Weinheim

Stühlerücken im Weinheimer Gemeinderat

In Weinheim werfen die Kommunalwahlen ihre Schatten voraus – nicht nur bei der CDU, die ab sofort ein Fraktionsmitglied weniger hat, sondern auch bei der Linken und bei den Freien Wählern.

Der Weinheimer Gemeinderat musste sich gestern Abend mit einer neuen Sitzordnung befassen, nachdem Matthias Hördt die Fraktion der Linken verlassen hat und Dr. Thomas Ott nicht mehr der CDU-Fraktion angehört. Foto: Carsten Propp
Der Weinheimer Gemeinderat musste sich gestern Abend mit einer neuen Sitzordnung befassen, nachdem Matthias Hördt die Fraktion der Linken verlassen hat und Dr. Thomas Ott nicht mehr der CDU-Fraktion angehört.

In der Weinheimer Kommunalpolitik ist derzeit reichlich Bewegung „zwischen den Fronten“. Besonders augenfällig wurde das am Mittwochabend, als sich der Gemeinderat eine neue Sitzordnung geben musste.

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Matthias Hördt hat die Linken-Fraktion verlassen, will sein Stadtratsmandat aber bis zum Ende der Wahlperiode behalten. Diesen Weg hatte schon 2020 Susanne Tröscher eingeschlagen, als sie aus der CDU-Fraktion wegen inhaltlicher Differenzen beim Klima- und Landschaftsschutz austrat. Und Dr. Thomas Ott, der bisher ebenfalls der CDU-Fraktion angehörte, will auch nicht auf sein Mandat verzichten, obwohl er sich bei der nächsten Kommunalwahl – wie gestern berichtet – den Freien Wählern anschließen möchte.

"Einen sauberen Schnitt machen"

In der CDU-Fraktion kann Ott jedenfalls nicht bleiben, wie Fraktionsvorsitzender Heiko Fändrich am Mittwoch auf WN-Anfrage erklärte. Die Fraktion sei der Meinung, dass man „jetzt einen sauberen Schnitt machen sollte“. Persönlich bedauere er Otts Entscheidung, so Fändrich – nicht nur, weil die CDU-Fraktion dadurch auf sechs Stadträte schrumpft und damit weiter an Einfluss im Gemeinderat verliert, sondern auch wegen der guten Zusammenarbeit mit ihm in den vergangenen Jahren. Einen Nachfolger für Ott als stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden werde man in den nächsten Wochen wählen.

Richtungsstreit in der CDU

Dass Ott sein Mandat als Einzelstadtrat bis zum Ende der Wahlperiode behalten wolle, nehme man zur Kenntnis, sagte der Fraktionsvorsitzende. Dies zu kommentieren, überlasse er dem Vorsitzenden des CDU-Ortsverbandes Weinheim, Hans-Peter Masuch, auf dessen Liste Ott ja kandidierte und 2020 als Nachrücker für den CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Holger Haring in den Gemeinderat einzog. Masuch äußerte sich zurückhaltend: Seines Erachtens wäre es folgerichtig, wenn Ott sein Mandat niederlegen würde. Das wäre auch eine „Frage der Glaubwürdigkeit“. Aber letztlich liege die Entscheidung bei Ott selbst.

Dazu muss man wissen, dass sowohl Ott als auch Fändrich die Gründung des CDU-Stadtverbands Zweiburgen aktiv unterstützt hatten, mit dem die Ortsverbände aus den Ortsteilen auf Distanz zum Ortsverband Weinheim gehen wollten. Denn der Ortsverband war immer wieder mit Äußerungen angeeckt, die eher zur Werteunion passten. Trotzdem erklärte das CDU-Landesparteigericht kürzlich die Neugründung für unwirksam, da sie nicht mit der Satzung der CDU in Einklang zu bringen sei. Während Ott diese Entscheidung zum Anlass genommen hat, sich eine neue politische Heimat zu suchen, will Fändrich Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Sulzbach bleiben, auch wenn er „natürlich enttäuscht“ sei über den Beschluss des Parteigerichts. Letztlich müsse er das aber akzeptieren.

Die Ortsverbände der Ortsteile würden nun in Mitgliederversammlungen klären, wie eine Zusammenarbeit mit dem „alten“ Stadtverband aussehen könnte. „Wir werden einen Weg finden müssen, da die Kandidaten für die Kommunalwahlen 2024 ja auf jeden Fall in einer gemeinsamen Versammlung gewählt werden“, machte Fändrich deutlich. Ob er selbst noch einmal kandidieren wird, ließ Fändrich offen: „Das hat aber rein private Gründe und nichts mit der Partei zu tun“, betonte der Sulzbacher.

Seit dem Beschluss des Parteigerichts habe es noch keine Gespräche mit dem Stadtverband gegeben. Beide Seiten würden erst einmal abwarten, bis der Beschluss des Parteigerichts rechtskräftig wird – voraussichtlich Anfang November. Er gehe davon aus, dass dann auch formal die Ortsverbände der Ortsteile wieder Mitglied des Stadtverbands Weinheim seien und deren Vertreter dessen Vorstand angehören. In diesem Kreis wären dann die nächsten Schritte zu besprechen, um die Weinheimer CDU aus der Krise zu führen. Angesichts des seit Jahren schwelenden Richtungsstreits zwischen dem Ortsverband der Kernstadt und den Ortsteilen dürfte das schwierig werden.

Komplizierte Verhältnisse

Doch nicht nur in der CDU werfen die Kommunalwahlen längst ihre Schatten voraus. Am Freitag wollen sich die Freien Wähler (FW) bei einer Pressekonferenz unter anderem dazu äußern, wie sie mit den Aufnahmeanträgen der CDU-Mitglieder umgehen werden. Neben Ott haben ja auch die früheren Zweiburgen-Vorstände Christian Lehmann und Cathérine Schleicher öffentlich erklärt, dass sie sich künftig bei den FW engagieren wollen. Doch der FW-Vorstand will unbedingt den Eindruck vermeiden, bei den Wählern als „Partei“ wahrgenommen zu werden. Zu ihrer DNA – das betonen sie immer wieder – gehört ja gerade die Parteiunabhängigkeit.

Und mit der neuen Wählervereinigung „Mehr Demokratie in Weinheim“ (WMD) wird es bei den Kommunalwahlen im Juni 2024 voraussichtlich einen weiteren Mitbewerber geben. Dass dort sowohl Hördt (früher Linke) als auch Tröscher (früher CDU) antreten wollen, macht es für die Wähler nicht übersichtlicher, zumal beide ihr Gemeinderatsmandat, das sie über die Listen ihrer Ex-Parteien erlangt haben, weiter wahrnehmen und damit quasi schon jetzt der WMD zu zwei Sitzen im amtierenden Gemeinderat verholfen haben.

Dass Tröscher und Hördt, aber auch die Stadträte Elisabeth Kramer (Grüne) und Dr. Wolfgang Wetzel (FDP) bei der Gründung der Bürgerinitiative „Naherholung Waidsee“ dabei waren, die den Gemeinderatsbeschluss zum Start des Verfahrens für den Bau eines Hotels und eines Parkdecks am Waidsee mit einem Bürgerbegehren kippen will, zeigt, wie kompliziert die politischen Verhältnisse in Weinheim knapp acht Monate vor den nächsten Kommunalwahlen sind.

Die aktuelle Sitzverteilung

Bis dahin – oder zumindest bis zur nächsten Überraschung – sieht die Sitzverteilung im Gemeinderat wie folgt aus: Die Grünen haben neun Sitze, die Freien Wähler acht, die SPD und die CDU jeweils sechs, die FDP zwei. Die Linke verliert ihren Fraktionsstatus und ist mit Dr. Carsten Labudda vertreten. Hinzu kommen als weitere Einzelstadträte Hördt, Tröscher und Dominic Ranzenberger, der 2022 über die „Deutsche Liste“ für den verstorbenen Günter Deckert nachrückte, von dessen rechtsextremen Ansichten er sich freilich distanzierte.