Grasellenbach/Wald-Michelbach

Markus Röth verrät, wie es ist, ein Bürgermeister im Odenwald zu sein

Sein Markenzeichen sind eine Fliege und eine pragmatische Art, die Dinge anzugehen. Der Grasellenbacher Bürgermeister Markus Röth erklärt, was ihm ein Dorn im Auge ist, warum er gerne auf Geburtstage geht und was seine Tochter über den Job denkt.

Die Fliege ist sein Markenzeichen - Markus Röth, seines Zeichens der Bürgermeister von Grasellenbach, klärt darüber auf, was einen Bürgermeister tagtäglich so beschäftigt. Foto: Fritz Kopetzky
Die Fliege ist sein Markenzeichen - Markus Röth, seines Zeichens der Bürgermeister von Grasellenbach, klärt darüber auf, was einen Bürgermeister tagtäglich so beschäftigt.

Abseits des Geschehens unterhält sich Markus Röth über Machiavelli, über die republikanischen Denker der römischen Antike, die eine aus seiner Sicht „nüchterne Politik“ betrieben hätten, über die hohe Kunst der Diplomatie, die er schätzt, wie er bekräftigt. Der Grasellenbacher Bürgermeister zitiert französische Romanciers und bringt es auch gern mal auf den Punkt: „Wenn nichts geht, geht nichts mehr.“ Damals, 1997, habe er nicht lange gezögert, um für das Amt zu kandidieren: „Sonst wäre der Zug abgefahren“, meint er. Als Bürgermeister löst er seitdem Probleme am liebsten pragmatisch.

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Wer Markus Röth kennenlernen will, muss ihn live erleben, wie am Dienstagnachmittag im BeGehZett. Dorthin hatte ihn Gerold Scholz eingeladen, damit Röth den versammelten Gästen sein Amt als Bürgermeister der Überwaldgemeinde erklären konnte. Röth schlug das wuchtige rote Buch auf, das vor ihm auf dem Tisch lag. Er griff zur eigens mitgebrachten Sitzungsglocke und zitierte aus den Hessischen Verwaltungs- und Verfassungsgesetzen einige Passagen der Gemeindeordnung. Er las zügig, sodass die Zuhörer aufmerksam lauschen mussten.

Bürokratie ein „Dorn im Auge“

Röth bewegte sich behände durch den Wälzer, der stark abgegriffen aussah, was daran liegen mag, dass der Diplom-Verwaltungswissenschaftler als dienstältester Bürgermeister des Kreises gilt. Die Kandidatur könne für einige auch deshalb reizvoll sein, weil man im Falle der Wahl eine Beamtenlaufbahn einschlage. Eine besondere Ausbildung sei nicht erforderlich. Doch dann fiel ihm Karl Valentin ein und seine Vorliebe, die Dinge pragmatisch anzugehen.

Und so kam der Rathauschef ohne Umschweife auf ein Thema zu sprechen, das nicht nur in Grasellenbach heftig diskutiert wird: die Bürokratie, die aus seiner Sicht überbordend ist. Nein, begann der Bürgermeister, er sei nicht grundsätzlich gegen Bürokratie. Als positives Beispiel führte er die alten Ägypter an. Doch das „Aber“ füllte bei Markus Röth fast den gesamten zweistündigen Vortrag aus.

In seiner Gemeinde stehe er mitten in der Verantwortung und an „vorderster Front“, gerade wenn Not am Mann sei. Doch ausgerechnet dann, wenn „man Dinge auf die Reihe bringen muss“ und Bauvorhaben in Grasellenbach einer pragmatischen Lösung bedürfen, blickt Röth auf die im Laufe der Jahre immer höher gewordenen Hürden – errichtet entweder von der Bundesregierung in Berlin oder von der Landesregierung in Wiesbaden. Neue Gesetze, Verordnungen, Richtlinien – mit den Veränderungen müsse er sich täglich „herumschlagen“.

Nun gehört Röth zu einer Reihe von Bürgermeistern, die Missstände offen ansprechen. So auch am Dienstag: „Dann hat einer was reformiert, und schon ist es komplizierter geworden. Da blickt keiner mehr durch. Der Staat muss uns mehr Spielraum lassen.“ Stattdessen verbringe er 60 Prozent seiner Arbeit damit, Statistiken zu erstellen, klagte Röth.

Gut möglich, dass ihn nur seine Fliege bislang davor bewahrt hat, dass ihm endgültig der Kragen platzt. Überhaupt ist die Fliege sein Markenzeichen. Sorgfältig angelegt, noch einmal zurechtgerückt, bevor er ins Detail geht. Nach all den Dienstjahren hat er viele Beispiele parat, die den aus seiner Sicht bürokratischen Unsinn unterstreichen und das Umsetzen von Projekten erschweren. Angefangen von der „Toilettendiskussion“ beim Waldkindergarten über das Problem mit dem „Marienhof“ bis hin zur Zuschusspolitik. Niemand habe mehr den Überblick, was alles zu berücksichtigen sei: „Da kriege ich leichte Schnappatmung.“

Nahe dran an den Menschen

Mit der Flüchtlingssituation packte Röth auch an diesem Abend ein „heißes Eisen“ an, dabei bezog er sich nicht allein nur auf die Unterbringung von Flüchtlingen. Röth sagte auch deutlich, dass die Stimmung in seiner Gemeinde zu kippen drohe. Niemand könne vorhersehen, wie sich die Lage entwickele, das mache es für ihn schwierig, zu planen.

Als Bürgermeister kenne er die Probleme in seiner Gemeinde. Auch deshalb werde er gerne zu runden Geburtstagen eingeladen. Dort könne er zuhören und erklären, um den Bürgern notwendige Maßnahmen zu vermitteln. „Ich bin mittendrin. Ich weiß, wann was saniert werden muss, wo ein Schlagloch in der Straße ist oder wo ein Kanaldeckel wackelt.“

Und so klärte Markus Röth auf, ohne abgeklärt zu wirken. Er möchte verstanden werden, gerade weil er den Handlungsspielraum als eng empfindet. Und er will zuhören: seiner Tochter, die meint, für den Job sei keine Schulbildung erforderlich, oder der Achtzigjährigen, bei der er sich nach jedem Geburtstag mit dem Wunsch verabschiedet, auch im nächsten Jahr als Bürgermeister Grasellenbachs wiederkommen zu können.