Weinheim

Gemeinderat Weinheim: Für viele eine echte "Qual der Wahl"

Am 9. Juni wird in Weinheim der neue Gemeinderat gewählt. Das Verfahren nennt sich "unechte Teilortswahl" und hat so seine Tücken. Wir erklären, was dahintersteckt.

Sieben Parteien und Wählervereinigungen treten bei der Weinheimer Gemeinderatswahl an. Auf dem Bild zeigt unsere Volontärin Amelie Michel die sogenannten „Fahnen“. Foto: Carsten Propp
Sieben Parteien und Wählervereinigungen treten bei der Weinheimer Gemeinderatswahl an. Auf dem Bild zeigt unsere Volontärin Amelie Michel die sogenannten „Fahnen“.

Wenn am 9. Juni der neue Weinheimer Gemeinderat gewählt wird, dann sind die Herausforderungen für die Bürger besonders groß. Denn Weinheim ist mittlerweile die einzige Stadt an der nördlichen Bergstraße, bei der noch die „unechte Teilortswahl“ zur Anwendung kommt. Damit wird den Anfang der 1970er-Jahre eingemeindeten Ortsteilen eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Weinheimer Gemeinderat garantiert.

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Insgesamt sind 34 Stadträte zu wählen – 23 aus der Weinheimer Kernstadt, 2 aus dem Wohnbezirk Hohensachsen/Ritschweier, 4 aus Lützelsachsen, 2 aus Oberflockenbach, 1 aus Rippenweier und 2 aus Sulzbach.

„Unecht“ ist diese Verfahren deshalb, weil sämtliche Bewerber von allen Stimmberechtigten gewählt werden können – also unabhängig vom eigenen Wohnort. Allerdings gibt es eine Einschränkung: In jedem Wohnbezirk darf man nur so vielen Bewerbern Stimmen geben, wie dort Stadträte zu wählen sind.

Klingt kompliziert, aber auf den amtlichen Stimmzetteln wird darauf zumindest auch noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Was es nicht leichter macht: Man darf bei den Kommunalwahlen einem Bewerber bis zu drei Stimmen geben („kumulieren“) und seine Stimmen auch auf Bewerber verschiedener Listen verteilen („panaschieren“).

Hoher Anteil ungültiger Stimmen

Das Problem: Wenn man nicht höllisch aufpasst, kann es passieren, dass man insgesamt mehr als 34 Stimmen vergibt oder in einem Wohnbezirk zu vielen Bewerbern Stimmen zukommen lässt.

In der Vergangenheit hat das komplizierte Wahlverfahren in Weinheim regelmäßig dazu geführt, dass bei Gemeinderatswahlen jeweils mehr als 1000 Stimmzettel ungültig waren. Aber immerhin sinkt die Quote kontinuierlich: 2009 waren 6,1 Prozent aller abgegebenen Stimmzettel ungültig. 2014 lag diese Quote bei 5,9 Prozent. 2019 waren es 5,5 Prozent. Das ist auch der Grund, warum alle Stimmzettel den Bürgern zusammen mit Merkblättern vor der Wahl nach Hause geliefert werden, damit man idealerweise die Stimmzettel daheim in aller Ruhe ausfüllen (und nachrechnen) kann.

Für Vorsichtige

Wer wählen möchte, aber keine Lust auf „Rechenspiele“ hat, sollte sich für die einfachste Variante entscheiden: den unveränderten Stimmzettel. Man wählt eine Partei oder Wählervereinigung aus, trennt diese an der Perforation ab und legt sie in den Umschlag. Mit dem unveränderten Stimmzettel geht man als Wähler auf Nummer sicher. Alle abgegebenen Stimmen sind gültig, und man muss nicht selbst rechnen. Fertig.

Das funktioniert nicht nur beim Gemeinderat, sondern auch bei der Kreistagswahl und bei den Ortschaftsratswahlen. Jeder Kandidat auf der abgetrennten Liste erhält eine Stimme – jeweils bis zu dem Listenplatz, der der Anzahl der zu vergebenden Mandate in den Wohnbezirken entspricht.

Doch es gibt einen Wermutstropfen bei dieser Variante: Nicht alle Listen verfügen über genügend Kandidaten, um die Höchstzahl der möglichen Stimmen zu vergeben. Wer deren Stimmzettel unverändert abgibt, verschenkt also Stimmen. In Weinheim sind 34 Stadträte für den Gemeinderat zu wählen. Jeder Wähler hat daher 34 Stimmen. Die Linke hat allerdings nur 22 Kandidaten, die FDP 23, und die Wählervereinigung Mehr Demokratie (WMD) 18.

Für Fortgeschrittene

Wer sich zwar auf eine Partei oder Gruppierung festgelegt hat, aber seine Stimmen nicht gleichmäßig verteilen möchte, hat bei der Kommunalwahl folgende Möglichkeit: Er kann bis zu drei Stimmen pro Kandidat vergeben – das nennt man Kumulieren. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „Anhäufung“. Aber Vorsicht: Wenn man einmal damit angefangen hat, eine Zahl zwischen 1 und 3 hinter einen Namen zu schreiben, dann muss man das auch durchziehen, sonst verschenkt man Stimmen. Denn nur ausdrücklich als gewählt gekennzeichnete Kandidaten erhalten auch gültige Stimmen. Das Durchstreichen von Bewerbern, denen man keine Stimme geben möchte, genügt also nicht. Und man muss natürlich selbst die Anzahl der abgegebenen Stimmen addieren. Mehr als 34 Stimmen dürfen es nicht sein.

Für Experten

Nun haben Kommunalwahlen ja den besonderen Charme, dass man häufig einige Kandidaten persönlich kennt und ihnen Stimmen zukommen lassen möchte, selbst wenn sie unterschiedlichen Parteien und Wählervereinigungen angehören. Das ist möglich, aber eben etwas komplizierter. Das nennt man Panaschieren. Das Wort stammt aus dem Französischen und bedeutet „farbig machen, mischen“.

Auch hierbei gilt: Man kann jedem Bewerber 1 bis 3 Stimmen geben. Erste Möglichkeit: Man notiert auf den unterschiedlichen Bewerberlisten der Parteien („Fahnen“) hinter dem Namen eine Zahl von 1 bis 3. Dabei muss man darauf achten, dass die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Stimmen nicht überschritten wird.

Die zweite Möglichkeit macht etwas mehr Arbeit, ist aber übersichtlicher: Man trennt die „Fahne“ der Partei ab, bei der man die meisten Kandidaten wählen will und notiert in den freien Zeilen auf der Liste handschriftlich die Namen der Bewerber anderer Parteien und kennzeichnet, wie viele Stimmen man ihnen geben will. Vorsicht: Man muss dabei die Wohnbezirke beachten. Und auch hier gilt: Nur ausdrücklich mit einer Zahl zwischen 1 und 3 gekennzeichnete Kandidaten erhalten gültige Stimmen.

Die Stadt Weinheim hat weitere Infos und Erklärvideos auf ihrer Homepage.