Abschied nach fünf Jahren Vorlauf
Weinheim, 02.03.2023
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02.03.2023 17:59
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Leserbrief
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Weinheim. Das Bekenntnis, bezahlbaren Wohnraum schaffen zu wollen, haben sich alle Parteien und Rathauschefs auf die Fahnen geschrieben. Das ist auch in Weinheim so, wo das Thema durch die Zukunftswerkstatt zusätzliche Bedeutung erlangt hat. Bisher konnte die Stadt darauf verweisen, dass sie mit dem Neubaugebiet Allmendäcker und dem Areal des ehemaligen Kreispflegeheims zwei Eisen im Feuer hat. Bei beiden Projekten lautet die Vorgabe, dass mindestens 20 Prozent der Geschossflächen dem sozialen Wohnungsbau vorbehalten bleiben – nach den bisherigen Planungen könnten dort bis zu 200 Sozialwohnungen entstehen. Am Mittwoch musste die Verwaltung jedoch verkünden, dass zwei der vier Investoren für Geschosswohnungsbau in den Allmendäckern abgesprungen sind.

Die Bauträger hätten wirtschaftliche Gründe für ihren Rückzug angegeben. Hinzu komme die aktuelle Krise der Baubranche. Die Stadt Weinheim habe jedenfalls durch den Verzicht auf den höchstmöglichen Grundstückserlös und mit einer Anpassung des Bebauungsplanes alles unternommen, was im Bereich des Möglichen gewesen sei, erklärte Oberbürgermeister Manuel Just. Welche Rolle der Faktor Zeit beim Rückzug der Investoren gespielt hat, blieb offen. Doch die Frage drängt sich auf, wenn man sich die Vorgeschichte in Erinnerung ruft.

Lange Vorgeschichte

2018 schrieb die Stadt Weinheim das Investorenauswahlverfahren für die Baufelder 2 bis 5 aus. Im Mai 2019 wurden die eingereichten Entwürfe von der Jury bewertet. Aber erst im Juli 2020 wurden die Empfehlungen dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt. Daraufhin stieg die Verwaltung in die Verhandlungen mit den Investoren ein. Ein Jahr später, im Juli 2021, war immer noch nichts unterschrieben. Damals hieß es zur Begründung, es handele sich eben um „sehr komplexe Vertragswerke“. 

Wieder ein Jahr später, im Juni 2022, wurde öffentlich, wo das Problem liegt: Die Höhenfestsetzungen des Bebauungsplans wollten die Investoren nicht akzeptieren, da das Niveau der zwischenzeitlich gebauten Straßen zwischen 30 und 90 Zentimetern höher lag als erwartet. Die Verwaltungsspitze lehnte ein Entgegenkommen lange kategorisch ab, doch schließlich lenkte man ein. OB Just und Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner betonen damals, dass die Höhenproblematik zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Erhöhung des Straßenniveaus sei auf eine „Optimierung des Entwässerungssystems“ zurückzuführen.

Im September 2022 wurde das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans im Ausschuss für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung (ATUS) gestartet. Längst prägten der Ukraine-Krieg und seine Folgen für die (Bau-)Wirtschaft die Schlagzeilen. Trotzdem gab sich OB Just optimistisch: „Wir glauben, dass dies der beste Weg ist, um zeitnah sozialen und preisgedämpften Wohnungsbau zu ermöglichen“, sagte er damals im ATUS. Also folgten die ATUS-Mitglieder einstimmig dem Vorschlag der Verwaltung.

Zurück in die Gegenwart: Wie die städtische Pressestelle am Donnerstag auf Anfrage erklärte, soll der Satzungsbeschluss für den geänderten Bebauungsplan am 26. April 2023 auf die Tagesordnung des Gemeinderates kommen. Parallel dazu will die Verwaltung klären, ob die Zweitplatzierten des Investorenauswahlverfahrens von 2018 Interesse daran haben, nachzurücken. Die Frage, ob die Stadt selbst als Bauherr auftreten könnte, falls die Investoren abwinken, ist zwar hypothetisch. Aber grundsätzlich sei dies natürlich möglich, erklärte der Oberbürgermeister und fügte hinzu: „Ich bin da aber skeptisch. Wenn es schon einer spezialisierten Bauträgerfirma mit viel Erfahrung auf dem Wohnungsmarkt nicht gelingt, in der aktuellen Situation eine solche Investition zu realisieren, wäre die Aufgabe für eine Kommune noch viel schwieriger finanziell darstellbar. In jedem Fall müsste man das erst mit dem Gemeinderat diskutieren und abwägen. Im Moment sind wir auch noch zuversichtlich, dass die Zweitplatzierten aus dem Auswahlverfahren Interesse an einer Realisierung haben.“ pro

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