Regierung

100-Tage-Bilanz: Landesregierung steht in der Kritik

Rund 100 Tage ist die neue schwarz-rote Regierungskoalition in Hessen nun im Amt. Zur Bilanz hagelt es Kritik - auch von den Jusos. Die SPD-Jugendorganisation kündigt zudem eine Kundgebung an.

Stefan Naas (FDP), Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Hessischen Landtag, spricht zu den Abgeordneten. Foto: Andreas Arnold/dpa
Stefan Naas (FDP), Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Hessischen Landtag, spricht zu den Abgeordneten.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Neben der erwartbaren Kritik der Landtagsopposition zur 100-Tage-Bilanz der hessischen Landesregierung bekommt Schwarz-Rot zusätzlich Gegenwind aus den Reihen der SPD-Jugendorganisation. Der hessische Juso-Landesvorsitzende Lukas Schneider erklärte am Donnerstag: «Wir bewerten die bisherige Regierungsarbeit als mangelhaft; die politischen Akzente durch die CDU sind gekennzeichnet von einer Politik des Populismus.» Die Jusos erwarteten mehr von einer christlich-sozialen Regierung. Das Genderverbot an Schulen sei ein «fehlgeleiteter Kulturkampf ohne irgendeinen Handlungserfolg», kritisierte die Jugendorganisation und kündigte für Freitag (26. April) eine Kundgebung vor dem Landtag in Wiesbaden an.

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Die Jusos kritisierten außerdem die geplante Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge und die im Koalitionsvertrag festgelegte Abschiebeoffensive. Landesvorstandsmitglied Chiara Lutz erklärte mit Blick auf das Genderverbot in schulischen Abschlussprüfungen: «Wir Jusos sind zutiefst enttäuscht über diese Entwicklung und appellieren an die SPD in der Landesregierung, ihre grundlegenden Werte von Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität hochzuhalten und nicht in den Schatten politischer Zugeständnisse zu stellen.»

Die FDP-Opposition im hessischen Landtag warf der Landesregierung vor, die drängenden Probleme nicht anzugehen. «Die CDU bedient mit Themen wie dem Genderverbot ihre klassische Klientel, die SPD ist kaum sichtbar», bilanzierten die Fraktionsvorsitzenden Wiebke Knell und Stefan Naas. Die konservative Ausrichtung der Landesregierung führe dazu, dass sie keine Politik für die Mitte mache. Bei der Wirtschaftspolitik sei Schwarz-Rot bislang durch Uneinigkeit bei der Sonntagsöffnung vollautomatisierter Mini-Supermärkte, einer Blockade des Wachstumschancengesetzes im Bund und Desinteresse gegenüber den hessischen Unternehmen aufgefallen, kritisierte Naas.

Großen Aufholbedarf gebe es auch in der Bildungspolitik, ergänzte Knell. Das Genderverbot an Schulen und der angekündigte Blockflötenunterricht wirkten wie aus der Zeit gefallen. «Außerdem für eine zusätzliche Deutschstunde in der Grundschule Englisch zu streichen, ist in einer globalisierten Welt höchst fragwürdig», ergänzte Knell. Die neue schwarz-rote Landesregierung ist seit 18. Januar im Amt. Zuvor hatte die CDU in Hessen zehn Jahre lang gemeinsam mit den Grünen regiert.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Robert Lambrou, erklärte: «Auch nach 100 Tagen bleibt es vonseiten der CDU und SPD bei Ankündigungen.» Rasch umgesetzt worden seien dagegen Maßnahmen in eigener Sache. «Zwei neue Ministerien und vier zusätzliche Staatssekretäre bescheren den Koalitionspartnern weitere Versorgungsposten», kritisierte er. Ein Gewinn für die Bürger Hessens sei nicht erkennbar und Bürokratieabbau sehe anders aus. Das Genderverbot begrüßte die AfD.

Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner erklärte: «Die SPD ist in der Regierungsarbeit kaum erkennbar.» Hessen habe seit 100 Tagen «faktisch eine CDU-Alleinregierung». Die CDU, immer noch berauscht von ihrem Wahlsieg, setze auf Show statt auf konkrete Lösungen: «Schimpfen auf die Bundesregierung, Pressemitteilungen fast im Minutentakt und schöne Inszenierungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen: Die Bilanz ist mau.» Keine Initiativen etwa zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, kein Plan zur Umsetzung des im übernächsten Schuljahr greifenden Rechtsanspruchs auf Grundschulkinderbetreuung, stattdessen ein Genderverbot als falsche Prioritätensetzung, kritisierte Wagner.