Weinheim

Weinheimer Harald Schwarzer: Ein Spenderherz ist seine letzte Rettung

Harald Schwarzer, ein 71-jähriger Weinheimer, hat eine bemerkenswerte Geschichte zu erzählen. Nach einer Nahtod-Erfahrung und einer langen Leidensgeschichte, die mit Atemnot beim Treppensteigen begann, fand er sich auf der High-Emergency-Liste für Herztransplantationen wieder.

Der Weinheimer Harald Schwarzer erhielt 2014 ein neues Herz. Heute ist er ein zufriedener, belastbarer und sehr dankbarer Mann. Foto: Marco Schilling
Der Weinheimer Harald Schwarzer erhielt 2014 ein neues Herz. Heute ist er ein zufriedener, belastbarer und sehr dankbarer Mann.

„Vor dem Tod habe ich keine Angst mehr“, sagt Harald Schwarzer, seit er das berühmte weiße Licht am Ende des Tunnels gesehen hat. Ein Herzstillstand mit anschließender Reanimation brachte ihm die Nahtod-Erfahrung.

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Die Leidensgeschichte des Weinheimers begann vor 16 Jahren, als der damals 55-Jährige beim Treppensteigen immer häufiger außer Atem geriet. „Ich habe immer viel Sport getrieben, mich gesund ernährt und keinerlei Medikamente genommen“, erzählt er. Deshalb kam die Diagnose „Kardiomyopathie“, eine Veränderung des Herzmuskels, aus heiterem Himmel.

„Mein Herz pumpte und pumpte, transportierte jedoch nicht genug Blut in meine Organe.“ Durch die Herzschwäche waren auch die Nierenwerte im Keller. Sechs Jahre lebte Schwarzer mit vielen Medikamenten und Krankenhausaufenthalten, bis er sich so schwach fühlte, dass er seine Arbeit als rechtlicher Betreuer aufgeben musste. Schließlich war seine Herzleistung so gering, dass er in der Kardio-Intensiv-Abteilung der Heidelberger Uniklinik landete und auf die High-Emergency-Liste für Herztransplantationen gesetzt wurde. „Ich hatte große Angst, als ich hörte, dass ein Spenderherz meine einzige Rettung sei“, erzählt der heute 71-Jährige. Noch mehr habe seine Frau unter Ängsten gelitten. Nur seine Tochter blieb gelassen. „Ach Papa, das Herz ist auch nur ein Muskel“, habe sie ihn versucht zu trösten.

Banges Warten

Für Harald Schwarzer und seine Familie hieß es nun warten und bangen, denn nicht nur das Spenderherz muss von der Größe her zum Empfänger passen, es müssen auch bis zu 180 Labor-Parameter übereinstimmen. „Ich war bereits so schwach, dass ich mich nicht einmal mehr alleine waschen konnte“, erinnert sich Schwarzer. Für immer wird ihm der 24. Februar 2014 im Gedächtnis bleiben. „Es war ein Sonntag, so gegen 15.30 Uhr, als ich zusammen mit meiner Frau versuchte, auf dem Klinik-Gang ein paar Schritte zu gehen, neben mir der Wagen mit den Gerätschaften, die mich am Leben hielten.“ Plötzlich kam eine aufgeregte Schwester über den Gang gerannt. „Herr Schwarzer, Herr Schwarzer“, rief sie, „Ihr Herz ist im Anflug. Wir müssen uns beeilen, der Hubschrauber befindet sich schon über Stuttgart.“

Dann ging alles ganz schnell

In Windeseile wurde er für die Operation vorbereitet. „Ich weiß noch, dass ich nicht besonders aufgeregt war, sondern nur eine große Dankbarkeit empfand, zumal es quasi Rettung in letzter Minute war. Meine Herzleistung betrug gerade noch sechs bis neun Prozent.“

Als er sich von seiner Frau verabschiedete, war es 23 Uhr. Wie er hinterher erfuhr, dauerte die Transplantation zwischen sieben und acht Stunden. „Mit dem Hahnschrei“ kam er auf die Station zurück. So drückte sich jedenfalls der Arzt aus, der gegen 6 Uhr seiner Frau Bescheid sagte.

Foto: Marco Schilling

Und wie ging es ihm, als er aus der Narkose erwachte? „Ich weiß nur, dass ich einen Riesenappetit auf ein Leberwurstbrot verspürte und ein lautes Klacken hörte, das mich an Faschingsmusik denken ließ.“ Wie sich herausstellte, stammte das Geräusch von dem Kunstherz einer Frau, die neben ihm auf der Intensivstation lag.

„Wer nun denkt, dass man sich unmittelbar nach einer Herztransplantation wie neu geboren fühlt, liegt völlig falsch“, erzählt Harald Schwarzer weiter. „Durch das lange Liegen war meine Muskulatur praktisch nicht mehr vorhanden. Also dauert das Mobilisieren durch Übungen und Physiotherapie alleine sechs Wochen. Zusammen mit dem Reha-Aufenthalt waren es noch mal sieben Monate, bis ich mich einigermaßen bewegen konnte. Hinzu kam die psychische Belastung, da mich jeder mitleidig ansah. Denn durch das Kortison, das gegen die Abstoßung verabreicht wird, war ich völlig aufgeschwemmt.“

Täglich über 20 Tabletten

Abgesehen davon, dass ein Herztransplantierter täglich über 20 Tabletten nehmen muss – und das ein Leben lang –, stellt die Ernährung die größte Herausforderung dar. Alkohol und Zitrusfrüchte sind nur Beispiele auf einer langen Verbotsliste. „Zum Beispiel kann die Säure einer einzigen Grapefruit die Wirkung der Suppressiva (Abstoßungshemmer) völlig zerstören“, erklärt Schwarzer. Auch biologisch angebautes Obst und Gemüse sind tabu, da etwaige Keime ebenfalls katastrophale Schäden anrichten können.

Trotz all der Einschränkungen ist Harald Schwarzer heute ein zufriedener und vor allem belastbarer Mann. Er läuft täglich seine 12 000 Schritte. Und bei den Radtouren, die er zusammen mit seiner Frau unternimmt, beträgt das Tagespensum 60 bis 80 Kilometer. Schwarzer liebt Gartenarbeit und berät außerdem Betroffene als Vorsitzender des Weinheimer Vereins „Herztransplantation Südwest“, der gerade sein 30-jähriges Bestehen feierte.

Ein Wunsch bleibt

Wie alle Menschen, denen ein Spenderorgan ein neues Leben schenkte, hätte auch er sich gerne bei der Familie des Menschen bedankt, dessen Herz bis heute zuverlässig in seiner Brust weiterschlägt. „Ich weiß nur, dass es ein zehn Jahre jüngerer Mann war.“ Doch das Transplantationsgesetz verbietet, dass sich Organempfänger und Spenderfamilien kennenlernen. Einen Dankesbrief hat Harald Schwarzer trotzdem geschrieben und ihn anonym an die DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantationen) geschickt.

„Was ich mir noch wünsche“, sagt Harald Schwarzer am Schluss des Gesprächs, „dass man auch bei uns, wie in Frankreich und Schweden, automatisch als Organspender gilt, vorausgesetzt, man hat zu Lebzeiten keine ausdrückliche Weigerung festgelegt.“