Weinheim

Mal kein Blues: Poetry Slam im Weinheimer Muddys Club

Die erste Schlacht der Dichter in Muddy´s Club wird zu einem gelungenen Remake des Weinheimer Poetry Slams. Es soll eine Fortsetzung geben.

Tobias Schill aus Karlsruhe gewann den Poetry Slam im Muddy's Club. Foto: Margit Raven
Tobias Schill aus Karlsruhe gewann den Poetry Slam im Muddy's Club.

Eines steht fest: Die erste Dichterschlacht in den rustikalen Mauern des Weinheimer Muddy´s Club war nur der Auftakt einer Reihe, die ab dem kommenden Jahr zu einem festen Programmpunkt werden soll. Mit fünf wortgewaltigen Slammern, dem Weinheimer Poeten Karsten Hohage als Slammaster und einem Publikum, das voller Begeisterung die Schiedsrichter-Rolle übernahm, konnte man von einem wahrhaft gelungenen Literaten-Turnier sprechen.

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Hohage, genannt „Grohacke“, übernahm neben der Moderation das in der Szene übliche Amt des Opferlammes. Das ist der Wortkünstler, der mit seinem Text die Schlacht anheizen soll und außerhalb der Wertung liegt. Wer Hohage, die baumlange, wortgewaltige Plaudertasche kennt, weiß, dass er mehr drauf hat, als die Publikums-Wertungen an sein „analoges Whiteboard“ zu schreiben. Seine Performance über „gestandene Männer“ mit Bierbäuchen, die ihre testosteron-getränkten Fleischfetzen auf dem Weber-Grill verkohlen lassen, sorgte, trotz Wertungsfreiheit, für den ersten donnernden 10-Punkte Applaus.

Der Weinheimer Karsten Hohage räumte beim Poetry Slam im Muddy's Club den ersten 10-Punkte-Applaus ab. Foto: Margit Raven
Der Weinheimer Karsten Hohage räumte beim Poetry Slam im Muddy's Club den ersten 10-Punkte-Applaus ab.

Aus Karlsruhe trat der Lehrer Tobias Schill als erster regulärer Wortkämpfer in den Ring. So abenteuerlich bunt wie sein Outfit waren auch seine Texte. Denn wer trifft im Zug schon Christian Lindner, der gerade den Stuttgarter Hauptbahnhof gekauft hat oder ein Kind mit E-Zigarette. „Dem habe ich gleich mal eine richtige gedreht“. Rolf Suter aus Weingarten kämpfte als zweiter Text-Athlet um den ersten Preis, „eine Miniaturflasche Schnaps“. Suter, gleichzeitig Slam-Organisator mit Schwerpunkt „Literatur an ungewöhnlichen Orten“ wie die JVA, las über das, was man bei einem gestandenen Slammer nicht vermutet, nämlich „Schreibblockaden“. „Wenn Papier bluten könnte, würde ich kleine O-Löcher hinein hämmern“.

Brillanter Wortwitz beim Poetry Slam

Ein Poetry Slam lebt auch von der Vielfalt seiner Vorträge. Wirkten bei manchen Slammern die Wortsalven wie aus der Kalaschnikow geschossen, so gab sich Thomas Ring aus Stuttgart eher betulich, jedoch mit einem brillanten Wortwitz, als er von seiner griechischen Stammkneipe erzählte, in dem der Souvlaki-Spieß mit kleinem Salat ebenso eintönig war wie der Sirtaki aus dem Lautsprecher. Nach dem Motto “Ein Poetry Slam trifft alle Töne der Zeit” brachte Fatih Serbest aus Mainz Tiefsinn und Melancholie auf die Bühne. Seine einst große Familie verglich er mit Panini-Sticker-Alben, die Stille seiner Abende mit Scherben, die ihm in den Kopf schneiden.

Die einzige Frau unter den Poetry Slammern

Als einzige Frau in der Männerriege behauptete sich Therese Degen aus Stuttgart, die mit sprachlicher Finesse und wortakrobatischen Kunststücken aus ihrem “Schrödinger-Zyklus” las. Ihre Katze, die so viele Haarballen auswürgt, nennt sie “Kotze” und ihren Blinddarm hält sie in Ehren. “Dann steht mir ja vielleicht noch der Durchbruch bevor”. Es war nicht einfach, den Sieger unter all den High-Performern der Wortkunst mit wechselnder Lautstärke heraus zu klatschen oder sie, im Gedenken an ehemalige Eislaufrichter, mit Nummernschildern von eins bis zehn zu bewerten. Schwer war es auch, die vorgeschriebenen sieben Minuten bei all den kunstvollen Wortgetümen einzuhalten.

Aus der Siegerrunde ging schließlich mit extradonnerndem Applaus Tobias Schill hervor. Dem etwas schrägen Lehrer hatte der Slammaster sogar das Smartphone als Lesegerät gestattet, obwohl Requisiten jeglicher Art beim Poetry Slam nicht erlaubt sind. Doch ein wenig digitale Aufrüstung dürfte dem Ruf der Spoken-Word-Kämpfer nicht schaden. Das Publikum zeigte seine Begeisterung mit minutenlangem Applaus für das bunte Poeten-Kaleidoskop mit seinen kunstvoll inszenierten Wortgebilden.