Flüchtlingsunterbringung

TV-Interview von Nancy Faeser: Landkreis Bergstraße übt scharfe Kritik

Die Bergsträßer Kreisspitze ist mit den Aussagen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur Unterbringung von Flüchtlingen alles andere als einverstanden. Landrat Engelhardt und Beigeordneter Schimpf werden in ihren Aussagen recht deutlich, die Äußerungen werden als als „unqualifiziert“ und „unseriös“ bezeichnet.

Nicht nur im Kreis Bergstraße ist die Lage hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen angespannt. Nach einem TV-Interview von Bundesinnenministerin Nancy Faeser weisen Landrat Christian Engelhardt (links) und der zuständige Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf deren Kritik am Zeltdorf in Bensheim zurück. Foto: Thomas Zelinger
Nicht nur im Kreis Bergstraße ist die Lage hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen angespannt. Nach einem TV-Interview von Bundesinnenministerin Nancy Faeser weisen Landrat Christian Engelhardt (links) und der zuständige Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf deren Kritik am Zeltdorf in Bensheim zurück.

Sie sind sowieso nicht gut auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu sprechen, der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt (CDU) und der für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge zuständige Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne), und sie halten sich mit ihrer Kritik an der Politik der Bundesregierung auch nicht zurück. Doch jetzt hat sich der Streit weiter zugespitzt. Grund dafür ist ein aktuelles Interview von Faeser, die auch Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Hessen ist, im SAT.1-Regionalmagazin für Rheinland-Pfalz und Hessen.

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Hier wurde Faeser auf die angespannte Lage in den Landkreisen, den Städten und Gemeinden aufgrund der Unterbringungsprobleme durch die vielen Flüchtlinge angesprochen. Als kommunale Stimme wurde eine Stellungnahme von Engelhardt eingespielt, der von Bürgern berichtete, die befürchteten, dass die Sicherheit gerade von Kindern in Gebieten mit entsprechenden Unterkünften gefährdet seien.

Kein gutes Beispiel

Faeser hielt entgegen, dass der Bergsträßer Landrat kein gutes Beispiel sei, was die Unterbringung von Flüchtlingen anbelangt. So sei in dem Landkreis eine „sehr, sehr große Unterkunft“ eingerichtet worden – womit sie das Zeltdorf in Bensheim meinte –, in dem über 700 Personen auf einmal hingebracht worden seien. Und es sei auch eine dezentrale Unterbringung in Städten und Gemeinden verhindert worden. Andere Kommunen hätten das viel besser gelöst. Dabei ließ sie auch den Einwand des Moderators nicht gelten, dass in vielen Kommunen nicht nur der erforderliche Wohnraum fehle, sondern beispielsweise auch die nötigen Plätze in Kindergärten und in Schulen – und dass das Ehrenämtler nicht mehr stemmen könnten. In diesem Zusammenhang kritisierte die Ministerin auch die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, die Bundesmittel nicht 1:1 an die Kommunen weitergebe. Zudem würden die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes nur zu 68 Prozent belegt. Eine 100-prozentige Auslastung könne zur Entlastung der Kommunen beitragen.

Die beiden Bergsträßer Spitzenpolitiker antworteten prompt auf verschiedenen Kanälen. Auf seiner Facebook-Seite bewertete Engelhardt die Äußerungen der Bundesinnenministerin als „unqualifiziert“ und „unseriös“. Er wies darauf hin, dass Faeser eingeladen worden sei, sich vor Ort zu informieren, aber sie habe sich dafür nicht die Zeit nehmen wollen. „Die Massenunterkunft haben wir gebraucht, weil so viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Dafür konnten wir im Kreis Bergstraße vermeiden, Turnhallen und Bürgerhäuser zu belegen“, so der Landrat. Die Kommunen seien dankbar dafür, dass „wir es genauso gemacht haben“.

"Brandbriefe"

Hinsichtlich der „Brandbriefe“, den viele Kommunen aufgrund der angespannten Lage an die Bundesregierung geschickt hatten, machte Engelhardt darauf aufmerksam, dass sie parteiübergreifend von vielen Kommunalpolitikern verschickt worden seien, selbst von dem SPD-Bürgermeister von Faesers Heimatkommune Schwalbach am Taunus. Und er unterstrich, dass man das Sicherheitsbedürfnis der Bürger und deren Sorgen sehr ernst nehmen sollte.

Schimpf erinnerte in einer Stellungnahme ebenfalls daran, dass Faeser die Einladung des Kreises abgelehnt und es stattdessen vorgezogen habe, mit „Parteifreunden bei Sekt und Schnittchen“ in Bensheim zeitgleich eine Wahlkampfveranstaltung zu absolvieren. Empathie und echtes Problembewusstsein für die Sorgen und Nöte der Kommunen, aber auch der Menschen sehe anders aus. „Jetzt aus der Ferne eine ihr unbekannte Situation von oben herab zu beurteilen, ist nicht nur schlechter Stil“, erklärte Schimpf. Er wies auch darauf hin, dass Faeser verschweige, dass bis Juli 2022 ein Parteikollege von ihr – Schimpfs Vorgänger Karsten Krug – sechs Jahre lang verantwortlicher Dezernent für diesen Bereich gewesen sei. „Insoweit kritisiert sie hier im Wesentlichen dessen Handeln.“

Aber auch inhaltlich stelle die Ministerin mit der Aussage, der Kreis hätte aktiv verhindert, dass Kommunen dezentral Flüchtlinge aufnehmen konnten, eine Behauptung auf, die „schlicht und ergreifend inhaltlich falsch ist“. Dies liege entweder daran, dass „diese Unrichtigkeit bewusst von ihr geäußert wurde oder aber, weil sie es nicht besser weiß“. Beides werfe kein gutes Licht auf die Arbeitsweise der Ministerin.

Nicht als Oberlehrerin begreifen

„Es kann einen nur noch wundern, dass Frau Faeser als zuständige Ministerin die von Parteizugehörigkeiten unabhängigen kommunalen Hilferufe ignoriert, sich selbst lobt und glaubt, mit Geld allein sei die Thematik zu lösen.“ Dabei sei es an ihr, zeitnah Lösungen zu erarbeiten, die dafür Sorge tragen, dass in den Kommunen Integration gelingen könne und nicht aufgrund von Ignoranz scheitere und die Menschen nicht weiter verunsichert würden. „Wir erwarten, dass Frau Faeser sich als Partnerin der Kommunen begreift und nicht als Oberlehrerin.“