Abtsteinach

Mit den Krötenrettern im Odenwald unterwegs

Viele Freiwillige aus dem Überwald begleiten derzeit Hunderte Amphibien sicher zu ihren Laichgewässern. Die WNOZ-Redaktion hat sich in Unter-Abtsteinach unter die Krötenretter gemischt, mit eher mäßigem Erfolg, aber umso engagierter.

Die jungen Krötenretter Luis und Elias betrachten am Uferrand der Teichanlage in Unter-Abtsteinach stolz ihr Tageswerk. Foto: Rolf Reinhardt
Die jungen Krötenretter Luis und Elias betrachten am Uferrand der Teichanlage in Unter-Abtsteinach stolz ihr Tageswerk.

Lotti ist schmächtig, aber von Natur aus perfekt. Nun hockt sie mit vier anderen Erdkröten im Rettungseimer der WNOZ-Redaktion. Ihre Artgenossen haben keinen Namen bekommen, nur Lotti, weil sie einem ans Herz gewachsen ist, kaum dass sie von der Bordsteinkante aufgelesen wurde, und stellvertretend für die vielen Kröten, die alljährlich am Straßenrand ihr Leben lassen müssen.

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Die Kröten im Odenwald sind jetzt aktiv. Wie hier in Unter-Abtsteinach werden sie im Eimer gesammelt und zu ihren Laichgewässern gebracht. Foto: Rolf Reinhardt
Die Kröten im Odenwald sind jetzt aktiv. Wie hier in Unter-Abtsteinach werden sie im Eimer gesammelt und zu ihren Laichgewässern gebracht.

Im Eimer ist sie sicher. Für Lotti ein Happy End einer ansonsten gefährlichen Reise. Denn oft, wie auch hier im Überwald, müssen Amphibien im Frühjahr erst Straßen überqueren, um zu ihren Laichgewässern zu kommen. Trotz Warnschilder werden jedes Jahr unzählige der kleinen behäbig wirkenden Tiere überfahren. Das an sich ist bereits tragisch, doch Kröten und auch andere Amphibien wie Gelbbauchunke und Wasserfrosch stehen als gefährdete Arten auf der roten Liste. Umso wichtiger ist es, dass Menschen dem Ruf der Naturschützer folgen und bei den Rettungsaktionen mitmachen.

Temperaturen im Odenwald sind günstig für die Krötenrettung

Wie jetzt in Abtsteinach, Aschbach oder in Unter-Wald-Michelbach. Anfang März ließen sich die Kröten in der Gegend nur vereinzelt blicken. Aber seit einigen Tagen geht es im Überwald aufgrund der milden Temperaturen richtig los. Am Mittwoch konnten bei der Mitmachaktion in Abtsteinach etwa 200 Kröten zum Teich begleitet werden, berichtet Rolf Reinhard vom Vogel- und Naturschutzverein Unter-Abtsteinach.

In der Nachbargemeinde Wald-Michelbach schätzt Wolfgang Wenner vom NABU-Ortsverband die Gesamtzahl auf über 600 Tiere. Insgesamt waren dort 15 Erdkrötenretter am Start, so Wenner, darunter auch einige, die spontan halfen. Wenner berichtet aber auch über Verluste: „Wir haben leider auch zwei überfahrene Feuersalamander zu beklagen.“

Diese Kröte ist für den Augenblick in Sicherheit.  Bei der Aktion in Abtsteinach konnten 150 Amphibien gerettet werden, darunter auch Molche und Grasfrösche. Foto: Rolf Reinhardt
Diese Kröte ist für den Augenblick in Sicherheit. Bei der Aktion in Abtsteinach konnten 150 Amphibien gerettet werden, darunter auch Molche und Grasfrösche.

Sechs freiwillige Helfer im Überwald am Start

Inzwischen sind es mehrere Abende in Folge, an denen die freiwilligen Helfer so fündig werden. Punkt 19.15 Uhr treffen sie sich in Unter-Abtsteinach an der Teichanlage des Angelsportvereins Rotauge, um auszuschwärmen. Keine zehn Minuten vorher war es noch dämmrig, nun stockduster. Am Donnerstagabend stehen sechs Freiwillige bereit, vier Erwachsene und zwei Kinder. Nach einer kurzen Besprechung sucht die Gruppe am Straßenrand, an der angrenzenden Wiesenböschung und am Krötenzaun jeden erreichbaren Winkel ab.

In vorsichtigen Schritten geht es entlang der Straße in Richtung Heiligkreuzsteinach bis runter zur Kläranlage. Einige tragen Grubenlampen, andere wedeln mit ihren Taschenlampen umher. Jeder hat seinen eigenen Eimer mitgebracht. Und natürlich eine Schutzweste, damit Verkehrsteilnehmer den Trupp gleich entdecken. So löblich die Aktion auch sein mag, in der Dunkelheit muss an die eigene Sicherheit gedacht werden.

Auch die jüngsten Krötenretter, Elias und Luis, sind eifrig dabei

Der Jüngste heißt Elias, er ist auch für Lottis Namensgebung zuständig. Der Dreijährige darf am Donnerstag zum ersten Mal eine Kröte aufheben und ist ganz aufgeregt, weil er befürchtet, sie verletzen zu können. Opa Reinhardt hilft ihm dabei. Der Junge geht äußerst behutsam vor und strahlt. So fühlt es sich also an, Leben zu retten.

Einige Kröten nutzen auch die Unterführung unter der Straße statt den gefährlichen Weg über die Straße. Foto: Rolf Reinhardt
Einige Kröten nutzen auch die Unterführung unter der Straße statt den gefährlichen Weg über die Straße.

Auch der achtjährige Luis entpuppt sich als talentiert darin, die Kröten in den hintersten Ecken aufzuspüren. Für die Kinder ist es eine Entdeckungsreise ganz nah am Erdboden. „Im Schein der Taschenlampe leuchten die Augen der Tiere auf“, erklärt Axel Härtel aus Abtsteinach, dessen Leidenschaft eigentlich die großen Tiere sind, denn er hat zwei Neufundländer zu Hause.

Sein Herz schlägt aber auch für die Kröten; Härtel gehört zur Stammbesetzung. Wie Rudi Jung, der Arzt im Ruhestand ist mit 110 Kröten unangefochtener Sammelkönig. Seit 35 Jahren engagiert er sich im Tierschutz. Damals, als er noch in Hemsbach wohnte, hatte er sein Erweckungserlebnis: „Eine Straße sah aus wie ein Streuselkuchen, überall lagen plattgefahrene Kröten herum.“

Frühlingsgefühle im Überwald

Im WNOZ-Eimer sieht es noch überschaubar aus, aber wenigstens ist ein Frosch dabei. Deswegen ist die Laune gut. Es ist angenehm windstill, die Temperaturen liegen knapp unter 10 Grad. Viel zu milde für die Jahreszeit, die Natur ist vier Wochen zu früh dran, so auch die Frühlingsgefühle der Amphibien. Für das Liebesgetümmel im Teich, wohin sie allabendlich gebracht werden, herrschen geradezu ideale Bedingungen. Jetzt sollte es nur besser keinen Frost mehr geben, das wäre zumindest für den Froschlaich fatal.

Nach zwei Stunden Einsatz ist die Bilanz der Rettungsaktion am Donnerstag etwas geringer: „Gestern war mehr los“, bestätigt Härtel. Dennoch werden etwa 150 liebestrunkene Kröten über den Rettungseimer-Express in ihre Heimatgewässer gebracht: „Jede Kröte zählt“.

„Bestand der Kröten hat sich erholt“

Im vergangenen Jahr waren es laut Reinhardt stolze 3500, in den Vorjahren kam es allerdings aufgrund der kalten und trockenen Witterung zu einem regelrechten Einbruch. Doch: „Der Bestand hat sich erholt.“ Beruhigend ist auch, dass einige Tiere den Weg durch die große Unterführung nahe der Angelteiche nutzen, sodass sie sich den beschwerlichen Weg über die Straße sparen.

Für den Augenblick ist die Suche beendet. Es überwiegt das gute Gefühl, den kleinen Tieren sicheres Geleit geboten zu haben. Die Helfer treten den Heimweg an. Jeden Tag eine gute Tat – die alte Pfadfinderweisheit kommt einem unvermittelt in den Sinn, bevor man sich verabschiedet.

Und Lotti? Die ist jetzt hoffentlich in ihrem Element, weit genug entfernt vom nächsten Straßenrand. Und vielleicht wird sie gerade – ganz die Romantikerin – von mehreren Brautwerbern umgarnt.