Weinheim

Weinheims Abschied von der "Bumbum-Kerwe"

Weniger Lärm und mehr Sicherheit, „Genuss-Kerwe“ auf dem Marktplatz, keine Partyzelte: Das neue Konzept für das Altstadtfest wird sicherlich nicht jedem gefallen.

Kaum ein Durchkommen im Gerberbachviertel bei der Kerwe 2022. Die Stadtverwaltung legt jetzt neue Richtlinien fest. Foto: Ralf Mittelbach
Kaum ein Durchkommen im Gerberbachviertel bei der Kerwe 2022. Die Stadtverwaltung legt jetzt neue Richtlinien fest.

Wummernde Bässe und Ballermann-Party – das soll es an der Weinheimer Kerwe künftig nicht mehr geben. Die Stadtverwaltung zieht jetzt den Stecker, auch, aber nicht nur, weil sich immer mehr Anwohner über die Lärmbelästigung beschweren.

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Hintergrund ist die Bildung einer Interessengemeinschaft unter dem Namen „Altstadt“ aus Anwohnern des Geberbachviertels, die rund 50 Unterschriften gesammelt hat. Ihr Anliegen: den Lärm an den vier Kerwetagen im August zu reduzieren und die Sicherheit zu gewährleisten, die durch die Ansammlung vieler Hundert Menschen in den engen Altstadtgassen gefährdet sei. „Zu gewissen Uhrzeiten ist es so eng, da ist kein Durchkommen mehr“, teilt auch Ralf Mittelbach von der Freiwilligen Feuerwehr in Weinheim die Sicherheitsbedenken. Ebenso die Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes, die im Notfall zu Hilfe eilen.

Was nicht mehr geht

Die neuralgischen Punkte liegen in der Münz- und der Judengasse. Hier drängen sich die Massen an Cocktailbars und Ständen, die die Feierlaune der Gäste mit einer Beschallung anheizen, weit über das erlaubte Maß von 70 Dezibel. „Das wird es in Zukunft nicht mehr geben“, erklärt Weinheims Pressesprecher Roland Kern. Ab der Kerwe 2023 wird das Ordnungsamt keine Genehmigungen mehr für Standorte erteilen, die zu einer „Bündelung“ von Menschenmassen führen könnten. Außerdem ist künftig die Beschallung der Gassen verboten. Das heißt im Klartext: Musikboxen dürfen nur noch in Innenräume genutzt oder ins Innere der Höfe ausgerichtet werden. Dort, wo die Beschallung sich „überschneidet“, muss ein gemeinschaftliches Konzept vorgelegt werden. Und darauf hat sich die IG Marktplatz bereits geeinigt.

Die neuen Regelungen sind ein weitgehendes Entgegenkommen an die Anwohner. „Wir wollen einen Rechtsstreit vermeiden“, sagt Kern und spielt damit auf das Altstadtfest in Ladenburg an, wo eine Klage wegen Lärmbelästigung erst 2014 mit einem gerichtlichen Vergleich beendet werden konnte. „Das ist ein Szenario, das wir auf keinen Fall wollen“, so der städtische Pressesprecher, „zumal wir ja ohnehin keine Kerwe gegen die Anwohner anstreben, sondern ein Fest mit ihnen.“

Jetzt gilt es also, den Spagat zu schaffen zwischen den Interessen der Gäste, denen der Spaß nicht verdorben werden soll, den Standbetreibern und den Anwohnern. Aktuell werden Gespräche geführt, damit sich die Fronten nicht verhärten und Standbetreibern, die für ihren alten Standort keine Genehmigung mehr bekommen, eine Alternative geboten werden kann. Roland Kern: „Wir wollen keine Spielverderber sein, sondern eine Kerwe für alle ausrichten.“

Keine Partyzelte mehr

Um das zu erreichen, ziehen auch die Marktplatzgastronomen an einem Strang. Sie gehen in diesem Jahr mit einem neuen gemeinsamen Konzept an den Start, das der Entwicklung der zurückliegenden Jahre Rechnung trägt. „Kein Bumbum und keine Layla mehr“, bringt es Gerald Haas, Diebsloch-Wirt und Sprecher der IG Marktplatz, auf den Punkt. „Denn der Marktplatz kann mehr als Remmidemmi“, ist sich Andrés Salazar, Wirt des Café Florian, sicher. Partyzelte, die sich mit lauter Musik Konkurrenz machen, gibt es in Zukunft nicht mehr – das wird sicher nicht jedem gefallen. Stattdessen sehen die Planungen zur Kerwe eine, vielleicht auch zwei Bühnen auf dem Marktplatz vor für gemeinsame Musik oder ein kleines Kulturprogramm. Hand in Hand arbeiten die Gastronomen außerdem an einer Art „Genuss-Kerwe“, bei der jedes Lokal an Ständen Spezialitäten anbietet. Und die Partystimmung? Haas: „Die gibt es trotzdem, nur eben etwas gediegener.“

Mit ihrem neuen Konzept wollen die Marktplatzwirte den Gästen auch an Kerwe das bieten, was sie die übrigen 361 Tage im Jahr auch tun: hochwertige Gastronomie, die sich positiv auf die Weinheimer Geschäftswelt auswirken soll. Übrigens: Wie Haas betont, sind die Ideen zur „Genuss-Kerwe“ auf dem Marktplatz nicht erst im Zuge der Anwohnerbeschwerden entstanden. Haas: „Wir haben uns schon länger mit dem Gedanken getragen, die Kerwe auf dem Marktplatz auf neue Beine zu stellen und einen Schritt nach vorne zu machen.“