Weinheim

Von Yokohama nach Weinheim: Pianistin Rie Kanemoto

Die junge Pianistin Rie Kanemoto hat in Deutschland ihre Bestimmung und einen neuen Zugang zur Musik gefunden. Ihre Arbeit als Lehrerin an der Musikschule Badische Bergstraße hat daran einen großen Anteil.

Von der Millionenmetropole Yokohama an die Bergstraße: Für die Pianistin Rie Kanemoto muss Musik die Seele berühren. Foto: Marco Schilling
Von der Millionenmetropole Yokohama an die Bergstraße: Für die Pianistin Rie Kanemoto muss Musik die Seele berühren.

Ein Picknick unter Kirschblüten gehört für die Japaner zum Frühling wie Stäbchen zu Sushi. Doch das traditionelle „Hanami“ lässt sich nicht nur in Yokohama feiern. Auch mehr als 9000 Kilometer westlich, im beschaulichen Weinheim, erblüht die Bergstraße im Frühjahr in zartrosa Farben. „Das erinnert mich immer sehr an meine Heimat“, sagt Rie Kanemoto, und in ihrer Stimme schwingt ein klein wenig Wehmut. Die 33-jährige Pianistin hat es vor mehr als zehn Jahren nach Deutschland verschlagen – auf der Suche nach einem neuen Zugang zur Musik und nach einer weiteren Klangfarbe in ihrem Leben.

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Chopin zur Begrüßung

Die Kirschblüten sind längst verblüht, als sich Rie Kanemoto für unser Gespräch in der Weinheimer Musikschule Badische Bergstaße an den schwarzen Flügel setzt. Ihre zarten Finger tanzen mit jener Leichtigkeit geübter Pianisten über die Tasten. Chopins Nocturne op. 9 No. 2 ist ihr Lieblingsstück. Sie kennt es auswendig. Seit sie fünf Jahre alt ist, spielt sie Klavier. Mit dem Ziel, Konzertpianistin zu werden, wie ihr großes Vorbild: Mitsuko Uchida, die britische Starpianistin japanischer Herkunft.

Rie Kanemoto erinnert sich an deren Konzert in Heidelberg: „Sie ist eine Klangzauberin, die mit ihrer Seele spielt.“ Eine, die mit dem Klavier Gefühle ausdrücken kann, wie kaum eine andere Pianistin. Und vor allem eine, die mit der Musik berühren kann. Das ist es, was Rie Kanemoto verzaubert. Nicht die vollendete Beherrschung des Instrumentes, sondern das Gefühl, das Musik transportieren kann. Und das ist es auch, was sie als Lehrerin für Klavier und elementare Musikerziehung an der Musikschule vermitteln will. Die Noten sind nur das Werkzeug, die Musik jedoch eine Ausdrucksform, die über das reine Spielen einer Melodie hinauszugehen vermag.

Rie Kanemoto unter Kirschblüten im Weinheimer Schlosspark. Foto: Privat
Rie Kanemoto unter Kirschblüten im Weinheimer Schlosspark.

In ihrem Heimatland, wo Rie Kanemoto zwischen 2009 und 2013 Klavier in Tokio studierte, stand dagegen die Ellenbogengesellschaft im Vordergrund. „Der Druck hat mir damals den Spaß am Klavierspiel verdorben“, berichtet die zierliche Japanerin. Für sie ein Grund zur Umorientierung. Zufällig hatte sie von Musiktherapie zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit gehört. Die Ausbildung in Deutschland weckte das Interesse der jungen Pianistin.

Liebe zu Brathähnchen und Knödel

Sie buchte kurzerhand ein Flugticket und landete nach einer Stippvisite in Dresden schließlich in Mannheim. Dort, am Goethe-Institut, stand zunächst ein Deutschkurs auf dem Plan. Heute spricht sie die Sprache fließend, den typischen Akzent aber hat sie noch immer. Auch die ausgesuchte Höflichkeit, zu der sie in Japan erzogen wurde, das feine Wesen und eine Zurückhaltung, die man hierzulande manchmal vergeblich sucht. Sie liebt Brathähnchen und Knödel, die Warmherzigkeit der Deutschen und deren Hilfsbereitschaft, die sie kennenlernen durfte. Und das Gefühl, sich nicht verstellen zu müssen, ihre sensible Seite ausleben zu dürfen.

Ihr zarten Finger tanzen mit jener Leichtigkeit geübter Pianisten über die Tasten. Foto: Marco Schilling
Ihr zarten Finger tanzen mit jener Leichtigkeit geübter Pianisten über die Tasten.

Eben jene Sensibilität machte der angestrebten Fortbildung zur Musiktherapeutin allerdings einen Strich durch die Rechnung. Rie Kanemoto erinnert sich an die emotionale Arbeit mit Komapatienten im Krankenhaus. „Das konnte ich nicht ertragen.“ Als Alternative wählte sie ein Studium der Elementaren Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim, das sie 2020 abschloss und das 2021 in einer Anstellung an der Musikschule Badische Bergstraße mündete.

Ziel: Spaß an der Musik

„Mein Ziel ist es, den Kindern Spaß an der Musik zu vermitteln“, verrät sie. Gerade bei der elementaren Musikerziehung setzt sie auf einen spielerischen Ansatz, um die Kleinen im Kindergarten für die Musik zu begeistern. Es wird getanzt, gesungen und mit Orff- oder traditionellen Instrumenten musiziert – „je nachdem, was die Gruppe braucht“, erklärt sie.

Von Bedeutung ist ihr dabei auch die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die die Kinder machen können. „Es ist toll, wenn die Kinder lernen, dass sie ein wichtiger Teil der Gruppe sind“, sagt Rie Kanemoto. „Zusammen“ ist das Stichwort, ohne dass der Einzelne sich selbst dabei aus den Augen verliert. Oder besser aus den Ohren – denn ohne Hinhören kommt keine Harmonie zustande.

Auch beim Klavierunterricht ist es Rie Kanemoto ein Anliegen, jeden Schüler so anzunehmen, wie er ist, dort abzuholen, wo sein Talent vielleicht noch verborgen liegt – damit Musik fließen kann. Nicht für jeden ist Chopin da das Richtige. „Ich liebe auch Edvard Grieg“, schwärmt sie, „und natürlich Mozarts Klavierkonzerte – diese Frische und Lebendigkeit!“

Mozart zum Abschied

Wie zur Bestätigung gibt es zum Abschied ein bisschen Mozart und dazu eine Liebeserklärung an Deutschland: „Ich bin nur mit einem Koffer in ein fremdes Land gekommen und habe die Sprache sowie die Menschen lieben gelernt.“ Und ganz nebenbei hat sie den Spaß am Klavierspielen wiedergewonnen und gibt ihn weiter an all ihre Schüler – in allen Klangfarben der Kirschblüte.