Wahlen

Odenwälder Erzieherin berichtet von ihrem „Traumjob“ im Kindergarten

Für „Die kleinen Strolche“ kaum vorstellbar, dass Christa Sattler in Rente geht. Tut sie auch nicht ganz. Wie sie auf ihre Zeit als Erzieherin zurückblickt und was sie sich für die Zukunft wünscht. Ein Gespräch auf dem Spielfeld.

Kaum eine Woche ist es her, dass Christa Sattler in Rente verabschiedet wurde. Nun sitzt sie wieder mittendrin und spielt mit den Kindern in der Turnhalle „Mensch ärgere Dich nicht“. Foto: Fritz Kopetzky
Kaum eine Woche ist es her, dass Christa Sattler in Rente verabschiedet wurde. Nun sitzt sie wieder mittendrin und spielt mit den Kindern in der Turnhalle „Mensch ärgere Dich nicht“.

Es sind genau 44 Jahre, die Christa Sattler im Kindergarten „Die kleinen Strolche“ in Wahlen beruflich verbracht hat. Hinzu kommen zwei Jahre Vorpraktikum in der Einrichtung. Am 1. August 1980, ihrem ersten Tag als ausgebildete Erzieherin, kannte sie bereits ihren Arbeitsplatz und auch die dortigen Abläufe. „Trotzdem war ich aufgeregt“, erinnert sich die gebürtige Grasellenbacherin an ihren offiziellen Start als Vollzeitkraft.

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Als Erzieherinnen noch „Fräulein“ hießen...

Damals hieß sie noch „Fräulein“ - und damals sah der Kindergarten in Wahlen anders aus: Die Turnhalle gab es noch gar nicht. Die Gruppenräume sind später - vor etwa 25 Jahren - vergrößert und das gesamte Gebäude modernisiert worden. Die Eltern hätten hier immer kräftig mitgeholfen, betont sie.

... und morgens der Kindergartenbus durch Wahlen fuhr

Überhaupt sei die Arbeit als Erzieherin eine andere gewesen: „Ich begann in der Gruppe der Dreijährigen mit 25 Kindern.“ Auf die Frage, wie das Gefühl gewesen sei, gleich am Anfang so viel Verantwortung zu übernehmen, zuckt sie mit den Schultern. „Ganz normal, ich hatte ja zum Glück die praktische Vorbereitung.“ Normal war auch, dass morgens ein großer Bus durch die Gemeinde fuhr, alle Kinder von drei bis sechs Jahren einsammelte und sie gemeinsam in den Kindergarten nach Wahlen brachte. „Heute bringen die Eltern ihre Kinder selbst.“ Die 64-Jährige sagt das wertungsfrei, sie beschreibt nur, was sich inzwischen verändert hat.

Was hat sich zu damals verändert?

Es gab keine wochenlange Eingewöhnung, wie das heute üblich ist. Die mutigen Kinder hätten damit noch nie ein Problem gehabt, aber die schüchternen schon. Sie denkt kurz nach. Im Nachhinein betrachtet, sagt sie schließlich, sei der Alltag der Kinder etwas strikter geregelt gewesen. Um Bedürfnisse des einzelnen Kindes hätte man sich weniger Gedanken gemacht als heutzutage, das ist ein neues Konzept im Kindergarten.

Die Situation habe sich insgesamt gewandelt, auch zum Besseren: „Wir achten darauf, dass sich die Kinder gleichermaßen wohlfühlen.“ Dass sich ein Kind wohlfühlt, gelingt am besten, wenn sich die Einrichtung mit den Eltern abstimmt, weshalb ihr der enge Kontakt mit Eltern schon immer wichtig gewesen sei. Das ist in Wahlen nicht unbedingt schwierig. „Hier kennt jeder jeden. Hier ist es nicht anonym.“

Kostüme selbst genäht

Doch im Gemeindeleben waren die Kindergartenkinder einst präsenter. Als sie das erzählt, schwingt doch etwas Wehmut mit. Die Rentnerin schwärmt noch immer von den vielen Festen, die im Ort gefeiert wurden. Das waren für sie als Erzieherin die Höhepunkte: „Zu jeder Jahreszeit gab es einen Anlass zu feiern.“ Ob im Kindergarten oder im Zelt, das die Gemeinde extra für die Kinder errichtet hatte. Oder in der Nibelungenhalle, wo die Weihnachtsfeiern abgehalten wurden. „Wir haben uns dann immer ein Motto überlegt und dafür Kostüme selbst genäht.“ Auch das sah sie früher als ihre Aufgabe an. Vor Kurzem habe sie auf dem Speicher des Kindergartens die alten Kostüme wiederentdeckt. Es ist einer von mehreren nostalgischen Momenten während des Gesprächs mit unserer Redaktion.

44 Jahre lang betreute Christa Sattler mit viel Freude die "kleinen Strolche". Foto: Fritz Kopetzky
44 Jahre lang betreute Christa Sattler mit viel Freude die "kleinen Strolche".

Spielerisch auf Schule vorbereitet

So auch, als sie auf die Vorschule zurückblickt: „Es gab ein einheitliches Programm für die Vorschulkinder, um sie auf den Start in die Grundschule vorzubereiten, und zwar mit einer Mappe voller Arbeitsblätter, die auch durchgearbeitet werden mussten.“ Selbstverständlich gehörte es dazu, mit den Kindern die Wahrnehmung der Sinne und die Silben einzuüben. Kindgerecht sei das abgelaufen, die Kinder seien spielerisch vorbereitet worden und sie selbst sei mit viel Spaß dabei gewesen: „Kinder würden es auch sofort merken, wenn wir das halbherzig machen. Die haben dafür sehr feine Antennen.“ Deshalb sei es unerlässlich, dass Kinder während ihrer Zeit im Kindergarten immer eine feste Bezugsperson haben, an die sie sich verlässlich wenden können.

Das Vorschul-„Training“ hat Christa Sattler übrigens besonders gern gemacht. „Doch heute ist alles flexibler geworden. Die Kinder genießen in dem gruppenübergreifenden Konzept mehr Freiheiten.“ Was aus ihrer Sicht auch vorteilhaft sein kann: „So lernen die kleineren Kinder von den großen.“

Ansprüche auf Erzieher sind gewachsen

Sie zählt unermüdlich auf, was der Kindergarten für „Die kleinen Strolche“ heute leistet: durchgängige Betreuung, auch Betreuung ab zwei Jahren, und gemeinsames Mittagessen. In diesem Rahmen könne man allerdings nicht alle Aufgaben der Erziehung komplett abbilden, wendet sie ein. Der Anspruch an sie und ihre Kollegen sei spürbar gewachsen. Sie könne dem Druck begegnen, manchmal auch mit einem kleinen Appell: „Hört auf, eure Kinder zu erziehen, sie machen euch doch sowieso alles nach.“ In diesen Worten schwingt die Erfahrung mit, die sie um nichts in der Welt missen möchte.

Vor etwa 25 Jahren wurde das Kindergartengebäude vergrößert und renoviert.
Foto: Philipp Reimer
Dieses Schild schmückt den Zaun am Eingangsbereich der "kleinen Strolche".
Foto: Philipp Reimer
Vor etwa 25 Jahren wurde das Kindergartengebäude vergrößert und renoviert.
Dieses Schild schmückt den Zaun am Eingangsbereich der "kleinen Strolche".

„Traumberuf“ Erzieherin

Auf ihre 44 Jahre blickt sie zufrieden zurück: „Wenn ich nochmals neu planen müsste, ich würde es wieder tun.“ Mehr noch: „Ich habe meinen Traumberuf gefunden, ich liebe die Arbeit mit den Kindern und mit meinen Kolleginnen. Eine von ihnen war früher sogar mein Kindergartenkind.“ Während sie noch von ihrem Job schwärmt, von dem sie sich gerade offiziell verabschiedet hat, kommt die Frage auf, warum immer weniger junge Menschen im pädagogischen Bereich eine Ausbildung beginnen und warum Kindergärten händeringend Nachwuchs suchen müssen. Sattler nickt kurz, schließlich kennt sie die Situation nur zu gut.

Ausbildung praxisnäher gestalten

„Für mich ist die Ausbildung viel zu theoretisch geworden. Zwei Jahre Fachschule allein finde ich nicht gut“, beginnt sie. Die langjährige Erzieherin wünscht sich in der Ausbildung mehr Praxisnähe, so wie sie es damals selbst erleben durfte, mit einem fachschulbegleitenden Praktikum. Das sollte aber heutzutage entlohnt werden, ergänzt sie. Und sie hätte auch nichts dagegen, wenn weniger dokumentiert werden müsste. „Entwicklungsberichte zu schreiben ist schon sehr zeitaufwendig.“

„Eine Legende verlässt das Gelände“

Zum Schluss kommt sie noch mal auf ihren Abschied zu sprechen. Emotional sei es zugegangen. „Ich hatte Tränen in den Augen.“ Besonders als sie die Botschaften aus der Flaschenpost las, die ihr das Kiga-Team schenkte. Über eine Nachricht hat sie, trotz der Tränen, herzhaft lachen müssen: „Eine Legende verlässt das Gelände“.

Bürgermeister Markus Röth verabschiedet Christa Sattler in den Ruhestand. Foto: Kindergarten
Bürgermeister Markus Röth verabschiedet Christa Sattler in den Ruhestand.

Aber wenn der Beruf zur Leidenschaft geworden ist, verlässt man ihn nie so ganz. Die pädagogische Fachkraft im wohlverdienten Ruhestand unterstützt den Kindergarten weiterhin einmal wöchentlich, und das freut alle Kolleginnen und Kollegen, allen voran Leiterin Nina Camber. „Ich will keinen harten Schnitt“, ruft sie zum Abschied noch rüber. Jetzt habe sie Wichtigeres zu tun, als über sich selbst zu reden. Christa Sattler dreht sich zu ihren „Strolchen“ herum - auch ihr Enkel wartet bereits ungeduldig auf sie - und spielt weiter „Mensch ärgere Dich nicht“.