Weinheim-Hohensachsen

Keine Starallüren! So war Sepp Herberger wirklich

Zeitzeuge Joachim Eschwey aus Weinheim erinnert sich an seine Begegnungen mit dem Weltmeistertrainer von 1954. Warum sogar DFB-Botschafter Hanno Balitsch begeistert ist.

Joachim Eschwey (rechts) schildert Hanno Balitsch (Mitte) und Tobias Wrzesinski von der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB seine Kindheitserinnerungen an Sepp Herberger. Foto: Thomas Rittelmann
Joachim Eschwey (rechts) schildert Hanno Balitsch (Mitte) und Tobias Wrzesinski von der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB seine Kindheitserinnerungen an Sepp Herberger.

„Ich kann mich noch sehr gut an die vielen Fotos, Zeitungsausschnitte und Urkunden erinnern, die bei Herbergers an den Wänden hingen. Überall waren sie. Das meiste über den Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954.“ Der Weinheimer Joachim Eschwey (69) ist ein echter Zeitzeuge. Seine Großmutter Anna aus der Weinheimer Nordstadt war mit Eva, der Frau von Josef „Sepp“ Herberger, gut befreundet und so nahm sie den knapp siebenjährigen Enkel ab und an Mal mit zu dem Bundestrainer in sein Haus nach Hohensachsen.

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DFB-Botschafter Hanno Balitsch

Anlässlich des Sepp-Herberger-Gedenktags war am Dienstag Ex-Fußball-Profi Hanno Balitsch zu Gast bei der Sepp-Herberger-Grundschule (wir haben darüber berichtet), und der ehemalige Waldhof-Spieler, der sogar einen Einsatz in der A-Nationalmannschaft vorweisen kann, hörte den Erzählungen von Eschwey aufmerksam und gespannt zu.

Die Verantwortlichen der DFB-Stiftung kommen einmal im Jahr mit einem DFB-Botschafter nach Hohensachsen, um das Gedenken an den „Chef“ hochzuhalten und an ihn zu erinnern. Auch, wenn Eschwey damals um 1960 noch sehr jung war, vieles ist ihm noch in bester Erinnerung geblieben. Je älter er werde, desto mehr kämen die Erinnerungen an diese Zeit zurück. „Sepp Herberger war immer sehr freundlich zu mir, zu allen. Er war ein echter Kumpeltyp. Er hatte keine Starallüren, wie man das heute nennt“, beschreibt ihn Eschwey.

Am 28. März 1897 wurde Weltmeistertrainer Herberger in Mannheim-Waldhof geboren. 1977 verstarb er kurz nach seinem 80. Geburtstag in seiner Wahlheimat Weinheim-Hohensachsen, wo er auch begraben wurde. Seine Frau „Ev“– so nannte er sie immer liebevoll – lebte noch bis 1989 in dem Haus, ehe auch sie verstarb. Da beide keine Kinder hatten, wurde die Sepp-Herberger-Stiftung, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zu Ehren Herbergers im März 1977 errichtete, Alleinerbin der Eheleute.

Das Bild entstand um 1960 und zeigt Sepp Herberger inmitten zahlreicher Frauen. In der Mitte am Tisch sitzend, ganz in schwarz gekleidet, seine Frau Eva, rechts daneben Anna Eschwey aus der Weinheimer Nordstadt. Foto: Privat
Das Bild entstand um 1960 und zeigt Sepp Herberger inmitten zahlreicher Frauen. In der Mitte am Tisch sitzend, ganz in schwarz gekleidet, seine Frau Eva, rechts daneben Anna Eschwey aus der Weinheimer Nordstadt.

Joachim Eschwey erinnert sich: „Herberger erzählte immer und immer wieder von dem 3:2-Sieg gegen Ungarn mit dem Siegtor von Helmut Rahn in der 84. Minute.“ Und das, obwohl das Wunder von Bern zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Jahre zurücklag. So sehr beschäftigte ihn das auch noch so viele Jahre später. In der Tat brachte das Turnier eine der größten sportlichen Außenseitererfolgsgeschichten aller Zeiten hervor. Nach dem Ausschluss im November 1945 war die bundesdeutsche Fußball-Nationalmannschaft endlich wieder startberechtigt. Neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich ein Selbstwertgefühl der Deutschen, das mit einer Identifikation vieler Westdeutscher mit ihrem noch jungen Staat einherging, da die Fußball-Nationalmannschaft auch Dank Herberger Wirtschaftswunder-Tugenden wie Kameradschaft, Fleiß, Disziplin, Teamgeist und Ausdauer verkörperte und die Spieler aus der Mitte der Gesellschaft kamen.

Überall bunte Fußballwimpel

Doch zurück zur der Zeit als der kleine „Jo“ immer mal wieder bei den Herbergers zu Gast war. „Es gab sehr oft leckeren Kuchen.“ Und noch etwas ist dem Weinheimer bis heute in Erinnerung geblieben. „Entlang der Treppe hinauf in den ersten Stock hingen überall Fußballwimpel in den unterschiedlichsten Landesflaggen oder Vereinsfarben.“ Alles Erinnerungen an vergangene Spiele, an Erfolge und Niederlagen, an Freud und Leid.

Überhaupt war Herberger ein echter Sammler wie auch Tobias Wrzesinski, langjähriger Geschäftsführer der Sepp-Herberger-Stiftung, zu berichten weiß. „Herberger sammelte einfach alles, was mit Fußball zu tun hatte.“ Und weiter: „Er soll sogar Notizen über die Korrespondenzen mit Spielern und Funktionären in dicken Ordnern abgeheftet und sie über viele Jahre hinweg aufgehoben haben. Nichts wollte er wegschmeißen“, so der Herberger-Experte.

Hanno Balitsch indes zeigte sich interessiert und begeistert zugleich. Es sei unheimlich interessant, sich mit Zeitzeugen zu unterhalten, so Balitsch. „Sie lassen alte Zeiten wieder lebendig werden. “