Wirtschaft

Freudenberg will unabhängiger von China werden

Mit Blick auf China ändert der Weinheimer Konzern seine Strategie. Freudenberg-Chef Mohsen Sohi erklärt, warum - und welche Sparte 2022 besonders gut lief.

Der Industriepark Freudenberg in Weinheim aus der Luft betrachtet. Foto: Freudenberg
Der Industriepark Freudenberg in Weinheim aus der Luft betrachtet.

Der Weinheimer Technologiekonzern Freudenberg richtet seine China-Strategie neu aus und will weniger abhängig von dem Land werden. Freudenberg habe seine Aktivitäten in China einer Neubewertung unterzogen, sagt Vorstandschef Mohsen Sohi im Gespräch mit dieser Redaktion. Freudenberg wolle vor allem seine Abhängigkeit bei den Lieferketten von China reduzieren.

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Interessant für Investitionen seien zum Beispiel Vietnam, Indonesien oder Thailand. Sohi betonte aber auch: „China ist für uns immer noch sehr wichtig, wir werden weiter dort investieren.“ Auch, weil immer mehr Innovationen von dort kämen. 17 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaften die Weinheimer in der Volksrepublik. Bei Freudenberg beobachtet man „einen Systemwettbewerb zwischen USA, China und Europa“, heißt es im Geschäftsbericht.

Debatte um Rolle Chinas

Aktuell wird in Deutschland debattiert, wie weit sich die Wirtschaft noch von dem autokratisch regierten Land abhängig machen darf. Auch die Bundesregierung mahnt Unternehmen angesichts des militärischen und wirtschaftlichen Dominanzstrebens Chinas zur Vorsicht. Zudem hatte die Corona-Pandemie gezeigt, wie schnell wichtige Produkte fehlen können, wenn die Volksrepublik nicht liefern kann oder will.

Russland kostet viel Geld

Einen harten Schnitt macht der Weinheimer Konzern in Russland: „Wir beenden alle Geschäftsaktivitäten in Russland“, kündigt der Vorstandschef an. Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine hatte Freudenberg zuerst beschlossen, in Russland nicht mehr zu investieren. Inzwischen sind außerdem sechs der neun dort ansässigen Gesellschaften entkonsolidiert, also verkauft. Für die restlichen drei Einheiten gebe es noch Schwierigkeiten aufgrund gesetzlicher Anforderungen vor Ort.

Bis Jahresende jedoch soll das Kapitel Russland beendet sein. Der Abschied kostete das Unternehmen 2022 rund 12,5 Millionen Euro. Im laufenden Jahr kommen weitere 50 bis 60 Millionen Euro dazu. Zum einen muss Freudenberg die Werte in der Bilanz abschreiben, zum anderen entstehen Kosten etwa für die Abfindungen von Beschäftigten.

Freudenberg ist ein weltweit tätiges Familienunternehmen mit einem äußerst diversen Produktportfolio: Vliesstoffe etwa für die Textil- und Automobilindustrie, Reinigungsartikel und Wäschepflegeprodukte (Vileda), Medizintechnik, Dichtungen und Spezialschmierstoffe. Der Konzern beschäftigt rund 51 000 Mitarbeitende.

Trotz Ukraine-Krieg und hohen Energiekosten legte das Unternehmen auch 2022 bei Umsatz und Gewinn zu. Im Jahr davor hatte Freudenberg erstmals die Umsatzmarke von zehn Milliarden Euro geknackt. Jetzt nähert man sich der 12-Milliarden-Marke an. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt Sohi. Der Konzern hat eine sehr dezentrale Struktur.

Medizintechnik läuft gut

Auch die breite Aufstellung hilft in schwierigen Zeiten. Laut Vorstandschef lief es 2022 in der Medizintechniksparte besonders gut. Sehr gefragt seien zum Beispiel die Beschichtungen für Stents und Katheter. Große Erwartungen setzt er in das noch junge Geschäftsfeld mit Lithium-Ionen-Batterien und Brennstoffzellen-Systemen. In München werden Anwendungen für LKW, Busse und Schiffe entwickelt. Allein die Sparte Brennstoffzellen könnte in zehn Jahren eine Milliarde Euro zum Umsatz beitragen, so Sohi.

Es werde aber noch drei bis vier Jahre dauern, bis die Gewinnschwelle erreicht ist. Aktuell gehe es noch darum, die ersten Prototypen an die Kundschaft zu liefern. Rund 100 Millionen Euro investiert der Konzern in den Ausbau der Sparte.

2023 erwartet der Freudenberg-Chef beim Umsatz ein Plus von zwei bis drei Prozent. Die Engpässe bei Rohstoffen dürften seiner Einschätzung nach eine Herausforderung bleiben. Und natürlich sei schwer vorauszusagen, wie sich die geopolitischen Spannungen entwickeln. „Wir sind vorsichtig optimistisch“, so Sohi.

Werk Weinheim bleibt wichtig

Größere Sparprogramme, wie sie BASF und Bilfinger in der Nachbarschaft angestoßen haben, sind Sohi zufolge bei Freudenberg nicht zu erwarten. In Weinheim ist die Zahl der Beschäftigten um 110 auf 4040 gestiegen. 5500 sind es insgesamt in der Metropolregion.

Das Werk Weinheim werde weiter ein „Zentrum für Innovation“ bleiben, bekräftigte der Vorstandsvorsitzende. 60 Millionen Euro hat der Konzern 2022 in den Standort investiert, vor allem in den Ausbau von Hochtechnologie-Anlagen.