Weinheim

So halten sich unsere Unverpacktläden über Wasser

Steigende Lebensmittelkosten machen Unverpacktläden zu schaffen. So halten sich die Geschäfte der Region über Wasser.

Im Geschäft von Andrea Hehn gibt es so gut wie alles – nur keinen Verpackungsmüll. In den krisengebeutelten Zeiten freut sie sich, auf treue Kunden wie Monika Breuer bauen zu können. Foto: Gabriel Schwab
Im Geschäft von Andrea Hehn gibt es so gut wie alles – nur keinen Verpackungsmüll. In den krisengebeutelten Zeiten freut sie sich, auf treue Kunden wie Monika Breuer bauen zu können.

Höhere Energiekosten, Inflation und Co. machen ein ökologisches Leben ganz schön teuer. Vor allem bei der Ernährung treten Konsumenten in puncto Nachhaltigkeit auf die Bremse. Grund sind die stark gestiegenen Preise für Lebensmittel. Diese Entwicklung trifft Unverpacktläden, die vor allem auf regionale Produkte setzen, in besonderem Maße. Seit dem Ukrainekrieg haben viele von ihnen geschlossen. Doch wie steht es um die Geschäfte in der Region?

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„Wir haben ordentlich zu kämpfen“, sagt Andrea Hehn, Co-Geschäftsführerin von Unverpackt Weinheim. „Wenn wir nicht so idealistisch wären, müssten wir eigentlich zumachen.“ Da seien die Fixkosten auf der einen Seite, also die Miete und der Strom. Und die höheren Lebensmittelpreise auf der anderen Seite: „Wir kaufen teurer ein und können natürlich nicht alles verkaufen.“

So sieht es in einem Unverpackt-Laden aus: Die Ware kann lose entnommen werden - ohne lästigen Müll außenrum. Foto: Fritz Kopetzky
So sieht es in einem Unverpackt-Laden aus: Die Ware kann lose entnommen werden - ohne lästigen Müll außenrum.

Zum Glück habe der Laden eine „treue und tolle“ Kundschaft. Nichtsdestotrotz sei sie weniger geworden. Und die Menschen, die kommen, kauften auch nicht mehr so viel ein wie früher. „Man beobachtet viele Menschen, die am Laden vorbeilaufen, weil sie denken, es ist bei uns zu teuer. Dabei sind die meisten überrascht, wenn sie einmal ihren Korb gefüllt haben und an der Kasse stehen.“ Denn so viel teurer sei es im Unverpackt gar nicht. Manche Produkte, zum Beispiel Öl, Essig und glutenfreies Mehl, seien sogar billiger als auf dem „regulären“ Bio-Markt.

Nahrung, Haushaltsmittel, Kosmetik

Ein weiterer Vorteil an Unverpackt: „Man kauft bei uns halt nur so viel ein, wie man auch braucht.“ Nahrung, Haushaltsmittel, Kosmetik und vieles, vieles mehr wird von den Kunden passgenau aus Spendern entnommen. Ihre Behälter bringen sie dabei selbst mit ins Geschäft. In den Unverpacktladen geliefert werden die (zum allergrößten Teil regionalen) Produkte in Pfandbehältern, die später wieder an die Unternehmen zurückgegeben werden. So entsteht kein Müll. Für die Geschäftsführerinnen Andrea Hehn und Anja Wilkening eine Lebensphilosophie, die sie trotz harter Zeiten nicht aufgeben. Dennoch hätten die beiden es sich mit Sicherheit leichter vorgestellt, als sie kurz vor Beginn der Pandemie ihren Laden eröffneten.

Sowohl Hehn als auch Wilkening hatten jeweils den Unverpackt-Wunsch geträumt, bevor sie ihn gemeinsam realisierten. „Wir sind selbst nachhaltig strukturiert und wenn man damals auf diese Weise einkaufen wollte, musste man immer nach Heidelberg zum nächsten Unverpacktladen fahren. Das war einfach zu weit“, erzählt Andrea Hehn. Beide hatten für die Umsetzung Rat beim Weinheimer Förderkreis Selbstständigkeit gesucht, der die Idealistinnen schlussendlich zusammenbrachte.

Und im November 2019 war es dann soweit: Weinheim bekam sein eigenes Unverpacktgeschäft. Doch kaum war ein halbes Jahr ins Land gezogemn, da überrollte die Corona-Pandemie die Welt. Mit ihr kamen strenge Einschränkungen für Bürger und Gewerbe. „Es war gespenstisch“, erinnert sich Hehn. Für viele wurde der Unverpacktladen zur kleinen Insel, wo sie beim Einkauf auch einmal sozialen Kontakt außerhalb der Familie hatten.

Preise gehen in die Höhe

Doch es war auch nach Corona nicht vorbei mit den Krisen, wie Martine Rüdinger aus leidvoller Erfahrung berichten kann. Mit Chez Martine betreibt Rüdinger zwei Unverpacktläden (in Birkenau und Hammelbach) und berichtet von ganz ähnlichen Problemen wie in Weinheim. Dass die regionalen Hersteller angezogen haben, wirkt sich auf die Produktpreise im Laden aus. Käse, Eier, Rapsöl: Hier hat Rüdinger etwas aufschlagen müssen. Bei anderen Waren habe sie den Preis halten können: „Beim Müsli zum Beispiel bezahlt man bei uns seit vier Jahren dasselbe.“ Was die Fixkosten anbelange, habe sie Glück gehabt. Der Stromvertrag hat sich nicht geändert. Auch die Vermieter der beiden Läden verlangten nicht mehr Geld. Anders sei hingegen auch bei ihr das Kaufverhalten der Klientel. „Unsere Kunden sind bereit, mehr zu zahlen. Aber bei den Produkten ist bei ihnen weniger am Ende mehr“, sagt Rüdinger.

Sorgen brauchen sich Unverpackt-Fans indes keine zu machen. Weder in Weinheim, noch in Birkenau und Hammelbach gibt es Pläne, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Reich werden Ladenbetreiber mit Sicherheit nicht. Aber darum geht es ihnen auch nicht. „Es braucht viel Idealismus und tolle Kunden“, sagt Andrea Hehn aus Weinheim. Und zum Glück ist in dem badischen und den hessischen Läden beides vorhanden.