Kreis Bergstraße

Landrat Christian Engelhardt zu Gast bei Markus Lanz

Kommunalpolitiker diskutieren in der ZDF-Talk-Sendung über die Probleme durch die Flüchtlingskrise.

Der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt war als Vertreter der poltiischen Basis am Dienstagabend zu Gast in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Foto: ZDF
Der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt war als Vertreter der poltiischen Basis am Dienstagabend zu Gast in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Flüchtlingswelle: „Wir kommen kaum noch aus dem Krisenmodus heraus. Wir sind sehr belastet und überlastet. Vor drei Tagen waren Mitarbeiter aus dem Ausländeramt bei mir, die haben geweint, weil sie mit dieser dauerhaften Überlastungssituation nicht zurechtkommen. Wir brauchen mehr Leute, aber die finde ich nicht. Diese dauerhafte Krise, der fehlende Gestaltungsspielraum, das ist demotivierend.“ Mit diesen dramatischen Worten beschrieb der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt die aktuelle Situation in seinem Landkreis in der ZDF-Talk-Sendung „Markus Lanz“.

Newsletter

Holen Sie sich den WNOZ-Newsletter und verpassen Sie keine Nachrichten aus Ihrer Region und aller Welt.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Der Talkmaster setzte in seinen Sendungen in dieser Woche den Schwerpunkt auf die politische Basis, die kommunale Ebene, auf der die Entscheidungen, die in Berlin und in den Hauptstädten der Bundesländer getroffen werden, umgesetzt werden müssen. Dabei sollte der Blick im Gespräch mit Kommunalpolitikern vor allem auf die Herausforderungen geworfen werden, die der Fachkräftemangel, die überbordende Bürokratie und der immer schlimmer werdende Wohnraummangel für Städte und Gemeinden sowie Landkreise mit sich bringen.

Pointiert und treffend

Doch auch in der Folge am Dienstagabend, bei der der Bergsträßer Landrat zu Gast war, beherrschte das momentan alles überstrahlende Thema der Flüchtlingsproblematik die Diskussion. Engelhardt (CDU) brachte dabei immer wieder die Schwierigkeiten, die sich den Kommunen bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge stellen, pointiert und treffend auf den Punkt.

So habe der Landkreis Bergstraße inzwischen rund 4000 Asylbewerber aufgenommen. Das sei für die Region eine ganze Kleinstadt, für die die Infrastruktur vorhanden sein müsse, die es aber nicht gebe. Die fehlenden Ressourcen stellen für ihn dann auch die faktische Obergrenze dessen dar, was machbar sei. „Wir können nur so viele Menschen in unserem Land leben lassen, wie wir integrieren können mit den Ressourcen an Fachkräften, an Lehrern, an Kindergärten, an Strukturen, die wir haben.“

Unterstützung bekam Engelhardt vom Erfurter Oberbürgermeister Alexander Bausewein (SPD). Auch er unterstrich, dass „wir an einem Punkt angekommen sind, wo es nicht mehr funktioniert“. Dies machte er auch an der Personalentwicklung in seinem Rathaus deutlich. „Vor zehn Jahren hatten wir in der Ausländerbehörde sieben Mitarbeiter. Jetzt habe ich dort 52, es müssten aber 92 sein – aber ich finde kein Personal mehr.“

Doch es sind nicht nur die Probleme bei der Unterbringung und der Integration von Flüchtlingen, die die die Menschen vor Ort beschäftigen, machte Ursula Baum (FDP), Bürgermeisterin der Stadt Kaarst bei Düsseldorf, klar: „„Die Leute sind frustriert, weil sie keinen Wohnraum finden, keinen Schulplatz, keinen Kindergartenplatz.“ Im Gegenzug würden sie aber auch sehen, was für Sozialleistungen gezahlt würden, dass Menschen schwarzarbeiten und abgewiesene Flüchtlinge nicht abgeschoben werden.

Zwei verschiedene Paar Schuhe

Quasi als Gegenpart fungierte Cordelia Koch (Grüne), Bezirksbürgermeisterin im Berliner Stadtteil Pankow. Sie vermied es beispielsweise im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise von einem „Problem“ zu sprechen und forderte daggen, Lösungen zu finden. Sie sah dann auch eine „Chance“, denn die Menschen, die nach Deutschland kämen, wollten arbeiten: „Und wir brauchen Arbeitskräfte.“ Hier grätschte Engelhardt aber gleich dazwischen. „Wir sollten bei der Flüchtlingssituation zwischen der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und der humanitären Zuwanderung unterscheiden. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe“, sagte er. Asylbewerber zu integrieren, dauere Jahre und löse das aktuelle Fachkräfteproblem nicht. Beides zusammenzuwerfen sei ein „nicht richtiges Zusammenmengen von Problemlage und Situation“.

Engelhardt sprach sich auch gegen eine Arbeitspflicht für Asylbewerber aus – vor allem für abgelehnte Flüchtlinge, die „ich eben nicht integrieren, sondern die ich zurückführen möchte“. Erst wenn Asylsuchende anerkannt seien, müsse dafür gesorgt werden, „dass sie schnell qualifiziert werden, schnell unsere Sprache lernen, sich schnell integrieren und auch schnell in Arbeit einsteigen“.

Und schließlich wurde auch die steigende Kriminalität thematisiert. Hier machte Engelhardt klar: „Wir müssen unsere Art zu leben zum Maßstab für das Miteinander in Deutschland machen. Die Regeln, die hier gelten, gelten für alle. Und wir müssen akzeptieren, dass es faktische Grenzen gibt dessen, was wir schaffen können.“

„Wer bestellt, bezahlt“

Zwei weitere Kernprobleme für die kommunale Ebene wurden im Laufe der Diskussion deutlich gemacht. So werden auf Bundes- und Landesebene Entscheidungen getroffen, beispielsweise der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, die die Kommunen umsetzen müssen, vom Staat aber nicht die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. „Wer bestellt, bezahlt“ – gerade danach wird schon seit Jahrzehnten nicht agiert, egal, welcher Couleur die Bundes- und Landesregierungen sind.

Und auch die Kommunalverwaltungen selbst kommen nicht mehr mit der ausufernden Bürokratie und den immer komplexer werdenden Regelungen in allen Bereichen zurecht. Bausewein machte dies an einem Beispiel fest: In Erfurt kann eine dringend benötigte Schule nicht gebaut werden, weil festgestellt wurde, dass auf dem geplanten Gelände 40 Feldhamster leben. „Das verstehen die Leute nicht mehr“, merkte er an.