Fußball

Trikottausch des DFB weckt Emotionen – auch in der Region

Robert Habeck hätte sich vom Verband "mehr Standortpatriotismus" gewünscht. Trainer und Funktionäre aus dem Odenwald und von der Bergstraße sehen dies ähnlich.

Das pinkfarbene Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaften sorgte bereits für große Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Nur wenige Tage später gab der DFB das Ende der jahrzehntelangen Partnerschaft mit Adidas bekannt. Ab 2027 werden die DFB-Teams von Adidas-Konkurrent Nike ausgestattet. Foto: Adidas
Das pinkfarbene Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaften sorgte bereits für große Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Nur wenige Tage später gab der DFB das Ende der jahrzehntelangen Partnerschaft mit Adidas bekannt. Ab 2027 werden die DFB-Teams von Adidas-Konkurrent Nike ausgestattet.

Es war ein Paukenschlag, der selbst Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) zu einem deutlichen Statement veranlasste: Die deutschen Fußball-Nationalmannschaften werden ab 2027 in Trikots von Nike auflaufen, damit endet die Partnerschaft mit dem Herzogenauracher Unternehmen Adidas nach mehr als 70 überaus erfolgreichen Jahren.

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Bei den vier WM-Titeln und allen drei EM-Titeln der Männer sowie bei den beiden WM-Titeln und den acht EM-Trophäen der Frauen war Adidas jeweils der Ausrüster. Habeck hält den Wechsel für falsch, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Donnerstagabend verlauten ließ. „Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht“, sagte der Minister und Vizekanzler.

Heftige Kritik der Fans

Auch viele Fans äußerten ihre Kritik – insbesondere in den sozialen Netzwerken. Einen Beigeschmack hat der Wechsel von Adidas zu Nike demnach vor allem deshalb, weil die medienwirksame Kampagne zu den DFB-Trikots für die Heim-EM im Sommer erst vor wenigen Tagen gestartet wurde.

Sein „Lager“ schlägt der DFB-Tross um Bundestrainer Julian Nagelsmann im Sommer überdies ausgerechnet im „Adidas-Homeground“ unweit des Firmensitzes in Herzogenaurach auf.

Der "Adidas Home Ground" dient der DFB-Elf im Sommer als Unterkunft während der Heim-EM.
Foto: Adidas
Der "Adidas Home Ground" (Luftaufnahme) dient der DFB-Elf im Sommer als Unterkunft während der Heim-EM.
Foto: Adidas
Die "Adidas World of Sports" ist der Hauptsitz des Unternehmens im fränkischen Herzogenaurach.
Foto: Adidas
Der "Adidas Home Ground" dient der DFB-Elf im Sommer als Unterkunft während der Heim-EM.
Der "Adidas Home Ground" (Luftaufnahme) dient der DFB-Elf im Sommer als Unterkunft während der Heim-EM.
Die "Adidas World of Sports" ist der Hauptsitz des Unternehmens im fränkischen Herzogenaurach.

Der DFB reagierte schon am Donnerstagabend auf die Kritik und schrieb: „Wir verstehen jede Emotionalität. Auch für uns als Verband ist es ein einschneidendes Ereignis, wenn feststeht, dass eine Partnerschaft, die von vielen besonderen Momenten geprägt war und ist, nach mehr als 70 Jahren zu Ende geht. Das lässt uns nicht kalt.“

Die Wirtschaft wird geschwächt

„Nicht kalt“ lässt der Ausrüster-Wechsel auch die Fußballer, Trainer und Vereinsfunktionäre in der Region Bergstraße-Odenwald, wie eine Umfrage dieser Redaktion aufzeigt. „Ich bin der Meinung, dass eine Nationalmannschaft, soweit möglich, mit einer Marke auflaufen sollte, die ihren Sitz in dem jeweiligen Land hat“, sagt beispielsweise Gültekin Isci, Fußball-Abteilungsleiter der TSG 91/09 Lützelsachsen – und greift damit zugleich Habecks Meinung zum „Standortpatriotismus“ mehr als deutlich auf.

Die Führungsriege der TSG 91/09 Lützelsachsen: Andreas Buerholt, Johannes Pickert, Mattheus Mayer, Rick Hutter (hinten von links), Gültekin Isci, Markus Sittardt und Jürgen Richter (vorne von links). Foto: TSG Lützelsachsen
Die Führungsriege der TSG 91/09 Lützelsachsen: Andreas Buerholt, Johannes Pickert, Mattheus Mayer, Rick Hutter (hinten von links), Gültekin Isci, Markus Sittardt und Jürgen Richter (vorne von links).

Ein großer Verband wie der DFB müsse insbesondere die „eigene Wirtschaft“ unterstützen und damit auch „ein Wir-Gefühl“ in der Gesellschaft entwickeln, befindet Isci.

„Es fühlt sich anders an“

Über einen persönlichen Bezug zum größten nationalen Sport-Fachverband der Welt verfügt derweil Sükrü Cansiz, stellvertretender Vorsitzender des A-Klassisten SC United Weinheim. Als Delegationsmitglied vertrat Cansiz im September des vergangenen Jahres den Fußballkreis Mannheim beim 4. Amateurfußball-Kongress am Frankfurter DFB-Campus. Auf diese Weise konnte er die künftige Ausrichtung des Verbandes mit Blick auf den Amateurfußball selbst beeinflussen. Auf den Wechsel des Ausrüsters hatte dies freilich keinen Einfluss.

Sükrü Cansiz ist stellvertretender Vorsitzender bei A-Klassen-Aufsteiger SC United Weinheim. Foto: Philipp Reimer Photography
Sükrü Cansiz ist stellvertretender Vorsitzender bei A-Klassen-Aufsteiger SC United Weinheim.

Allerdings „outet“ sich der United-Funktionär als „Adidas-Fan“. Erst vor wenigen Monaten habe er seinen Mitstreitern im Vereinsvorstand einen Wechsel in entgegengesetzter Richtung vorgeschlagen, sagt er: von Nike zu Adidas. Und mit Blick auf die Nationalmannschaften fügt er hinzu: „Auf jeden Fall geht hier eine sehr enge Verbundenheit zu Ende. Adidas und DFB waren zwei Namen, die für mich immer zusammengehört haben.“ Bereits die Vorstellung, in drei Jahren den „Swoosh“ anstelle der drei Streifen auf den DFB-Trikots zu sehen, fühle sich „irgendwie anders“ an, so Sükrü Cansiz.

„Gewaltige“ Mehreinnahmen

Für Marcel Fischer, den Spielleiter von Kreisligist FV Leutershausen, gehörten die drei Adidas-Streifen über Jahrzehnte hinweg „halt einfach dazu“. Und auch er betont: „Dass man sich für die deutsche Elf einen deutschen Ausrüster wünscht, ist natürlich klar.“

Marcel Fischer ist Spielleiter bei Kreisligist FV Leutershausen. Foto: Katrin Oeldorf
Marcel Fischer ist Spielleiter bei Kreisligist FV Leutershausen.

Doch der Funktionär der Heisemer Fußballer blickt auch über den Habeck’schen „Standortpatriotismus“ hinaus und lässt den wirtschaftlichen Aspekt in seine Bewertung miteinfließen. „Wenn dem wirklich so ist, dass Nike mehr als das Doppelte pro Jahr an den DFB überweist, als es Adidas bislang getan hat, dann ist das natürlich schon gewaltig“, sagt er. Da er persönlich beide Seiten nachvollziehen könne, „möchte ich mir kein abschließendes Urteil erlauben“.

„Undenkbares“ ist passiert

Als „nahezu undenkbar“ bezeichnet Marcel Abele das, was am Donnerstag dann doch geschehen ist. Über 70 Jahre sei Adidas „für alle“ fester Bestandteil der DFB-Elf gewesen. „Auch ich persönlich habe Adidas immer sehr gemocht“, merkt der 37 Jahre alte Trainer von Verbandsliga-Primus TSG 1862/09 Weinheim an.

Marcel Abele übernahm die TSG 62/09 im November 2022 und machte aus einem Abstiegskandidaten ein Spitzenteam der Verbandsliga. Foto: Katrin Oeldorf
Marcel Abele übernahm die TSG 62/09 im November 2022 und machte aus einem Abstiegskandidaten ein Spitzenteam der Verbandsliga.

„Alle Erfolge waren zudem immer gepaart zwischen der Nationalmannschaft und den drei Streifen“, fügt Abele hinzu. Nun stehe dem DFB und seinen Fans eine neue Zeitrechnung bevor, „an die wir uns alle erst einmal gewöhnen müssen“. Gleichwohl hofft Abele, „dass wir auch in neuen Trikots und mit einem neuen Ausstatter erfolgreich sein werden.“

Amateure könnten nachziehen

Auch im Odenwald spricht sich die Mehrheit der Vereinsvertreter gegen den Trikottausch der etwas anderen Art aus. So sagt Peter Bihn, Präsident von ET Wald-Michelbach: „Ich finde die Entscheidung des DFB, solch einen langjährigen Partner einfach rauszuschmeißen, völlig unmöglich. Dem Vorstand des Verbandes und seiner Gefolgschaft geht es doch nur noch ums Geld, der Rest ist ihnen total egal.“

Peter Bihn ist seit Jahrzehnten der Macher bei der ET Wald-Michelbach. Foto: Philipp Reimer
Peter Bihn ist seit Jahrzehnten der Macher bei der ET Wald-Michelbach.

Er geht sogar davon aus, „dass sich viele Amateurverein dranhängen werden, was für Adidas einen Riesenverlust bedeuten wird“. Weiter sagt Bihn: „Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn in deutschen Firmen Tausende von Mitarbeitern entlassen werden. Bei Adidas werden Hunderte von Arbeitsplätzen betroffen sein.“

„Rein finanzielle Entscheidung“

Rana Nag, Sportmanager des SV Unter-Flockenbach, schlägt sich ebenfalls auf die Seite des Bundeswirtschaftsministers – „ausnahmsweise“, wie er mit einem Augenzwinkern zugibt: „Man kann ja nur mutmaßen, aber ich denke, dass das eine rein finanzielle Entscheidung war. Es ist sehr schade, wenn eine deutsche Marke, mit der wir alle aufgewachsen sind, verschwindet“, klagt er.

Rana Nag zieht beim SV Unter-Flockenbach seit Jahren erfolgreich die Fäden. Foto: Marco Schilling
Rana Nag zieht beim SV Unter-Flockenbach seit Jahren erfolgreich die Fäden.

Auch für den SVU-Manager wird es „eine Umgewöhnung sein, die deutsche Mannschaft ohne die drei Streifen zu sehen.“

Weitere Stimmen

  • Jörg Rettig (Vorsitzender Förderverein SV Affolterbach): „Natürlich ist es schade, wenn ein langjähriger Partner in dem Vergabeprozess nicht berücksichtigt wird. Dennoch ist dies ein offizielles Verfahren und die Wirtschaftlichkeit steht im Vordergrund. Bei einer Verdopplung der Vertragssumme steht dies außer Frage.“
  • Markus Stephan (Vorsitzender SV Fürth): „Ich hätte nicht gedacht, dass das passiert, sondern dass der DFB eher der Tradition treu und bei Adidas bleibt. Aber scheinbar ist der Verband so klamm, dass er sich von Nike sanieren lassen muss – von anderer Gründen als finanzellen habe ich nichts gehört. Das neue Trikot in Pink gefällt mir zwar nicht (lacht), aber ich hätte mir doch etwas mehr Patriotismus gewünscht, denn auch wenn Adidas im Ausland produzieren lässt, handelt es sich um ein deutsches Unternehmen, das seinen Firmensitz immer noch hier hat, und das der DFB hätte weiter unterstützen können. Aber das Angebot von Nike war scheinbar zu lukrativ.“
  • Dimitri Loenko (Sportliche Leitung SG Wald-Michelbach): „Als mir am Mittwoch ein Arbeitskollege erzählte, dass der DFB mit Nike verhandelt, hab ich gesagt, das ist unmöglich, dass der Verband von Adidas weg wechselt. Es mag finanziell eine nachvollziehbare Entscheidung sein, aber moralisch gesehen nicht. Adidas war ein sehr langer und treuer Partner nicht nur für den DFB, sondern für den gesamten Fußball in Deutschland, gemeinsam hat man viele Höhen und Tiefen erlebt. Es ist ja nicht so, dass der DFB ein armer Verein ist. Es ist für mich aber auch sportpolitisch eine schlechte Entscheidung, viele Firmen gehen derzeit ins Ausland aufgrund der aktuellen Lage und da ist dieser Wechsel kein gutes Zeichen.“
  • Roland Agostin (Vorsitzender FSV Zotzenbach): „Ich hätte es lieber gesehen, wenn der DFB bei Adidas geblieben wäre, schließlich ist die Firma jetzt schon so lange dabei und man war immer zufrieden. Für diese Entscheidung gab es wohl nur finanzielle Gründe.“