Oberlandesgericht

Prozess gegen IS-Rückkehrerin: «Ich war so dumm»

Sie soll im syrischen Bürgerkriegsgebiet Kuchen für den IS gebacken und ihre Kinder in Gefahr gebracht haben: Eine 33 Jahre alte Frau steht in Frankfurt wegen des Vorwurfs der IS-Mitgliedschaft vor Gericht. Heute sieht sie ihren damaligen Weg anders.

Blick auf die Justitia über dem Eingang eines Landgerichts. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild
Blick auf die Justitia über dem Eingang eines Landgerichts.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat am Montag der Prozess gegen eine 33 Jahre alte Frau aus Mittelhessen begonnen, die sich wegen Mitgliedschaft bei der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verantworten muss. Ihr wird außerdem die Verletzung der Fürsorgepflicht vorgeworfen.

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Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft warf der Frau vor, im Frühjahr 2016 mit ihren beiden kleinen Söhnen nach Syrien ausgereist zu sein, um sich dem IS anzuschließen. Dort habe sie ihren Mann getroffen, der sich schon im Herbst 2014 dem IS in Syrien angeschlossen habe. Die Angeklagte soll sich bereits als 17 Jahre alte Schülerin radikalisiert haben. In Syrien soll sie laut Anklage für den IS selbstgebackenen Kuchen und andere Süßigkeiten auf Märkten verkauft haben.

In einer ausführlichen, durchaus nachdenklichen Einlassung und zum Teil unter Tränen schilderte die Frau den Weg, der sie zum islamischen Extremismus geführt hatte: Eine eher wilde Zeit als nach eigenen Angaben frühreifer Teenager mit Parties und Alkohol, der buchstäblich Ernüchterung folgte. Sie habe sich «leer» gefühlt, sagte sie. «Es war ein sehr oberflächliches Leben.»

Für Religion habe sie sich schon immer interessiert, während ihre Eltern eher religiös indifferent gewesen seien. Mit 13 Jahren habe sie sich taufen und konfirmieren lassen, doch mit 16 oder 17 Jahren habe sie zunehmend Zweifel an Widersprüchen in der Bibel und einigen Glaubensleeren entwickelt. Gespräche mit einem jungen Muslim hätten ihr Interesse am Islam geweckt, den sie wegen seiner «ganz klaren Regeln» gut gefunden habe, ebenso das Verbot von Alkohol. «Es hat Sinn ergeben», sagte die Angeklagte, die das dunkelblonde Haar im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammengebunden hatte.

In der Zeit der Hinwendung zum Islam und einer Heirat nach islamischem Ritus noch im Teenageralter sei es auch zu Spannungen mit Mitschülern und ihren Eltern gekommen, insbesondere als sie anfing, auch in der Schule ein Kopftuch zu tragen. Ihre Eltern hätten sie «mehr oder weniger rausgeschmissen». Die früh geschlossene Ehe wurde bald geschieden, doch in einem Chat lernte sie dann den späteren Vater ihrer Kinder kennen. Nach der ersten persönlichen Begegnung ließen sie sich wenige Tage später, erneut nach islamischem Ritus, trauen. «Ich war nicht verliebt, ich fand ihn nett», sagte sie am Montag.

Über die Tatsache, dass ihr Mann nicht an seinen damaligen Wohnort in England zurückkehren konnte, habe sie nicht weiter nachgedacht. Auch ein Umzug nach Kairo war für sie zunächst einmal eine Gelegenheit, Arabisch zu lernen und «nicht mehr schief angeschaut zu werden.» Als sich während des arabischen Frühlings die Sicherheitslage in Ägypten verschlechterte, entschloss sich das Paar, das mittlerweile einen kleinen Sohn hatte und ein zweites Kind erwartete, nach Deutschland zurück zu kehren.

Als traumatisches Erlebnis schilderte die Angeklagte, wie kurz vor der geplanten Wohnungsauflösung bewaffnete Uniformierte und mit Sturmhauben maskierte Männer die Wohnung aufbrachen, sie und ihr Kind mit Waffen bedrohten und ihren Mann verprügelt und gefesselt mit sich nahmen. Dass ihr Mann unter Terrorverdacht stehen könne, sei ihr damals ebenso wenig klar gewesen wie nach seiner Freilassung aus einem ägyptischen Gefängnis, als er auf dem Flughafen von Istanbul festgenommen wurde. Damals erfuhr sie, dass er auf einer Interpol-Liste stehe.

Sie sei damals naiv gewesen, sagte die Angeklagte unter Tränen. «Ich war so dumm. Wenn ich meine Geschichte jetzt erzähle, denke ich manchmal, ich erzähle nicht von mir, weil es so verrückt ist, echt crazy.»

Die Verhandlung soll am 31. März mit weiteren Angaben der Angeklagten fortgesetzt werden - dann könnte es auch um die Ausreise nach Syrien gehen.