Weinheim/Odenwald

Betrügerische E-Mails: Falsches "Mandat für Gerichtsverfahren"

Seit Jahren ist eine Scam-Mail in Umlauf, die mit Strafverfolgung wegen Kinderpornografie und anderem droht – jetzt landet sie auch im Postfach der WNOZ.

Diese Scam-Mail landete jetzt im WNOZ-Postfach. Foto: Stephanie Kuntermann
Diese Scam-Mail landete jetzt im WNOZ-Postfach.

Auf dem Briefkopf ein Polizeisiegel, darunter gleich zwei Absender: Justizministerium und Amtsgericht München. Die geballte Macht der Justiz sozusagen, die sicher auch in Baden-Württemberg und Hessen mächtig Eindruck macht.

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Die Redaktion hat dieser Tage elektronische Post bekommen und steht offenbar kurz vor der Inhaftierung wegen Kinderpornografie und anderer Delikte. Das jedenfalls will eine Scam-E-Mail, also betrügerische elektronische Post, dem Empfänger weismachen. Mails wie diese sind seit Jahren in Umlauf - und nun ist eben so ein Schreiben auch im WNOZ-Postfach gelandet. Auf den allerersten Blick wirkt das Schreiben durchaus echt.

Und: Diese Form der Kriminalität „kann überall stattfinden, wo Menschen Computer, Smartphones und andere IT-Geräte benutzen“, erklärt Bernd Hochstädter von der Polizei Südhessen.

Woran erkennt man eine betrügerische E-Mail?

Doch woran erkennt man eine betrügerische E-Mail? WNOZ hat sich das dubiose Schreiben mal näher angeschaut und verrät, woran man erkennt, dass es nur ein Fake ist.

Das Siegel

Da ist zunächst einmal das abgebildete Siegel; es wird von der Bundespolizei und nicht vom bayerischen Justizministerium verwendet. Die Justizministerien verwenden nämlich das jeweilige Landeswappen, und in Bayern heißt die Behörde „Bayerisches Staatsministerium der Justiz“ und eben nicht "Justizministerium".

Formale Ungereimtheiten

Was der vielzackige, rote Stern neben der Überschrift bedeutet, bleibt unklar. Sieht man einmal von den zahlreichen sprachlichen Unsauberkeiten und der Tatsache ab, dass in Deutschland niemand einen Brief mit der englischen Abkürzung „Mr“ unterzeichnen würde und dass keine Umlaute oder ß verwendet werden, stimmt hier fachlich gar nichts.

Juristische Fehler

Für einen Juristen liegen die Fehler sofort auf der Hand: Beispielsweise ist von einem "Gesetz 3903 der Strafprozessordnung" die Rede, immer wieder auf "Artikel" verwiesen. Aber Tatbestände sind im Strafgesetzbuch aufgeführt und nicht in der Strafprozessordnung. In beiden Fällen handelt es sich um Paragrafen, nicht um Artikel. Nummerierte Gesetze sind im deutschen Recht ebenfalls nicht üblich, ebenso wenig wie ein Strafrahmen von „acht bis 34 Jahren“.

Schreiben ohne Anrede

Davon abgesehen müsste der Verdächtige in einer Ermittlung namentlich benannt werden, was hier nicht der Fall ist; stattdessen heißt es anstelle einer Anrede „Zu Ihrer Kenntnisnahme“. Vollkommen absurd ist die Drohung, eine Akte an „pädophile Vereinigungen und die Medien zur Veröffentlichung“ weiterzuleiten – ganz abgesehen von der Frage, was eine „pädophile Vereinigung“ eigentlich ist.

Und dann ist da noch der Vertriebsweg per E-Mail. Dazu schreiben die Behörden Folgendes: „Wir stellen klar: Bei diesen E-Mails handelt es sich um Fake-Mails, die nicht vom Bundeskriminalamt oder von BKA-Präsident Holger Münch stammen. In keinem Fall würden wir Bürger auf diesem Wege kontaktieren.“

Dazu erklärt auch Pressesprecher Hochstädter: „Die Polizei sendet eine Vorladung per Post oder kontaktiert Sie persönlich.“

Holger Münch gibt es tatsächlich

Zurück zum angeblichen Verfasser: Holger Münch existiert tatsächlich, allerdings ist er nicht „Polizeidirektor“, sondern seit 2014 Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA). Und auch wenn es martialisch klingt, eine „Brigade für den Jugendschutz“ gibt es nicht.

Im vorliegenden Schreiben wird zudem eine gmail-Adresse angegeben, also eine, die beim E-Mail-Dienst von Google frei erhältlich ist. Dazu warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in einem Beitrag aus diesem Jahr: „Kein Ministerium, kein Amt, kein Gericht und keine Polizei arbeitet mit solchen E-Mail-Adressen!“

Woher stammen die Mails?

Bleibt die Frage, woher die Scam-Mails stammen. Hochstädter erklärt dazu: „Sie können aus Deutschland, aber natürlich auch aus jedem anderen Land kommen. Cyberkriminalität ist ein weltweites Phänomen, das weder an Landesgrenzen noch vor verschlossenen Türen Halt macht.“ Besonders misstrauisch sollten Betroffene aber trotzdem gegenüber Rechtschreib- und Grammatikfehlern bei E-Mails von unbekannten Absendern sein.

Auch eine Aufforderung zu jeglicher Art von „umgehendem Handeln“ (in unserem Fall die Einforderung einer Antwort binnen 72 Stunden) beschreibt Hochstädter als Zeichen für einen Betrugsversuch. Mitunter fordern die Autoren der Schreiben auf, einen Anhang zu öffnen. Zumeist geht es Kriminellen darum, an persönliche Daten wie zum Beispiel die private E-Mail-Adresse zu gelangen.

Keine Anhänge öffnen

Die Möglichkeiten sind laut Hochstädter vielfältig: „Etwa über dubiose Internetseiten, auf denen das Opfer etwas eingetragen hat. E-Mails, die aussehen, als kämen sie zum Beispiel von einer Bank oder einem großen Online-Shop (Phishing). Wer darauf reagiert, sendet persönliche Daten. Auch mit Schädlingen in Apps können Betrüger an persönliche Daten kommen“, etwa über Angaben in sozialen Netzwerken, die die Betrogenen selbst öffentlich machen.

Auf eine dieser Arten sind die Betrüger auch auf die Kontaktdaten der Redaktion gekommen. Aber was wäre passiert, wenn wir nun doch den Köder geschluckt und der Aufforderung nachgekommen wären? Hochstädter geht davon aus, dass uns entweder eine Summe genannt worden wäre, gegen die das „Verfahren“ eingestellt worden wäre. Eine andere mögliche Variante sei, dass die Betrüger im nächsten Schritt einen Link geschickt hätten, mit dem man den PC mit einer Schadsoftware infiziert hätte. Zum Schluss appelliert der Pressesprecher noch an mögliche Empfänger: „Antworten Sie nie auf E-Mails von unbekannten Absendern! Öffnen Sie keine Dateien unbekannter Herkunft oder Links in E-Mails unbekannter Absender! Bleiben Sie wachsam im Umgang mit persönlichen Daten.“

Sollte es bereits bei der Kontaktaufnahme von Betrügern zu einer „Geldforderung oder einem schädigenden Ereignis gekommen sein, erstatten Sie Anzeige bei der für Sie zuständigen Polizeidienststelle“. Auch wenn man Zweifel an der Authentizität einer solchen Nachricht habe, könne man sich immer an die Polizei wenden.