Weinheimer Kerwe soll ruhiger werden
Weinheim, 13.03.2023
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13.03.2023 06:05
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Weinheim. Wo andere Kommunen landauf landab aktuell mehr oder weniger dem „Layla“-Kult huldigen, stimmen Weinheims Heimatfreunde schon mal ein „Ohne Kerwe ist das Leben nur halb so schön“ an. Der coronabedingte Ausfall des alljährlich größten Volksfestes der Zweiburgenstadt machte dem veranstaltenden Heimat- und Kerweverein Alt Weinheim vor allem in finanzieller Hinsicht das Leben schwer. 2021 war man in der Vereinskasse noch „mit einem blauen Auge davongekommen“, so der Erste Vorsitzende Peter Gérard auf der Mitgliederversammlung des aktuell 411 Angehörige zählenden Vereins. Bereits im Jahr zuvor hatte die Schlussbilanz mit einem Minus von rund 10 100 Euro tiefrote Zahlen aufgewiesen. Und auch 2022 galt es angesichts eines Einnahmeverlusts von 9400 Euro wieder tiefe Löcher in der Vereinskasse zu stopfen.

Wobei bei der Bewertung auch berücksichtigt werden müsse, so Schatzmeister Ralph-Erich Schmidt, dass ein erheblicher Teil der Ausgaben auf „Einmaleffekte“ wie die Neueinkleidung der Bürgerwehr sowie die Feiern zum 100. Vereinsgeburtstag zurückzuführen sind. Das Minus in der Kasse trifft den Verein angesichts zahlreicher anstehender Reparaturarbeiten am Kerwehaus besonders empfindlich.

Mit der „Brezel“ zur Illumination

Der guten Stimmung unter den Versammlungsteilnehmern tat dies jedoch keinen Abbruch. Auch deshalb, weil man sich in den Reihen der Vorstandschaft optimistisch zeigt, bei der in diesem Jahr vom 11. bis 14. August im Terminkalender stehenden Kerwe wieder in der gewohnten Weise mit Zehntausenden von Besuchern durchstarten zu können. Ausgerechnet die Illumination hatte im Vorjahr angesichts auch am Abend noch herrschender 35 Grad und der damit einhergehenden Brandgefahr auf der verdorrten Schlossparkwiese ausfallen müssen. Weil deshalb noch sehr viele der zum Eintritt in den Schlosspark berechtigenden Kerwesymbole übrigblieben, gilt die „Brezel“ von 2022 auch in diesem Jahr als Eintrittskarte.

Aktive Abteilungen

Die Trachtengruppe bleibt in ihren Vorhaben ebenso aktiv wie die elfköpfige „Historische Bürgerwehr“. Dass sich darunter auch zwei junge Frauen befinden, macht Kommandant Andreas Neumann und seinen Stellvertreter Frank Reiboldt besonders stolz. Ob beim „Anböllern“ des alljährlichen Fackelzugs der Corpsstudenten von der Wachenburg herab, Teilnahmen bei zahlreichen Freundschafts- und Vorderladerschießen, beim „Streitkräfteempfang“ sowie auf dem Jubiläumsabend zum 100. Geburtstag des Gesamtvereins: „Wir haben unser Pulver bei zahlreichen Veranstaltungen trocken gehalten“, so Sprecher Olaf Schulze in seinem Bericht. Nicht aus dem Takt gerieten gleichfalls die 16 Aktiven der Trachtentanzgruppe. Die Pandemiezeit überbrückte man mit Zoom-Meetings, Steckenbasteln für den Sommertagszug und Streicharbeiten an der Außenfassade des Kerwehauses. Mittlerweile haben die Paare aber auch wieder bei ihrem eigentlichen Hobby, dem Trachten- und Volkstanz Tritt gefasst – ob beim „Tanz unter der Linde“ in Schriesheim oder der Teilnahme an den Kerweumzügen in der Region sowie der Krönung der Winzerhoheiten in Lützelsachsen, so Martin Schmitt.

Wummernde Bässe

Dass die Kerwefeierlichkeiten nicht bei allen Bewohnern der Altstadt und des Gerberbachviertels auf Gegenliebe stoßen, zeigte die Diskussion um den Rückgang der dortigen Straußwirtschaften. Viele seien inzwischen Geschichte, bedauerte nicht nur Gérard. Dies aber nicht nur, weil die (Hygiene-)Anforderungen des Wirtschaftskontrolldienstes immer höher würden. Viele ehemalige Betreiber seien auch deshalb ausgestiegen, weil das Ganze immer mehr zu „Ballermann-Partys“ mit viel Gegröle, lautstark wummernden Bässen und mutwillig verunreinigten Höfen ausartete, so die allgemeine Feststellung. Hinzu kamen außerdem immer mehr Beschwerden neu zugezogener Altstadtbewohner, denen vor ihrem Eigentumserwerb oder der Mietvereinbarung nicht klar war, dass hier jeweils an vier Tagen im Jahr „mehr als nur die Post abgeht“.

Inzwischen kursierten sogar Unterschriftenlisten mit massiven Beschwerden über die „Lärmbelästigung bis weit nach Mitternacht, ehe nicht weniger ruhestörend bereits morgens um 5 Uhr die Stadtreinigung kommt und die Scherben und Überbleibsel der Nacht lautstark beseitigt“. Dass die in der Kerwesatzung offiziell erlaubten 70 bis 80 Dezibel nicht eingehalten würden, sei ihm bekannt, so Gérard in seinem Bemühen, die Wogen zu glätten. Auf der anderen Seite dürfe man die Feierlaune der Menschen nicht durch zu rigorose Beschränkungen ersticken. Würde man die Musik verbieten, wäre die Kerwe tot. Dennoch, so Gérards Ankündigung, werde es Gespräche geben, um vor allem eine Reduzierung des Musiklärms vonseiten der Betreiber der Straußwirtschaften zu erreichen. emi

Ehrungen und Wahlen:

Eine Silberne Ehrennadel für 25-jährige Mitgliedschaft erhielten Gerhard Mackert, Helge Eidt, Helmer Rick sowie Ulrike und Roland Neuschl.

Jeweils „Gold“ für 40-jährige Mitgliedschaft ging an Vera Mühlbauer, Helmut Lohrer, Ilse Kreis, Heinrich Bernhard, Günter Breiling, Hilde Beltz-Rübelmann, Karl Streib, Peter Kreis und Detlev Gutzeit.

Aus Anlass ihrer 50-jährigen Vereinszugehörigkeit zu Ehrenmitgliedern ernannt wurden Christa Flößer, Anton Steidl, Hugo Schütz, Rudolf Seifert, Dieter Jung, das Corps Saxo Montania zu Freiburg und Dresden sowie Heinrich Löhmann.

Für 60 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet sah sich Johannes Eg, für 70 Jahre Treue zum Heimat- und Kerweverein Luise Lang und Margot Wälz.

Für ihre mittlerweile 70 Jahre währende aktive Tätigkeit in der Heimat- und Brauchtumspflege zeichnete der Trachtengau Schwarzwald Renate Lohrbächer mit dem „Gau-Ehrenzeichen in Gold“ aus. Zum neuen Zweiten Vorsitzenden des Heimat- und Kerwevereins als Nachfolger des verstorbenen Norbert Preininger wurde Bernd Guthier gewählt. Neuer Zweiter Kassenprüfer wurde Olaf Schulze.

Bei den Wahlen der Historischen Bürgerwehr sahen sich Andreas Neumann als Kommandant und Frank Reiboldt als dessen Stellvertreter in ihrem Amt bestätigt.

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