Handball

Marc Nagels letztes Spiel als SGL-Trainer und seine Bilanz

Es wird sein wahrscheinlich letztes Spiel als Chef der SG Leutershausen sein. Marc Nagel wird am Samstag in Horkheim mit wechselnden Gefühlen auf der Bank sitzen. Der 53-Jährige hat seinen Abschied beim Handball-Drittligisten schon lange angekündigt. Er geht mit wechselnden Gefühlen.

Marc Nagel, Trainer der SG Leutershausen, reckt die Faust bei einem Handballspiel Foto: ZIP Import
Marc Nagel, Trainer der SG Leutershausen, reckt die Faust bei einem Handballspiel

Die Schubkarre steht vor der Hallentür, aus der entblößten Decke hängen die Kabel. Der Bauschutt knirscht unter den Füßen und es riecht nach Staub. Das aktuelle Bild des Sportlereingangs in der Heinrich-Beck-Halle ist sinnbildlich für die die traditionsreiche Abteilung der SG Leutershausen: Baustelle Handball - und einer ist mittendrin. Marc Nagel, Trainer des Aushängeschilds - des Drittbundesligisten. Es ist seine letzte Woche der Spielvorbereitung. Nach dem letzten regulären Saisonspiel am Samstag beim TSB Horkheim enden vier Jahre als verantwortlicher Coach der SG Leutershausen. Es ist ein selbstgewählter Weg. Und einer, den der 53-jährige Karlsruher lieber mit einem besseren Gefühl gehen würde. Denn selten war die Zukunft vom Leistungshandball an der Bergstraße so unsicher wie jetzt. Wir unterhielten uns mit dem Mann, der in Leutershausen selbst zum Nationalspieler reifte, vor seinem letzten SGL-Auftritt.

Marc, die SG Leutershausen wird die Saison aller Voraussicht nach als Fünfter abschließen. Etwas mehr hatten sich Trainer, Mannschaft und Verantwortliche sicher erhofft.

Marc Nagel: Noch ist ja die Frage, ob wir nicht doch noch den Einzug in die Pokalrunde schaffen. Das werden wir am Wochenende sehen. Vor dem letzten Spieltag sind wir punktgleich mit dem Tabellendritten und -vierten, die ja die Pokalrunde bestreiten dürfen. Die Jahre, in denen ich seit 2019 wieder hier Trainer war, waren vier komische Jahre. Mit abpruibtem Ende aufgrund Corona, mit einer Gruppenzusammenstellung und einem Modus, den man so nicht kannte. Das ist dieses Jahr hoffentlich auch das letzte Jahr, wo man am letzten Spieltag noch nicht weiß, ob man jetzt weiterspielt oder die Runde wirklich zu Ende ist. Trotzdem sind wir froh, wie der Handball diese schwierigen Jahre rumgebracht hat. Zum Sportlichen: Die Mannschaften, die vergangenes Jahr vor uns standen, haben wir alle hinter uns gelassen. Oppenweilert und Fürstenfeldbruck stehen vorne, und das von der Qualität des Kaders und der Kadergröße zu Recht. Was nicht eingeplant war, waren die vier Punkte, die wir gegen Kornwestheim gelassen haben. Die haben eine überraschend konstant gute Runde gespielt und uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Woran lag das?

Nagel: In Kornwestheim haben bis zur 45. Minute mit eins unser bestes Saisonspiel gemacht, trotz aller Verletzungen. Wenn wir da die zwei Punkte geholt hätten, würden wir jetzt morgen um den Aufstiegsplatz mitspielen. Sicher war es so, dass uns die vielen Verletzten in der Saison wehgetan haben. Vor allem der langfrfristige Ausfall von Lars Röller, aber auch andere wurden ja nicht verschont. Wir hatten Spiele ohen Tim Götz, ohne Yessine Meddeb, wo wir auch Punkte gelassen haben. Unter diesen Umständen müssen wir letztlich mehr als zufrieden sein mit dem Verlauf dieser Saison.

Auch mit der Entwicklung der Mannschaft? Ihr Konzept des freien Spiels schien ab und an den einen oder anderen zu überfordern.

Nagel: Wichtig ist ja, dass wir eine Entiwkclung genommen haben. Und das wird schon unterschätzt, was es a) heißt mach Leutershausen zu kommen und b) - ein Yessine Meddeb hat zwei Jahre lang quasi keinen Handball gespielt. Er hat zwar bei den Eulen auf Rechtsaußen mittrainiert, aber nie gespielt. Er hat zum ersten Mal eine Rolle ausfüllen müssen, die er so gar nicht gekannt hat, dass er einer unserer wichtigsten Spieler ist. Tim Götz hat auch auf dem Level mit so guten Mitspielern noch nicht gespielt. Wenn man dann sieht, wie wir uns im Lauf der Runde verbessert haben, gerade auch die letzten Spiele, dann bin ich natürlich zufrieden. Wenn wir einen Kritikpunkt haben, dann dass wir sicher in der Rückrunde die Spiele in Östringen, Oppenweiler und Pfullingen alle schon zur Halbzeit chancenlos waren. Das ist sicher schade. Dagegen haben wir 2023 kein heimspiel verloren und sind mit Pfullingen die beste Heimmannschaft der Liga. Das ist das, was die Zuschauer haben wollen.

Sie haben Tim Götz und Yessine Meddeb im Rückraum erwähnt. Kevin Bitz ist ohnehin eine konstante Größe. Sven Schreiber hatte in den Jahren zuvor dagegen eine tragendere Rolle.

Nagel: Sven über die Angriffsleistung der Jahre zuvor zu definieren, wäre falsch. Sven Schreiber ist mein wichtigster Spieler, in Abwehr und Angriff. Er macht keinen Unterschied zwischen Training und Spiel, auf ihn kann ich mich immer 100 Prozent verlassen und er hat als Persönlichkeit noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht. Er spielt 60 Minuten Abwehr. Im Angriff hat er durch Tim Götz, Robin Haller, Yessine Meddeb und Kevin Bitz Spitzenspieler neben sich, das und seine Rolle hat er so akzeptiert. Handball ist ein Mannschaftssport, das lebt er total. Für Sven steht das mannschaftliche Ergebnis immer im Vordergrund - von solchen Spielern träumt jeder Trainer.

Apropos - wovon träumen Sie künftig? Weiterhin von Handballhallen? Sie sagten ja, dass Sie das, was die SGL an Trainingsaufwand braucht, um sich weiterzuentwickeln, nicht mehr leisten können. Trotzdem erneuern Sie gerade Ihre A-Lizenz.

Nagel: Ich träume sicher mal von einem Sommerurlaub, den hatte ich so ja noch nie (lacht). Die A-Lizenz verliert man ja, wenn man die Fortbildungen nicht besucht. Und ich habe ja auch nie gesagt, dass ich nichts mehr machen will. Ich würde auch total gern Leutershausen noch weitermachen. Aber mit dem Zeitaufwand, den ich liefere, ist das nicht gut für Leutershausen. Es sind ja eben nicht nur vier Trainingseinheiten pro Woche, sondern auch Planung und Spielvorbereitung. Und individuelles Training, gerade für die jüngeren Spieler.

Stichwort jüngere Spieler: Der Rückzug der zweiten Mannschaft und damit der Verfall des kompletten Unterbaus in Leutershausen - hätte der nicht vermieden werden können?

Nagel: Das hätte nie passieren dürfen und das ist mein ganz großes Bedenken, wie die Verknüpfung zur ersten Mannschaft, gerade mit den jüngeren Spielern jetzt funktionieren soll. Leutershausen war nie nur die erste Mannschaft. Es war immer die Kombi aus zweiter Mannschaft und A-Jugend. Das ist ein ganz gefährlicher Weg im Moment. Wenn sich jetzt nur alles auf die erste Mannschaft fokussiert, das passt nicht zu Leutershausen.

Aber war das nicht gerade das Problem, dass sich zu viel auf die erste Mannschaft fokussiert? Die Gefahr, dass die zweite Mannschaft zurückziehen muss, war ja leider absehbar

Nagel: Ja, das hatte sich vor der Runde angedeutet. Und das ist sicher auch dadurch bedingt, dass die verantwortlichen Personen, die sich um dieses gesamtpaket gekümmert haben, zeitlich begrenzt waren. Das hätte nie passieren dürfen, aber jetzt ist es passiert. Und jetzt ist es wichtig, da wieder etwas aufzubauen. Aber das kostet Zeit. Und das ist das, was den verantwortlichen Leuten fehlt.

Wo sehen Sie die SGL in fünf Jahren oder wo würden Sie sie gern sehen?

Nagel: Ich würde sie gern zwischen 3. und 2. Liga sehen, lieber natürlich in der 2. - und das auch mal in der neuen Arena in Heidelberg. Es haben alle anderen Vereine, die sich stabilisiert haben in der 2. Liga, sind diesen Weg gegangen. Ich hätte in dieser Siaosn auch sehr gerne das Oftersheim-Spiel gern in dieser Halle gesehen und glaube, dass da auch 1500 Zuschauer nicht unrealistisch gewesen wären. Da sollte man Erfahrungen machen, es gibt jedes Jahr Spiele, die man da machen könnte. Und wenn man den Weg Richtung 2. Liga gehen will, dann gehört so eine Halle dazu. Nur mit der Halle hier wird 2. Liga nicht machbar sein.

Eine 2. Liga ohne Unterbau ist allerdings nicht denkbar. Und in der Situation, in der die SGL jetzt ist, wird das ohne die Kooperation mit einem anderen Verein nicht funktionieren.

Nagel: Zusammenarbeit ist ein Punkt, es wird ja immer vom Bündeln der Kräfte gesprochen. Aber das heißt dann eben auch, dass nichts wegfallen darf beim Zusammenlegen, dass am Ende nicht weniger handelnde Personen da sind, als wenn beide Vereine für sich weitermachen würden. Ein Kräftebündeln ist es nur dann, wenn am Ende gute Leute mit Ahnung mehr Zeit investieren können.

Ist die Erwartungshaltung der jungen Spieler, sofort den Sprung in eine erste Mannschaft zu schaffen, gestiegen?

Nagel: In allererster Linie ist es Job von Trainern, Eltern und Spielern, die jungen Spieler zu führen. Da ist es sicher so, dass man etwas mehr Gefühl haben muss, als früher. Aber die Kids sind gut. Das sehe ich nicht nur im Sport, sondern auch in meinem Lehrerdasein so. Ich bewundere jeden Jugendlichen, der durch diese letzten Jahre mit diesen Einschränkungen durchgegangen ist. Und auch jetzt trainieren hier wieder junge Männer mit, die mit der entsprechenden Unterstützung ihren Weg gehen werden.

Was werden Sie am meisten vermissen?

Nagel: Die Arbeit mit der Mannschaft, das sind schon spezielle Beziehungen, die sich entwickelt haben. Und natürlich das Gesamtpaket am Wochenende: Coaching, nervös in der Kabine stehen, die Atmosphäre in der Halle zu genießen und im besten Fall ein gutes Ergebnis stehen zu haben, das wird fehlen.