Birkenau

40 Kita-Plätze in Gefahr

Eltern der Kindertagesstätte St. Anna in Birkenau machen sich große Sorgen. Der zweifache Vater Alexander Eck bittet Bistum Mainz um Hilfe.

„Uns wurde mitgeteilt, dass ab dem 19. Februar nur noch 20 bis 25 Kinder in der Kita St. Anna betreut werden können. Das heißt, 40 Kinder müssen die Kita verlassen.“ Alexander Eck, dessen beiden Töchter (sechs und drei Jahre alt) den katholischen Kindergarten am Platz La Rochefoucauld besuchen, ist fassungslos. „Meine Frau und ich haben extra diesen Kindergarten gewählt, weil wir wollten, dass unseren Kindern christliche Werte vermittelt werden.“ Die 20 bis 25 Kinder, die in der Kita verbleiben dürften, würden anhand einer Priorisierungsliste ausgewählt. Die Kinder, die die Kita verlassen müssten, kämen auf eine Warteliste.

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Wer sich auch nur ein bisschen in die Seele kleiner Kinder hineinversetzen kann, kann ermessen, was es für Kinder bedeutet, aus dem gewohnten Umfeld herausgerissen zu werden und vor allem lieb gewonnene Freunde zu verlieren. Kindertränen sind in den vergangenen Monaten reichlich geflossen. Die Kleinen haben Angst vor der Veränderung mit all ihren Folgen. „Meine Frau und ich haben versucht, das alles vor unseren Kindern verborgen zu halten. Aber unsere Große hat es irgendwie mitbekommen. Uns tut es weh, sie weinen zu sehen“, beschreibt Eck eindringlich, was in dem sechsjährigen Mädchen jetzt vorgeht und wie immens der Druck ist, unter dem die „große“ Kleine jetzt steht.

Was ist passiert?

Was aber ist in der Kita passiert, dass solch massive Schritte eingeleitet werden? Alexander Eck blickt zurück und holt dabei weit aus. Im März des vergangenen Jahres habe die erste Erzieherin die Kita St. Anna verlassen. Im gleichen Monat sei die bisherige Leiterin erkrankt und befinde sich bis heute im Krankenstand. Im Juni habe auch noch die stellvertretende Leiterin der Kita den Rücken gekehrt. Im September und November seine zwei weitere Erzieherinnen diesem Beispiel gefolgt. Seit Juni des vergangenen Jahres seien die Erzieherinnen also ohne Leitung gewesen und hätten alle administrativen Aufgaben in eigener Regie erledigen müssen. Während der ganzen Zeit sei vom Bistum Mainz oder seinem Geschäftsträger keine Information an die Eltern erfolgt. Und: „Bereits im Dezember 2023 wusste man, dass zwei weitere Erzieherinnen die Kita im Frühjahr verlassen werden.“

Am 20. November seien die Eltern per Brief über „Einschränkungen in der Betreuung“ informiert worden: Die Betreuungszeit werde von 7.30 bis 13.30 Uhr begrenzt. „Was hier für erhebliche Unzufriedenheit sorgte, war die Tatsache, dass die Entscheidung der Einschränkung der Betreuung an einem Montagnachmittag getroffen wurde und mit sofortiger Wirkung umzusetzen war. Dadurch mussten sich alle Eltern innerhalb weniger Stunden, selbst um die Betreuung ihrer Kinder nach der Regelbetreuung kümmern“, führt Eck weiter aus.

Fünf Kinder sollen gehen

Einige Tage später, am 30. November erhielten die Eltern einen weiteren Brief aus Mainz. In diesem wurde ein Elternabend angekündigt. Außerdem war zu lesen, dass wegen Betreuermangel fünf Kinder die Kita verlassen müssten. Den Kindern werde aber eine Betreuung in der Kita Arche Noah in Nieder-Liebersbach angeboten. Die Eltern sollen sich freiwillig melden. Bis zum Elternabend am 14. Dezember hatte sich eine Familie für einen Wechsel bereit erklärt. Blieben weitere vier Kinder. Da weder Verwaltungsrat, Geschäftsträger noch die Kita-Leitungen für Ideen offen gewesen seien, hätten die Eltern Vorschläge erarbeitet, um den Verbleib der Kinder in der gewohnten Umgebung zu sichern. Unter anderem schlugen die Eltern vor, dass die Erzieherinnen der Arche Noah – ebenfalls eine katholisch Einrichtung – vorübergehend in Birkenau aushelfen. Ein weiterer Vorschlag war, vorübergehend auf Zeitarbeitsfirmen zurückzugreifen.

Verwaltungsrat und Geschäftsträger lehnten ab. Es blieb dabei: Entweder vier weitere Kinder würden auf freiwilliger Basis in die Arche Noah wechseln oder sie würden einfach bestimmt. „Das Vertrauen in den Verwaltungsrat und den Geschäftsträger war gänzlich zerstört“ – ein sehr unschönes Weihnachtsgeschenk eines katholischen Trägers zum Fest der Liebe.

Notfallplan erarbeitet

In der WhatsApp-Gruppe der Eltern reifte jedoch schnell ein eigener Notfallplan heran. Dieser Plan sah vor, dass die nötige „Einsparung“ von vier Kindern am Tag durch ein Betreuungsplatz-Sharing sichergestellt wird. Innerhalb weniger Stunden fanden sich mehr als genug Eltern, die ihre Kinder im ein- bis zweiwöchentlichen Wechsel jeweils einen Tag zu Hause betreuen können. Es sei eine Liste erstellt und ein Elternbrief an den Verwaltungsrat und den Geschäftsträger geschrieben worden. Der Elternbrief lag in der Kita aus und alle Eltern, die sich an dem Plan beteiligen, haben ihn unterschrieben.

„Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts waren begeistert, dass wir eine solche Lösung mitbringen“, berichtet Eck. Nicht ganz so begeistert war man in Mainz. Von dort hieß es, es würden zurzeit drei Alternativen parallel überprüft. Geprüft wurden folgende Alternativen: 1 Fünf Kinder gehen zur Kita Arche Noah; 2. Verkürzung der Betreuungszeit auf fünf Stunden; 3. Elterlicher Notfallplan. Bevorzugt werde die Reduzierung der Betreuungszeit. Auf Aufforderung aus Mainz legten die Eltern einen ausgearbeiteten Wochenplan mit einer Auflistung, an welchem Tag welche Kinder zu Hause betreut werden, vor. „Wir konnten an jedem einzelnen Tag mindestens vier Kinder zu Hause betreuen, an einigen Tagen sogar fünf oder sechs.“

Am 1. Februar der Schock

Am 21. Dezember sei es zum entscheidenden Gespräch unter Beteiligung eines Elternvertreters gekommen. Der Verwaltungsrat und der Geschäftsträger stimmten zu, den elterlichen Notfallplan während einer Testphase zu nutzen. Dieser Plan habe in der Kita seit dem Jahreswechsel Gültigkeit, berichtet Eck.

Als für den 1. Februar zu einem weiteren Gespräch eingeladen wurde, gingen die Elternvertreter vielleicht von einem positiven Feedback zum Notfallplan aus und erhofften sich Neuigkeiten zur aktuellen Bewerbungslage und wie es mit der Betreuung in der Kita weitergeht – die Nachricht war niederschmetternd: „Es wurde uns mitgeteilt, dass ab dem 19. Februar nur noch 20 bis 25 Kinder in der Kita St. Anna betreut werden können. Das heißt, es müssen 40 Kinder die Kita verlassen.“ Neue Erzieher kämen erst ab dem 1. Oktober, sei als Begründung angeführt worden. Die Kinder, die in der Kita verbleiben dürften, würden anhand der Priorisierungsliste ausgewählt. Alle übrigen Kinder kämen auf eine Warteliste.

Alle Ideen abgeschmettert

Erneut seien sämtliche Alternativlösungsvorschläge seitens des Elternvertreters abgeschmettert worden. Sie hatten die Idee ins Spiel gebracht, die Kita St. Anna und die Arche Noah in Nieder-Liebersbach insoweit organisatorisch zusammenzulegen, dass wenigstens vorübergehend ein Erzieherinnen-Pool für beide Einrichtungen entstehen könnte.

Weitere Vorschläge waren die vorübergehende Beschäftigung einer Bürokraft für administrative Tätigkeiten, um das Leitungspersonal zu entlasten, das dann wiederum in die Erziehungsarbeit mit einsteigen könnte. Zudem schlugen die Eltern erneut vor, Personal von Zeitarbeitsfirmen zu nutzen – zu jedem Vorschlag hieß es: „Abgelehnt!“

„Wir wünschten uns doch nur eine unbeschwerte Kindergartenzeit für unsere beiden Töchter“, sagt Eck. „Seit drei Monaten erfahren wir nur Ungewissheit und Unverständnis seitens des Geschäftsträgers und Verwaltungsrats.“ In einem Schreiben ans das Bistum Mainz hat der zweifache Familienvater dringend um Hilfe gebeten. „40 Kinder werden bald ohne Kita-Platz dastehen! Das sind 40 Familien, die jetzt akut die Hilfe der katholischen Kirche benötigen.“

„Das können wir nicht dulden“

Unterdessen räumt Franz Stevens im Namen des Pfarrgemeinderats Birkenau „gravierende personelle Engpässe“ ein, die zum einen durch die Krankheit der Leiterin und zum anderen durch Abgänge verursacht worden seien. Diese Abgänge seien aufgrund der schwierigen Lage am Personalmarkt nur schwer zu kompensieren sind. Die Trägerschaft für die Kita St. Anna liege beim Bistum Mainz. genauer gesagt, der vom Bistum eingesetzten Geschäftsträgerin. Aktuell liefen konstruktive Gespräche zwischen Elternvertretern und Geschäftsträgerin, um bestmögliche Lösungen zu finden. „Unser Verwaltungsrat hilft dabei mit“, erklärt Stevens.

Im Brief von Alexander Eck an das Bistum Mainz würden Vorwürfe formuliert, die so nicht haltbar seien und die vor allem den ehrenamtlich arbeitenden Verwaltungsrat (VWR) mitbelasteten. „Das können wir als Pfarrgemeinderat nicht dulden.“ Der Verwaltungsrat sei nicht für Personalangelegenheiten zuständig. Er habe auch mehr als genug damit zu tun, die häufig anfallenden Arbeiten an den beiden katholischen KiTa- Gebäuden zu bewältigen. Stevens abschließend: „Im übrigen wird der Brief nicht von den anderen engagierten Eltern mitgetragen, die gemeinsam mit dem Träger an der Bewältigung arbeiten.“