Handball

Die Frau, die sich traut: Sina Michels trainiert ein Herrenteam

Zusammen mit ihrem Bruder Luca übernimmt sie als Trainerin den TV Schriesheim. Ein Novum im Handball. Die Männer freuen sich darauf

19 Jahre im Trikot der TSG Ketsch: Sina Michels war bei den Kurpfalz Bären bis zu ihrem Karriereende eine Institution. Foto: Daniel Bamberger/der bildjaeger
19 Jahre im Trikot der TSG Ketsch: Sina Michels war bei den Kurpfalz Bären bis zu ihrem Karriereende eine Institution.

Ende einer Ära und Beginn eines ungewöhnlichen Geschwister-Projekts: Der TV Schriesheim steuert noch unter der Regie seines Trainers Michael Schröder auf den Verbandsliga-Aufstieg zu. Doch selbst wenn der beim aktuellen Landesliga-Spitzenreiter gelingen sollte, wird der Heddesheimer seine Karriere beenden. „Sechs Jahre sind genug. Ich bin jetzt 58. Vielleicht trainiere ich noch mal eine Jugend, aber im Aktivenbereich ist für mich Schluss. Da wird es jetzt Zeit für andere.“

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Einmalig in der Region

Die Nachfolgelösung steht fest. Und die ist zumindest in der Handball-Region einmalig. Luca Michels, bislang 29-jähriger Führungsspieler beim TVS, wird das Traineramt übernehmen – gemeinsam mit seiner drei Jahre älteren Schwester Sina, die jede Menge hochklassige Handball-Erfahrung einbringt. 19 Jahre lang spielte die Linkshänderin für die Kurpfalz Bären der TSG Ketsch, mit denen sie in der Jugend Deutscher Meister wurde und im Aktivenbereich bis in die 1. Bundesliga aufstieg. Als Kapitänin. Führungskompetenz beweist die Dossenheimerin zudem am Weinheimer Privatgymnasium, wo sie Deutsch und Sport unterrichtet.

Immer voran: Jetzt will Sina Michels mit ihrem Bruder Luca auch die Handballer beim TV Schriesheim voranbringen. Foto: Daniel Bamberger/der bildjaeger
Immer voran: Jetzt will Sina Michels mit ihrem Bruder Luca auch die Handballer beim TV Schriesheim voranbringen.

Der Weg zum Trainerjob lag nah. Dabei direkt ein Herrenteam zu trainieren nicht unbedingt. Oder doch? „Warum nicht? Ich schaue meinem Bruder eh immer bei den Spielen zu, bin Stammgast in der Halle oder auch in Leutershausen, wo mit Gianluca Pauli ein sehr guter Freund von mir spielt. Viele Spieler kenne ich schon seit Ewigkeiten, mit etlichen bin ich befreundet. In den Gesprächen, die wir geführt haben, kamen nur positive Rückmeldungen. Ich freue mich auf die Aufgabe“, sagt die Frau, deren Trikot in Anerkennung ihrer Dienste für die Bären im Foyer der Ketscher Neurotthalle verewigt ist.

Luca Michels will aus der Rolle des Führungsspielers in die Führungsrolle an der Seitenlinie wechseln. Foto: Philipp Reimer
Luca Michels will aus der Rolle des Führungsspielers in die Führungsrolle an der Seitenlinie wechseln.

„Du hast 1000 Mal mehr Erfahrung als alle hier“ und „Kompetenz ist nicht abhängig vom Geschlecht“ seien nur einige der Reaktionen auf die künftige Trainerin gewesen. Dieses Feedback machte auch Luca Michels Mut. „Ich habe meinen Hut als Trainer erst in den Ring geworfen, als ich bei der Mannschaft eine Stimmungsabfrage gemacht hatte. In Schriesheim ist alles sehr familiär, da muss es menschlich passen. Wir haben einige ältere Spieler, die bei uns spielen, weil es in der Mannschaft stimmt. Aber natürlich gehen wir sportlich ambitioniert an dieses Amt, wollen das Training intensivieren. Schließlich gibt es auch junge, ehrgeizige Spieler im Team, das wollen wir fördern. Und die Routiniers ziehen da mit.“

Die Partnerwahl war klar

Für Luca Michels war schnell klar, wer ihm als Trainer zur Seite stehen soll. „Da hatte ich auch keine Bedenken, dass die Mannschaft das annimmt.“ Es ist ein Pilotprojekt in der Region – eins, das durch die Geschwisternähe auch Konfliktpotenzial birgt? „Zum Glück verstehe ich mit Sina mehr als gut. Und wir haben zu 95 Prozent die gleiche Handballphilosophie, wollen künftig schnelleren Handball mit einer offensiveren Abwehrvariante über die zweite Welle spielen. Sina hat jetzt schon Ideen, wenn sie uns zuschaut. Das wird eine gute Sache.“

Als Leistungsträgerin und Kapitänin war Sina Michaels für Ketsch in der 1. und 2. Bundesliga am Ball. Foto: Daniel Bamberger/der bildjaeger
Als Leistungsträgerin und Kapitänin war Sina Michaels für Ketsch in der 1. und 2. Bundesliga am Ball.

Dass der Haussegen bei Familie Michels in Dossenheim irgendwann einmal schiefhängen sollte, davon geht auch Sina Michels nicht aus. „Die ganze Familie ist natürlich gespannt, wie das klappt. Aber ich habe keine Bedenken. Wahrscheinlich wird der Familienrat beim Sonntagsfrühstück das Wochenende analysieren“, lacht die künftige Trainerin, die bei ihrem Bruder eine ähnliche Handballphilosophie, aber unterschiedliche Charakterzüge ausmacht. „Ich selbst bin eher ein besonnener, introvertierter Typ. Bei Luca muss alles raus.“

Komplett unterschiedliche Typen

Das bestreitet Luca Michels nicht. „Ich bin vielleicht nicht mehr der ganz große Hitzkopf von früher, aber ja, durchaus ein Spieler, der auch polarisieren kann. Aber wenn unser Kader voll ist, werde ich mich wahrscheinlich eher auf Traineraufgaben konzentrieren. Sina ist ruhiger, analytischer, sachlicher – da kommt die Lehrerin durch“, lacht Luca Michels, der seine Schwester nicht als „Co“, sondern als gleichberechtigte Trainerin sieht.

Für ihn ist es die erste Trainerstation. Sina Michels trainierte im Rahmen ihres FSJ bei der TSG Dossenheim zwei Jugendteams und war beim Bärennachwuchs in Ketsch sporadisch unterstützend tätig. Auch das Leiten einer Handball- und Badminton-AG an der Dossenheimer Grundschule gehörte zu ihren Aufgaben.

Michael Schröder ist in der sechsten Saison Trainer des TV Schriesheim.  Nach dieser Runde ist für ihn Schluss. Foto: Philipp Reimer
Michael Schröder ist in der sechsten Saison Trainer des TV Schriesheim. Nach dieser Runde ist für ihn Schluss.

Für den am Saisonende scheidenden Trainer Michael Schröder ist das Michels-Doppel eine ideale Lösung. „Es hat sich viel verändert im Trainerbereich. Da kannst du nicht mehr den großen Zampano machen, musst auf viele Bedürfnisse Rücksicht nehmen“, weiß der 58-Jährige um den Spagat zwischen Anspruch und Realität.

"Eine Frau im Traineramt? Find ich geil!"

„Ein neuer Trainer von außen hätte es schwer, Luca ist akzeptiert im Team. Und auch Sina kennt die Leute und weiß, was sie für Spieler hat. Ihr Fachwissen ist unbestritten und menschlich ist sie top. Ich finde eine Frau als Trainerin eines Männerteams geil.“

Benni Gärtner erster Zugang

Das sieht die Mannschaft offenbar ähnlich, die zum großen Teil wohl zusammenbleiben soll. Zuletzt hatte Schröder 24 Spieler auf seinem Zettel stehen. „Bei einigen hängt es noch davon ab, ob wir den Aufstieg schaffen.“ Mit Torwart Benjamin Gärtner (TSV Birkenau) steht auch ein erster Neuzugang schon fest. Und jetzt, wo die Schriesheimer Handball-Routiniers die Landesliga anführen, wollen sie auch den Aufstieg packen. „Wir können das schaffen, inzwischen treten wir mannschaftsdienlicher als noch zu Beginn der Saison auf.“

Der Noch-Birkenauer Benjamin Gärtner wird ab der kommenden Saison das Tor des TV Schriesheim hüten. Foto: Fritz Kopetzky
Der Noch-Birkenauer Benjamin Gärtner wird ab der kommenden Saison das Tor des TV Schriesheim hüten.

Fußball nur in Maßen

Auch Sina Michels sieht Potenzial für mehr in Schriesheim. „Den Aufstieg würden wir gerne mitnehmen, auch um die Jungen dann gezielt ans neue Niveau heranzuführen. Klar wird das bei unserem großen Kader eine Herausforderung, aber ich freue mich darauf.“

Was sie im Training ändern wird? „Da ich das bisherige nicht kenne, kann ich das im Detail noch nicht sagen. Aber eines kann ich schon verraten: Fußball wird nur noch in Maßen gespielt.“