Nachruf

Die Fußballwelt trauert: Heidi Mohr ist tot

Heidi Mohr, Europas Fußballerin des Jahrhunderts, starb im Alter von nur 51 Jahren in ihrer Heimatstadt Weinheim. Sie war die Fußballerin ihrer Zeit

Der Ball war ihr Freund: Heidi Mohr war eine Ausnahmekönnerin und Rekordtorschützin im Nationaltrikot. Archivbild: dpa Foto: dpa
Der Ball war ihr Freund: Heidi Mohr war eine Ausnahmekönnerin und Rekordtorschützin im Nationaltrikot. Archivbild: dpa

Erst vor ein paar Tagen wurde Heidi Mohr als Teil der DFB-Gründungself in die „Hall of Fame“ des Deutschen Fußball-Museums in Dortmund gewählt. Der feierliche Empfang im Sommer wird aber ohne Weinheims berühmteste Sportlerin stattfinden: Am Donnerstag verstarb die erst 51-Jährige nach kurzer schwerer Krankheit im Kreis ihrer Mutter und Geschwister. Es ist der plötzliche und stille Abschied einer Frau, die ihre Erfüllung im Sport fand und darum nie große Worte machte.

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Heidi Mohr war die Fußballerin ihrer Zeit. Als sie 1996 ihre internationale Karriere beendete, hatte sie 104 Länderspiele bestritten, in denen sie 83 Mal getroffen hatte. Damit war sie Rekordtorschützin der deutschen Nationalmannschaft, mit der sie 1989 und 1991 Europameister und 1995 Vize-Weltmeisterin wurde. In der 1990 gegründeten Frauen-Bundesliga wurde Mohr fünfmal in Folge Torschützenkönigin, ihr Treffer zum 2:1 beim 3:1-Finalsieg in der Verlängerung des EM-Finals gegen Norwegen wurde von den Zuschauern der ARD zum Tor des Monats gewählt.

Start als Handballerin

Doch Heidi Mohr, die zunächst in Weinheim Handball spielte, ehe sie mit 15 Jahren beim SV Unter-Flockenbach erstmals mit dem Vereinsfußball in Berührung kam, war keine Freundin von Kameras und Mikrofonen, überließ das Reden gern anderen. Wohl fühlte sie sich vor allem am Ball, da war die Ausnahme-Stürmerin Weltklasse. Mit ihren blitzschnellen Soli ließ sie ratlose Abwehrspielerinnen zurück. Davon profitierte nicht nur das Nationalteam, für das sie, noch in Diensten des SV Laudenbach, am 19. Mai 1986 ihr erstes Länderspiel bestritt. Mit dem TuS Niederkirchen gewann sie 1993 die deutsche Meisterschaft und den Super-Cup. Am Ende ihrer Karriere stand mit dem 1. FFC Frankfurt der deutsche Vizemeistertitel und der Gewinn des DFB-Pokals im Jahr 2000.

Immer „die Heidi“ geblieben

Angebote aus dem Ausland lehnte die Frau, die 1999 zu „Europas Fußballerin des Jahrhunderts“ gewählt wurde, stets ab. Aus Weinheim wollte sie nie weg, Heimat und Familie waren wichtiger als der Fußball. Bis zuletzt lebte die Tierfreundin in ihrem Elternhaus im Kurbrunnenweg. Trotz ihrer großen Erfolge ist sie immer „die Heidi“ geblieben, ganz nach Sportlermanier im Gespräch sofort auf „Du und Du“. Egal ob bei einem Besuch im heimischen Wohnzimmer – wo meist ein Fußballspiel im Fernsehen lief – oder beim Spaziergang mit ihrem Hund Nico. Autogrammwünsche der Fans, teilweise aus China kommend, erfüllte sie sogar noch vom Krankenbett aus.

Unrühmliches Kaffeeservice

Mit ihrem unglaublichen Talent am Ball hätte die ausgezeichnete Technikerin heute vielleicht sogar etwas Geld verdienen können. Damals gab es für den EM-Titelgewinn nur das in die unrühmliche Verbands-Geschichte eingegangene Kaffeeservice. Das verschenkte sie schnell. Mit dem Vermarktungsrummel rund um die Nationalelf bei der Heim-WM 2011 konnte Heidi Mohr allerdings nicht viel anfangen. „Für viele war es wichtiger, gut auszusehen, statt gut Fußball zu spielen“, sagte sie.

Trauriger DFB-Abschied

Mit dem DFB ging Heidi Mohr nicht im Guten auseinander. Grund war nach dem Rücktritt ihres Förderers, Bundestrainer Gero Bisanz, die Ausmusterung durch dessen Nachfolgerin Tina Theune. Da war Mohr gerade einmal 29.

Zu ihrem 50. Geburtstag schickte der Verband im Mai 2017 eine Karte samt Sprühsahne. Doch im Hause Mohr kam der Gag gar nicht gut an. Die Ausnahmefußballerin war Pionierin und tragische Heldin. Ihre Berufung in die „Hall of Fame“ war mehr als verdient. Die Nachricht hörte sie noch, gefreut wird sie sich darüber kaum mehr haben.