Motorsport

Scottish Six Days Trial: Ein Odenwälder fährt in den Highlands

Es ist das Le Mans der Trialfahrer: Die Scottish Six Days rund um Fort William stellen an Mensch und Maschine die höchsten Herausforderungen. Ähnlich wie beim weltbekannten 24-Stunden-Rennen in Frankreich für Rennpiloten werden die schottischen Highlands seit über 100 Jahren im Mai zum Mekka der Trialszene. Einen der begehrten 288 Startplätze hat ein Odenwälder ergattert: Sandro Melchiori verrät, wie er sich abhärtet und warum der 27-Jährige für den schottischen Regen trainiert.

Sandro Melchiori freut sich auf den Start beim Scottish Six Days Trial.	Bild: privat Foto: Melchiori
Sandro Melchiori freut sich auf den Start beim Scottish Six Days Trial. Bild: privat

Für den 27-Jährigen von der Motorsportvereinigung Hammelbach geht mit der Teilnahme am Scottish Six Days Trial ein Traum in Erfüllung, wenn es ab 1. Mai bei Wind und Wetter über Stock und Stein, Moor und Morast, Hügel und Hochplateaus und immer wieder durch ein Bachbett geht. Da muss man die Balance halten und darf nicht stehen bleiben. Berührt der Fuß nur eine Sekunde den Boden, gibt es schon eine Strafe. Der Weg ist das Ziel – nicht alle Starter werden am 6. Mai die Zielflagge sehen.
„Mein größtes Ziel ist, die sechs aufeinanderfolgenden Wettbewerbstage durchhalten zu können und ohne größere Probleme durchzukommen. Alles Weitere lasse ich auf mich zukommen“, sagt Sandro Melchiori und bereitet sich schon seit Wochen auf den Trip nach Schottland vor, der bei ihm schon jetzt für Hochgefühle sorgt.

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Geschicklichkeitsprüfungen

Beim Trialsport absolviert der Fahrer als Einheit mit seiner Maschine Geschicklichkeitsprüfungen in schwerem Gelände, bei denen er weder die Streckenbegrenzungen bzw. Markierungen berühren noch zum Stillstand kommen darf. Die Fahrtzeit spielt eine untergeordnete Rolle, obwohl eine Höchstfahrzeit festgelegt wird. Der Fahrer springt mit seiner Drehmoment-Monstermaschine über Felsen wie eine Gams und klettert über Baumstämme in Eichhörnchen-Manier.
Bereits im vergangenen Jahr bewarb sich der amtierende Deutsche Trialmeister der Klasse 2 für einen Start, doch hatte Melchiori, wie in diesem Jahr zunächst auch, wieder kein Losglück bei über 600 Bewerbern. Dann kam im Februar die Nachricht, dass der Wahlener über die Nachrückerliste doch überraschend einen Startplatz bekommt.
„Da hatte ich meine Saison eigentlich schon geplant“, sagt Melchiori, der auf die Schnelle mit Unterstützung seiner Familie und Sponsoren den Etat quasi verdoppeln musste, um das Highlight in seiner Karriere zu ermöglichen. Mit Kosten von 8000 bis 10 000 Euro rechnet Melchiori, der in Schottland von seiner Freundin Tabea Kransel und seinem Vater Werner Melchiori, seines Zeichens auch Vorsitzender des MSC Überwald, begleitet wird.
Neben den ungewohnten Sektionen, die größtenteils in Bachläufen abgesteckt sind, werden auch die langen Zwischenetappen eine große Herausforderung darstellen. 70, 80, auch mal 120 Kilometer müssen die Fahrer am Tag zurücklegen. Das ist für Melchiori Neuland, der normalerweise bei Wettbewerben nur ein Wochenende im Sattel sitzt oder auch steht.
Sieben Stunden täglich
An allen sechs Veranstaltungstagen gilt es, 30 Sektionen möglichst fehlerfrei zu durchfahren und die Strapazen zu überstehen. Jeden Tag sitzen die Teilnehmer etwa sieben Stunden auf dem Motorrad. Hierfür trainiert Sandro Melchiori neben der gewohnten Saisonvorbereitung bereits sehr intensiv, um körperlich bestens für das „Abenteuer Schottland“ gerüstet zu sein. Denn Gnade gibt es nicht. Allen voran nicht vom Wetter, das sich in Schottland bekanntlich oft regnerisch zeigt. „Die letzten Wochenenden waren ja gut geeignet, um sich an schlechtes Wetter zu gewöhnen“, sagt Melchiori und lacht.

Über Stock und Stein wird Sandro Melchiori beim Scottish Six Days Trial in den Highlands unterwegs sein. Der Odenwälder erhielt einen der begehrten 288 Startplätze.	Bild: privat Foto: Melchiori
Über Stock und Stein wird Sandro Melchiori beim Scottish Six Days Trial in den Highlands unterwegs sein. Der Odenwälder erhielt einen der begehrten 288 Startplätze. Bild: privat

Er holt sich die nötige Wettkampfhärte und weiß, wie es sich anfühlt, stundenlang völlig durchnässt und durchgefroren auf seinem Trialmotorrad, einer GasGas TXT 300, hoch konzentriert zu bleiben.
Fehler dürfen nicht gemacht werden. Rutscht man etwa ab und berührt den Boden, gibt es Strafpunkte, gleichzeitig müssen die Fahrer ein Zeitlimit einhalten und am Abend wieder rechtzeitig im sogenannten Parc fermé eintreffen. Dann hat man 20 Minuten Zeit, um seine Maschine grob zu kontrollieren, bevor alles dichtgemacht wird. „Mehr als eine Schraube nachziehen ist da kaum mehr möglich“, sagt Melchiori. Es muss schon alles passen, damit es am nächsten Morgen wieder weitergeht – und das wiederholt sich sechs Mal.
Das waldreiche Gelände im Odenwald ist mit dem in Schottland nicht zu vergleichen. Respekt hat Melchiori vor den vielen Sektionen in kleinen Flüssen, wo das Wasser auch schon mal hoch stehen kann. Nass wird man also auf alle Fälle, egal ob die Sonne vom Himmel scheint oder nicht. „Einen Taucheranzug könnte ich wohl gebrauchen“, bestätigt Melchiori und lacht wieder. Aber Spaß beiseite: An seiner Kleidung wird er nicht viel ändern, vielleicht eine Regenjacke mehr anziehen.
Bisher kennt Melchiori Schottland „nur aus Filmen. Vielleicht werde ich ja zum Fan.“ Aber viel Zeit, um die Schönheit der Heimat von William Wallace und Rob Roy zu genießen, bleibt wohl nicht. Von Whisky, wie generell von Alkohol, lässt der Motorsportler übrigens die Finger.

Parade durch Fort William

Nach dem Auftakt zur Hessenmeisterschaft im heimischen Gelände der Motorsportvereinigung Hammelbach am 22. und 23. April geht die Reise nach Schottland im Laufe der darauffolgenden Woche los, um rechtzeitig zur Anmeldung in Fort William anzukommen. Im Anschluss an die Anmeldung am 30. April beginnt die Veranstaltung mit einer Parade, bei der sich alle 288 Teilnehmer den Einwohnern und Gästen präsentieren können.
Am 1. Mai startet der Wettbewerb, und ab dann gilt es, die Strapazen zu überstehen. Und am 6. Mai kann es dann nur einen geben, der Erster ist – und ganz viele, die erschöpft, aber glücklich ins Ziel gekommen sind.

Auch für die restliche Saison wird Sandro Melchiori wieder bei der Deutschen Meisterschaft, der Hessenmeisterschaft und der TSG Trial-Challenge Süd-West an den Start gehen. Außerdem sind Starts bei der Schweizer Meisterschaft geplant.

Zur Person

Sandro Melchiori (27) von der Motorsportvereinigung Hammelbach steht seit Kindesalter auf dem Trialmotorrad und feierte schon als Jugendlicher viele Erfolge wie bei Hessenmeisterschaften.

Nach dem Abitur 2014 am Überwald-Gymnasium absolvierte Melchiori ein Praktikum beim Deutschen Motorsport Verband (DMV) in Frankfurt, wo der Wahlener seit 2015 seine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement abgeschlossen hat und seitdem fest angestellt ist.

Melchiori ist für die Sportabteilung zuständig und zudem Jugendsekretär der Motorsportjugend im DMV. Der Deutsche Motorsport Verband führt jährlich rund 400 nationale wie internationale Motorsportveranstaltungen durch. Melchiori obliegt beispielsweise die Genehmigung und Ausrichtung von Serien in verschiedenen Disziplinen und er kümmert sich um die Nachwuchsförderung (derzeit sind etwa 3000 Jugendliche im DMV).

Nachdem schon früh klar war, dass man in Deutschland als Trialprofi kein Geld verdienen kann, ist Melchiori froh über seinen Job beim DMV, wo er seine Leidenschaft für den Motorsport in den Beruf einbringen kann.

Das vergangene Jahr war das erfolgreichste in seiner Karriere: Melchiori wurde Deutscher Trial-Meister in der Klasse 2 und hat damit quasi die Serie gewonnen, die er auch mitorganisiert hat.

Außerdem gewann er die Hessenmeisterschaft und die TSG-Meisterschaft und nahm darüber hinaus erfolgreich an internationalen Meisterschaftsläufen wie in der Schweiz teil. Insgesamt ging Melchiori 2022 bei 25 Veranstaltungen an den Start und erreichte dort 23 Siege, einen zweiten und einen dritten Platz.

Seit 2021 ist er zudem im Vorstand der Motorsportvereinigung Hammelbach als Geschäftsführer/Schriftführer aktiv.