Weinheim

Murzarella: Gesang aus dem Bauch raus

Die europaweit einzige Bauchsängerin, Sabine Murza, bringt das Publikum in der Alten Druckerei in Weinheim zum Toben.

Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt: Frau Adelheid und Sabine Murza. Foto: Katrin Oeldorf
Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt: Frau Adelheid und Sabine Murza.

Erfolgreicher hätte das Jahr 2024 für die Alte Druckerei nicht beginnen können als mit einem vollen Haus und einer Künstlerin, die am Schluss immer wieder von Neuem mit rhythmischem Klatschen und Bravorufen auf die Bühne geholt wurde. Dass Sabine Murza alias Murzarella am Ende völlig erschöpft war, ist kein Wunder, denn ihre zweistündige Show gleicht einem stimmlichen und physischen Marathon.

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Vier-Oktaven-Stimme

Die gebürtige Gelsenkirchenerin ist das, was man ein künstlerisches Phänomen nennt. Alles, was die ausgebildete Musical-Darstellerin und Gesangspädagogin in ihrer großartigen Puppet-Show präsentiert, hängt mit ihrer Vier-Oktaven-Stimme zusammen, die einen Bogen vom Jazz über Pop bis zur Oper spannt. Doch das ist noch nicht genug: Sabine Murza, die mehrfache Kleinkunst-Preisträgerin, gilt europaweit als einzige Bauchsängerin. Natürlich kommt ihre gewaltige Stimme nicht aus dem Bauch, sondern wird, wie bei allen Menschen, mit dem Kehlkopf erzeugt. Die Lippen dabei – mit leicht geöffnetem Mund – nicht zu bewegen, hat sie sich in jahrelangem Training angeeignet.

Kein Blatt vor dem Schnabel

Die eigentlichen Stars ihres Programmes sind jedoch ihre Puppen, denen sie Leben, Ausdruck und Stimme schenkt, sodass jede Figur zu einem individuellen Wesen wird. Da ist Dudu, der kuschelige, vorlaute Kakadu, der kein Blatt vor den Schnabel nimmt und seiner Schöpferin gerne ein paar derbe Sprüche an den Kopf wirft, nur um sie im nächsten Moment mit Köpfchenreiben und großen Vogelaugen zu umgarnen. Obwohl Dudu lieber „Atemlos“ statt Jazz mag, siegt der Song „You Raise Me Up“, den die Puppenspielerin ausnahmsweise in eigener Person singt.

Ganz anders ist Frau Adelheid, die gut gekleidete Dame in den besten Jahren, die von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt ist und mit dem Herrn in der ersten Reihe schamlos flirtet. Haben sich die Zuschauer gerade noch über das späte Mädchen ausgeschüttet vor Lachen, so sorgt im nächsten Moment ihr mächtiger Mezzosopran, mit dem sie Mozarts „Königin der Nacht“ mit kunstvollem Tremolo herausschmettert, für Gänsehaut. Dass Sabine Murza am Ende gefühlte zwei Minuten den Ton hält, und das mit bewegungslosen Lippen, ruft bei den Zuschauern Schreie der Begeisterung hervor. Dann wiederum ist Lachen angesagt, als die Künstlerin für die Kanalratte Kalle Hand und Stimmbänder zu Höchstleistungen antreibt. Die Ratte mit dem Schalkeschal ist nicht nur leidenschaftlicher Schrauber und Griller, sie liebt vor allem „Schwermetall“, sodass der „Kapellmeister“ am Schaltpult mit dem Heraussuchen des Instrumentalteiles von „Highway To Hell“ ordentlich ins Schleudern kommt.

Illusion eines Trios

Den perfekten Bon Scott gibt Kalle mit leidenschaftlichem Headbanging. Dass die Stimme auch dann aus dem bewegungslosen Mund der quirligen Blonden aus dem Ruhrpott kommt, vergisst man als Zuschauer – bei aller Liebe zu den Puppen – keinen Augenblick. Und niemand wunderte sich, dass Murzarella am Schluss auch noch die Illusion eines Trios mit dem emotionalen „My Way“ gelingt. Dass Puppen und Puppenspielerin dabei im Wechsel singen, tut dem Gesamtkunstwerk keinen Abbruch.

Gut gelaunt stimmt das Publikum am Ende in Kalles Monty-Python-Song „Always Look On The Bright Side Of Life“ ein. Letztendlich stellt sich die Frage, ob diese attraktive und begnadete Stimmenakrobatin mit den unzähligen Kulturpreisen nicht längst in eine Las-Vegas-Show gehört.