Großer Umzug zur Hemsbacher Kerwe

Regenjacke und Schirm gehören am Sonntagnachmittag zur Pflichtausrüstung der Umzugsgäste, die schon weit vor der Zeit die Gehwege an der Strecke in Beschlag genommen haben. Einige wenige sind eingemummelt, als ob sie gleich auf die Skipiste wollen, einige wenige andere haben die „innere Hitz“ und kommen in kurzen Hosen und T-Shirt. Um es vorwegzusagen: Die Wettervorhersage hätte Schlimmeres erwarten lassen. Immerhin die erste Stunde des Umzugs verläuft komplett regenfrei, dann schauert es ein wenig, hört aber auch wieder auf.

„Küss die Hand, schöne Frau“

Kerwepfarrer Marc Weber und sein Mundschenk Andreas Nedza genießen sichtlich die Regenpause und grüßen aus ihrem Ledersessel huldvoll die Zuschauer. Die im Krachledernen gekleideten Kerweborschde folgen mit einem überhohen Wagen, der als auf der Seite liegende Jägermeisterflasche dekoriert ist und von einem rosafarbenen Hirsch gekrönt wird: „Küss die Hand, schöne Frau“ kommt aus den Lautsprechern – und zwar in ziviler Lautstärke, wie sich überhaupt zumindest die örtlichen Gruppen die Kritik an zu starken Basstönen zu Herzen genommen und die Phonzahl heruntergedreht haben. Bei den „Altparre“ sitzen der frühere Bürgermeister Volker Pauli und Karl Janowski auf der Gabel eines Traktors ganz vorne, während die Kollegen fleißig ausschenken, wie dies auch der Gemeinderat mit Bürgermeister Kirchner und Jugendgemeinderat machen.

Tolle Musik liefert die Bensheimer Roabdigalle Guggemusik, die mit starker Rhythmusgruppe und zehn Bläsern durch die Gassen ziehen und später vor der Kerwerede noch ein kleines Platzkonzert vor dem Rathaus geben. Die Hemsbacher Weinhoheiten winken sitzend aus ihrem Motivwagen, die Schriesheimer Kolleginnen werden weiter hinten im flotten Benz-Coupé durch den alten Ortskern von Hemsbach gefahren.

Steppen auf der Straße

Dabei sind natürlich sehr viele Vereine: die Pfadfinder, verschiedene Gruppen der Sportgemeinde und des Turnvereins, die DLRG, der KSV, Budo Club und 1. Karat Dojo. Manche tanzen auf der Straße, wie die Penguin Tappers, manche machen gewagte Figuren wie die Cheerleaders der Weinheimer Longhorns, manche führen Ballkunststücke auf, wie die Jugendfußballer der SG. Auch der Odenwaldklub ist mit dabei und feiert sein 50-jähriges Bestehen – ebenso wie der Kochclub Gourmet, dessen Mitglieder unter dem Motto „Des is foi“ mit großen Kellen Focaccia und Kuchen verteilen. Die meisten Wagen und Fußgruppen werfen Gutsel, Gummibärchen, Popcorn oder Lutscher in Richtung Zuschauer. Manche Kinder verlassen den Schauplatz mit prall gefüllten Tüten. Daneben gibt es auch Getränke. Sehr sympathisch kommt „Santiagos Gartenbau“ rüber, die zu tanzbaren Sambaklängen Cuba libre ausschenken.

Erst mit dem Wagen von „Bergstroß United“ wird es lauter: Die „Erdbeersheriffs“ bekennen freimütig: „Leise soll die Kerwe sein, Bergstroß United sagt klar nein.“ Und lassen die Bässe wummern. Einige Motivwagen von auswärtigen Teilnehmern machen es ihnen nach, so etwa die Hambacher Kerwejugend. Ganz am Ende des Umzuges gibt es dann einen strahlenden Karl-Heinz Schwab, Chef des Hemsbacher Vereins Freunde Historischer Fahrzeuge, der von seinem Oldtimer-Traktor herunter strahlt und ganz ohne Musik, den Sound seines Fahrzeuges hören lässt.