutz auch präventiv flächendeckend stattfindet.“

Der Umweltverband verweist dabei auf Fördermittel für Grundschutz und erweiterten Herdenschutz, die bei der Landwirtschaftsverwaltung des Landkreises beantragt werden könnten. Falls ein Wolf in der Gegend sei, fährt er fort, könne es ein durchziehendes, jüngeres Tier gewesen sein – eines, das noch lernen könne, beispielsweise aus dem schmerzhaften Stromschlag an einem Herdenschutzzaun: „ Wölfe mit dieser schmerzhaften Erfahrung halten sich von Nutztieren fern.“

Bedeutung des Herdenschutzes

Für die Zahl der Nutztierrisse sei nicht die Zahl der Wölfe, sondern die Qualität des Herdenschutzes entscheidend, schreibt der BUND und betont, dass in Deutschland Übergriffe weiter überwiegend an ungeschützten Nutztieren stattfänden, und Carl schreibt: „Ohne konsequenten Herdenschutz schaffen wir uns ständig wachsende Probleme mit dem Wolf.“

Bei Berg rennt er damit offene Türen ein; der Landwirt berichtet, dass er sich kürzlich an das HLNUG gewandt habe mit der Frage, wie denn eine solche Maßnahme in Hessen gefördert werde. „Es gibt eine Förderung“, gibt er die Unterhaltung wieder: Voraussetzungen seien, dass es Wolfsrisse in dem Bereich gebe und ein Wolf zwei- bis dreimal gefilmt wurde. Außerdem müsse es sich um eine „Abkalbweide“ handeln. Dann gebe es einen Zuschuss von 80 Prozent der Investitionskosten.

Zurück zu den toten Tieren: Hirsch stellt den jüngsten Vorfall in einen Kontext ähnlicher Begebenheiten: Da war das tote Schaf von Steinbach, außerdem ein weiteres Tier, das bislang spurlos verschwand. Zuvor fanden Spaziergänger noch ein Reh, an dessen Überresten aber nichts mehr feststellbar gewesen sei – all das spielte sich in einem Zeitraum von drei Wochen ab und in einem engen, räumlichen Zusammenhang, sind doch die Fundorte maximal 500 Meter von einander entfernt.

Jäger legt sich fest

Für Hirsch sind die Ereignisse ein Novum im Jagdgebiet „Fürth links der Weschnitz“. Seine Familie hat es seit über 70 Jahren, er selbst ist seit 2008 Pächter. „So etwas hatten wir noch nie“, erklärt er und legt sich fest: „Das war ein Wolf.“

Warum? Für ihn scheidet ein Hund als Verursacher aus, denn mit diesen Vierbeinern habe es seit mehr als 30 Jahren keine vergleichbaren Risse mehr gegeben; und wenn, dann hätten sich die Tiere an Zäunen verletzt oder wären vor Schreck gestorben. „Ich kenne keinen Hund, der ein ausgewachsenes Reh in freier Natur fangen kann“, betont Hirsch. Und auch die Schafstötung sei nicht typisch: „Ihm wurde die Kehle herausgerissen. So etwas macht kein Hund.“ Beim Reh wiederum fehlte mehr als die Hälfte, gut zehn Kilo Fleisch, eine Keule war komplett weg. Und die durchgebissenen Knochen – das war kein Hund, da ist Hirsch sicher.