Kommunen

Millionen Liter Wasser kommen nicht beim Verbraucher an

Nicht jeder Tropfen Wasser in den kommunalen Leitungen kommt auch bei den Wasserhähnen der Verbraucher an. Risse, undichte Stellen und andere Faktoren verhindern das. Für Naturschützer ein unhaltbarer Zustand. Die zuständigen Behörden sehen es nicht ganz so dramatisch.

In den Leitungssystemen der hessischen Städte gehen Jahr für Jahr Millionen Liter Trinkwasser verloren. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration
In den Leitungssystemen der hessischen Städte gehen Jahr für Jahr Millionen Liter Trinkwasser verloren.

Kassel/Gießen/Darmstadt (dpa/lhe) - In den vergangenen Jahren gab es in Hessen immer wieder starke Trockenheitsphasen. Böden dorrten aus, Pflanzen gingen ein, in Bächen sank der Wasserspiegel. Gemeinden riefen die Bürger auf, Wasser zu sparen. Dabei gehen in den Rohrleitungssystemen der hessischen Städte selber Jahr für Jahr Millionen Liter Trinkwasser verloren und versickern, unter anderem wegen Löchern und Rissen in den unterirdischen Leitungen. Unter dem Begriff «Rohrnetzverluste» sind in den Wasserbilanzen der Regierungspräsidien in Darmstadt, Gießen und Kassel die Wassermengen gelistet, die letztlich nicht beim Verbraucher ankommen. Im Jahr 2021 waren dies zusammen mehr als 25 Millionen Kubikmeter - ein Kubikmeter sind 1000 Liter.

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Im Bereich des Regierungsbezirks Gießen sind die Rohrnetzverluste 2022 leicht gesunken. Die Behörden in Kassel und Darmstadt wollen erst in den kommenden Tagen ihre Bilanzen vorlegen.

Naturschützer sind empört

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz in Hessen ein unhaltbarer Zustand. Er forderte die Regierungspräsidien als zuständige Obere Wasserbehörden auf, aktiver gegen Kommunen vorzugehen, die in ihren Leitungssystemen besonders hohe Wasserverluste haben. Mit dem Wasser könne man dreieinhalb Mal die Kinzigtalsperre oder 168 Millionen Badewannen füllen.

Die Kommunen hätten in den vergangenen Trockenjahren die Bürgerinnen und Bürger wiederholt zu einem sparsamen Umgang mit Trinkwasser gemahnt. «Diese Sparappelle stehen aber im krassen Widerspruch zu der Verschwendung von Trinkwasser durch Verluste in leckgeschlagenen Leitungssystemen. Die Kommunen müssten dringend Maßnahmen ergreifen, um die Missstände im Versorgungsnetz zu beheben», sagte der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes, Jörg Nitsch, kürzlich. Die Wasserversorgung, vor allem in den Trinkwassergewinnungsgebieten im Hessischen Ried und im Vogelsberg, führe immer wieder zu massiven Konflikten zwischen der Wasserförderung und dem Naturschutz.

Für Behörden ist die Kritik überzogen

Die Kritik an den Kommunen wollen die Regierungspräsidien so nicht ganz stehen lassen. «Bei Verlusten handelt es sich nicht nur um Rohrnetzverluste, sondern auch um sogenannte «unechte» Verluste, beispielsweise Rohrnetzspülungen, Feuerwehr oder Friedhofzapfstellen in den Kommunen», heißt es beim Regierungspräsidium in Darmstadt. Dies bestätigt auch die Kasseler Behörde. Für die Beurteilung von Wasserverlusten würden verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Das Regierungspräsidium gehe den Ursachen hoher Verluste nach. Und letztlich sei auch zu beachten, dass Rohrnetzverluste nicht verschwinden, sondern durch Versickerung ins Grundwasser im Wasserhaushalt verbleiben.

Städte- und Gemeindebund nimmt Kommunen in Schutz

Zunächst einmal könne man keineswegs pauschal sagen, dass die Kommunen ihre Leitungsnetze nicht sanieren, heißt es beim Städte- und Gemeindebund in Hessen. «Allerdings kommt es vor, dass sich anstehende Unterhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen verzögern, zum Beispiel aus technischen Gründen, weil aufwendige Vorarbeiten nötig sind, weil geeignete Bauunternehmen nicht gleich zu haben sind und manchmal vielleicht auch, weil da Geld fehlt oder nicht rechtzeitig bereitgestellt wird.» Die Unterhaltung und Sanierung würden Bürgerinnen und Bürger über Abgaben finanzieren. Eine Förderung von Bund oder Land für diese spezielle Aufgabe gebe es nicht. Dies bestätigt auch das hessische Umweltministerium. «In Hessen existiert derzeit kein entsprechendes Förderprogramm.»

Wie organisieren sich Gemeinden?

Beispiel Bad Hersfeld: In der Stadt im Kreis Hersfeld-Rotenburg lag der Wasserverlust im Jahr 2021 bei rund 120.000 Kubikmetern, nach Angaben der Stadt etwa sieben Prozent der eingespeisten Menge. Die Stadt verfüge über ein Überwachungssystem, und die Leitungen würden in einem laufenden Prozess erneuert. Die Stadt investiere jährlich rund eine Million Euro für abschnittsweise Erneuerungen im Jahr. «Eine flächendeckende Erneuerung innerhalb kurzer Zeit erscheint uns dagegen weder sinnvoll noch finanzierbar.»

Beispiel Bruchköbel: Die Stadt im Main-Kinzig-Kreis hat ein Leitungsnetz von fast 100 Kilometern. Das Wasseraufkommen aus Eigenförderung und Fremdbezug bezifferten die zuständigen Kreiswerke Main-Kinzig GmbH auf gut eine Million Kubikmeter im Jahr, die Verluste im Netz auf vier bis sieben Prozent. Die Reduzierung dieser Verluste sei ein maßgebliches Instrument zu Reduzierung des Trinkwasserverbrauchs. Hierfür würden Leitungen kontinuierlich erneuert und Verbräuche kontinuierlich bilanziert. Bei einem Verdacht auf einen Rohrbruch werde sofort Personal zur Ortung mobilisiert und hierfür auch geschultes Personal mit Spezialgeräten vorgehalten.