Foto: Ann-Kathrin Thaden
Ratgeber

Wie man im Alltag auf Plastik verzichten kann

Immer mehr Menschen setzen sich für einen nachhaltigen Lebensstil ein und versuchen, so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Doch wie funktioniert der Verzicht auf Plastik eigentlich im Alltag? In einem Interview mit Andrea Hehn und Anja Wilkening, den Gründerinnen des Unverpackt-Ladens in Weinheim, erfahren wir mehr über ihre Erfahrungen und Tipps.

Alles ist irgendwie verpackt. Manchmal sogar einzelne Gurken - eingeschweißt in Plastikfolie. Immer mehr Menschen setzen sich für einen nachhaltigen Lebensstil ein und versuchen, so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Doch wie gelingt es eigentlich im Alltag plastikfrei zu leben? In Weinheim gibt es seit November 2019 einen besonderen Laden, der sich dem Thema verschrieben hat. Worauf man achten kann, wenn man weniger Müll verursachen will, erklären die zwei Ladeninhaberinnen Andrea Hehn und Anja Wilkening im Interview.

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Alles ist irgendwie verpackt. Im Laden von Anja (links) und Andrea wird die Ware möglichst unverpackt verkauft. Foto: Ann-Kathrin Thaden
Alles ist irgendwie verpackt. Im Laden von Anja (links) und Andrea wird die Ware möglichst unverpackt verkauft.

Wie ist die Idee erwachsen, unverpackt plastikfrei zu leben?

Andrea Hehn: Ich habe vier Kinder und da fiel immer so viel Müll an. Am Ende, wenn die Tonne voll war, ist einer in die Tonne gehüpft, damit wieder Platz ist. Und das wollte ich einfach nicht mehr. Dann kam das langsam auf, mit den ersten Unverpackt-Läden, in Heidelberg und Lorsch. Ich war angefixt von der Idee. Ich wollte auch einfach die Lebensmittel ohne dieses ganze Plastik außen rum kaufen. Die Verpackung ist ja nur dazu da, dass dieses Produkt zu mir nach Hause kommt. Und dann ist es Müll. Und Plastik ist eine Ressource, die aus Erdöl gewonnen wird. Dass diese Ressource nur für den kurzen Weg genutzt wird, erschien mir völlig sinnlos.

Dann kam die Idee mit dem eigenen Laden?

Andrea: Ich wohne im vorderen Odenwald. Von meinem Wohnort aus war das dann immer sehr weit, um nach Heidelberg zum Einkaufen zu fahren. Erstens ist es nicht praktikabel und zweitens bin ich mit dem Auto eine Dreiviertelstunde einfache Fahrt unterwegs, um dann dort unverpackt einzukaufen. Dann hat die Maggi ihren Unverpacktladen in Ladenburg aufgemacht und schon war es für mich machbarer. Über den regelmäßigen Einkauf dort kam dann der Wunsch auf, das hier in Weinheim auch zu machen. Ich war mal im Bio-Laden und da gab es so eine Kidneybohnen-Frikadelle, die hätte ich gerne probiert, aber die war doppelt in Plastik eingeschweißt. Eine einzelne Frikadelle doppelt verpackt! Die hab ich dann wieder hingelegt. Das war mir einfach zu viel Müll für so wenig Essen. Kurze Zeit später kam ich dort mit einer Bekannten über Unverpackt ins Gespräch und die sagte „Mach du doch so einen Laden auf“. Daraufhin habe ich mich über der Wirtschaftsförderung angemeldet und so haben wir - Anja und ich - uns kennengelernt.

Anja Wilkening: Daraufhin haben wir uns verabredet und es war ganz schnell klar: Das könnte was werden. Und dann ging's auch schon los. Das war 2019, um Ostern herum, und bereits im November haben wir dann den Laden hier eröffnet. Wir haben uns richtig ins Zeug gelegt. Man muss ja wissen: Wir beide sind eigentlich fachfremd. Ich bin Betriebswirtin und Andrea ist Erzieherin.

Die Kleiderindustrie ist mittlerweile sehr schnelllebig und im Durchschnitt wird ein Kleidungsstück ein Jahr getragen, ehe es weggeworfen wird. Worauf kann ich beim Kleidungskauf achten, wenn ich weniger Müll verursachen will?

Anja: Ich kaufe oft in Weinheim im DRK Secondhand-Laden und verkaufe auch viel dort. Ich mag Secondhand: Erstens, weil es nachhaltig ist und zweitens ist es immer wie eine Überraschungskiste. Man kauft halt nicht von der Stange. Man kommt hin und hat eigentlich keine Vorstellungen von dem, was man haben will und wird dann überrascht und kann sich über ein schönes Teil freuen. Außerdem erfüllt man beim DRK (Deutsches Rotes Kreuz) noch einen guten Zweck damit, denn der Verkaufserlös kommt ja dem Roten Kreuz zugute.

Andrea: Manche Kleidungsstücke, wenn ich denn neue kaufe, trage ich über viele Jahre hinweg. Ich achte darauf, dass es wertige Sachen sind, die ich lange anziehen mag. Da hält ein Kleidungsstück auch gerne mal 20 Jahre. Um den Kleiderschrank nicht zu überfüllen, veranstalten wir regelmäßig Familienflohmarkt oder Kleidertauschaktionen.

Abgesehen vom Verpackungsmüll: Wenn ich Essen koche, fällt immer eine Menge an Gemüseabfall an. Wie kann man in der Küche Müll reduzieren?

Andrea: Wenn ich beim Kochen Reste von Karotten, Kohlrabi oder Fenchel habe, mache ich daraus ein Pesto oder leckere Smoothies. Wenn ich dann noch Reste habe, wie den Strunk vom Brokkoli, dann koche ich das und gebe es dem Hund. Alles, was dann noch übrig ist, kommt auf den Komposthaufen. Dann kriegen wir auch immer wieder tolle Hinweise von Kunden. Zum Beispiel: Was viele nicht wissen ist, dass auch Blumenkohlblätter richtig lecker sind. Die werden oft schon im Supermarkt entfernt und landen dort in der Tonne. Auch die kommen bei mir in den Smoothie. Und ich habe noch seinen Entsafter. Aus dem Trester, der beim Entsaften entsteht, stelle ich dann mit ein paar wenigen weiteren Zutaten Cracker her, für die man im Bio-Markt wieder viel Geld bezahlen würde.

Anja: Früher habe ich die Karotten noch geschält, das mache ich heute nicht mehr. Heute wird alles verwendet, alles kommt in einen Topf.

Shampoo in Plastikfläschchen, so sind die meisten Menschen es gewohnt. Das und andere Körperpflegeprodukte gibt es aber auch ohne Verpackung.
Foto: Ann-Kathrin Thaden
Knabbereien unverpackt. Im Laden von Anja und Andrea gibt es auch leckere Snacks plastikfrei.
Foto: Ann-Kathrin Thaden
Im Lädchen gibt es auch eine große Auswahl an Gewürzen. Man muss auf nichts verzichten.
Foto: Ann-Kathrin Thaden
Anja Wilkening zeigt ihr "Waschkram". Putz- und Waschmittel in Pfandkanistern.
Foto: Ann-Kathrin Thaden
Auch verschiedene Haushaltsbürsten, natürlich unverpackt und plastikfrei.
Foto: Ann-Kathrin Thaden
Shampoo in Plastikfläschchen, so sind die meisten Menschen es gewohnt. Das und andere Körperpflegeprodukte gibt es aber auch ohne Verpackung.
Knabbereien unverpackt. Im Laden von Anja und Andrea gibt es auch leckere Snacks plastikfrei.
Im Lädchen gibt es auch eine große Auswahl an Gewürzen. Man muss auf nichts verzichten.
Anja Wilkening zeigt ihr "Waschkram". Putz- und Waschmittel in Pfandkanistern.
Auch verschiedene Haushaltsbürsten, natürlich unverpackt und plastikfrei.

Ist es überhaupt möglich, komplett plastikfrei zu leben?

Andrea: Ja, das geht. Das geht sehr mit Minimalismus einher und man kauft dann nur, was man auch verbraucht und braucht. Ich versuche so wenig Müll wie möglich zu machen, aber nicht dogmatisch. In der Regel kaufe ich keine verpackten Sachen. Bei mir gibt’s am Ende des Monats auch einen gelben Sack, aber viel weniger als normal. Um den zu füllen, brauche ich etwa zwei Monate.

Anja: Ich kaufe meine trockenen Sachen bei uns im Unverpackt-Laden ein. Haferflocken, Linsen oder Zutaten für mein Müsli zum Beispiel. Da fällt schon mal ein Batzen weg. Joghurtbecher mit Pappbanderole sind Müll, der bei mir schon häufiger anfällt. In unserem Laden wird die Ware in großen Kartons oder Pfandbehältern geliefert. Dadurch kann man auch Süßigkeiten oder Knabbereien in umweltfreundlicher Verpackung genießen und muss auf nichts verzichten.

Ist in eurem Laden alles plastikfrei verpackt?

Anja: Fast. Die Joghurts, die wir hier verkaufen, kommen in einem Becher mit Pappbanderole und Aludeckel. Das ist ein Zugeständnis, den wir eingehen. Hier im Laden liegt der Fokus auf veganer Ernährung. Die veganen Joghurts gibt es allerdings noch nicht in solchen Pfandbehältern zu kaufen - anders ist das bei den anderen flüssigen Produkte, die wir hier verkaufen.

Andrea: Aber auch diese veganen Joghurts kann man selbst herstellen. Das mache ich auch manchmal.

Plastikfrei leben, bedeutet also, dass man viel selbst macht?

Andrea: Ja, schon, aber man muss auch beim Einkaufen auf nichts verzichten. Hier im Laden kann man auch viele Knabbereien und Süßigkeiten kaufen, wie Chips, Weingummi und Schokolade.

Wenn ich von jetzt auf gleich alles unverpackt kaufen will, ist das schon eine Umgewöhnung, oder?

Andrea: Ja, das auf jeden Fall. Man ist ja auch vorgeprägt und hat genau im Kopf, wie die Produkte auszusehen haben. Bei uns gibt es zum Beispiel Zahnpasta im Pfandglas - und eben nicht in einer Tube. Wenn man das sieht, denkt man auf den ersten Blick nicht zuerst an Zahnpasta, sondern eher an eine Creme. Aber mit so einem Glas Zahnpasta kommt man wirklich sehr lange hin. Und man hat keinen Müll. Wir nehmen die Gläser zurück, die dann wieder an den Händler gehen.

Ist mehr Planung nötig, wenn ich Müll vermeiden will?

Andrea: Ein bisschen schon. Man muss als Kunde die Breitschaft aufbringen, einen kleinen Mehraufwand aufzubringen: Genug Beutel und Behälter dabeihaben beispielsweise.