Fußball

Baller League: "Coole Sache" oder doch nur Heuchelei?

Das denken Odenwälder Fußballer über die neue Baller League, die von Lukas Podolski und Mats Hummels gegründet wurde. Ist das wirklich die Zukunft des Fußballs?

Durch die Baller League ist der Fußball in Bewegung gekommen. Foto: Simon Hofmann
Durch die Baller League ist der Fußball in Bewegung gekommen.

Kolossale Fehleinschätzungen gab es in der Geschichte der Menschheit schon immer. Noch im Jahr 2001 war sich zum Beispiel der Zukunftsforscher Matthias Horx sicher, dass das Internet „kein Massenmedium“ würde. Wie steil sind also Thesen, die innovative Konzepte wie die Baller League als die Zukunft des Fußballs preisen?

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Als „neue Ära des Fußballs“ kündigt sich die Baller League selbst auf ihrer Website an: „Denn alles begann auf den Bolzplätzen der Nation.“ Die Resonanz auf die Hallenfußball-Liga, die Ende 2023 von Mats Hummels und Lukas Podolski ins Leben gerufen wurde, lässt aufhorchen. Allein auf der Streaming-Plattform Twitch klicken mehr als 2,4 Millionen User auf das Spieltagsvideo an Montagen.
Vor dem Ligastart im Januar bewarben sich zudem mehr als 16 000 Amateurkicker um einen Platz in den zwölf Mannschaften, die von Ex-Profis wie Max Kruse und Kevin-Prince Boateng, Comedians wie Felix Lobrecht oder YouTube-Stars wie den Mannheimern Timo Schulz und Simon Bechtold („Tisi Schubech“) zusammengestellt werden.


Baller League denkt mit Regeln per Zufallsgenerator den Fußball neu


Mit per Zufallsgenerator bestimmten Regeln wie „Nur noch ein Kontakt in der gegnerischen Hälfte“ oder „Abseits ist aufgehoben“ für die letzten Minuten einer Halbzeit denkt die Baller League den Fußball neu. Reiner Held bezweifelt allerdings, dass es solche Formate über den Unterhaltungsfaktor hinaus schaffen werden.

„Ich wäre da sehr reserviert“, sagt der Kreisfußballwart.
Held ist keineswegs jemand, der sich gegen Neuerungen stellt. Das hat der 67-Jährige mit seinem Einsatz für Spielformen wie Funino oder Gehfußball immer wieder bewiesen. Auch bei der TV-Übertragung der Baller League hat der Bürstädter schon eingeschaltet. Sein Fazit fällt trotzdem eindeutig aus. „Den regulären Fußball wird das nicht groß tangieren – außer dass vielleicht der ein oder andere Spieler in den oberen Amateurklassen wegbricht“, glaubt Held.

TV-Kommentator und Fußball-Experte Sebastian Kneißl aus Fürth erwartet künftig noch mehr Formate wie die Baller League. Foto: Philipp Reimer Fotografie
TV-Kommentator und Fußball-Experte Sebastian Kneißl aus Fürth erwartet künftig noch mehr Formate wie die Baller League.


Mehr als die Baller League beschäftigt Held die Frage, wie lange der Amateurfußball im Kreis Bergstraße noch in der gewohnten Form fortbestehen wird. Konzepte wie das „Norweger-Modell“, bei dem sich Mannschaften mit sieben oder neun statt mit elf Spielern gegenüberstehen, seien in Nordhessen schon Realität, berichtet der scheidende Kreischef. „Das ist eine Entwicklung, die vielleicht gar nicht mehr so weit weg ist“, betont Held.


Sebastian Kneißl: Künftig mehr dieser Formate zu sehen


Für DAZN-Kommentator Sebastian Kneißl ist die Baller League ein spannendes Konzept. „Wir werden zukünftig mehr dieser Formate sehen. Icon League kommt bald an den Start. Diese Form des Fußballs ist kurzweiliger und näher an der jüngeren Zielgruppe, da nur noch wenige ein Spiel über die kompletten 90 Minuten schauen. Es ist nicht die Zukunft. Es ist ein weiterer Baustein“, sagt der TV-Experte, der selbst Profi beim FC Chelsea war. Für den ehemaligen Juniorennationalspieler steht indes fest, „dass der Fußball, wie wir ihn kennen, fortbesteht und größer als Futsal oder Baller League bleibt“.
An ein erneutes Comeback in der Baller League denkt der 41-jährige Fürther, der noch vor ein paar Monaten beim SV Lörzenbach aushalf, allerdings nicht.

Jochen Ingelmann, Trainer des Kreisoberliga-Spitzenreiters SV Fürth, hat sich mit der Baller League noch nicht beschäftigt, wie er zugibt. „Ich habe nur ab und zu Videoszenen gesehen, wie Ailton oder Mike Hanke in offensichtlich nicht sehr fittem Zustand dort mitspielen – das hat mir schon gereicht als Grund, sich damit nicht zu befassen“, sagt Ingelmann mit einem Schmunzeln.

Nico Hammann: Keine Zeit zum Zugucken


Auch Nico Hammann, Spielertrainer des Verbandsliga-Tabellenführers SV Unter-Flockenbach, kann nicht viel über die Baller League sagen. „Das ist nicht so meine Materie. Aber nicht, weil es mich nicht interessieren würde, sondern weil ich einfach keine Zeit habe, das zu gucken“, sagt der 36-jährige dreifache Familienvater und fügt an: „Eigentlich ist es ja eine coole Sache.“ Auf jeden Fall haben die Organisatoren eine Nische gefunden. Ob das für die Zukunft trägt, sei schwierig zu sagen.

Für Nico Hammann ist die Baller League „eine coole Sache“, Zeit zum Zuschauen hat der Spielertrainer des SV Unter-Flockenbach aber nicht. Foto: Fritz Kopetzky
Für Nico Hammann ist die Baller League „eine coole Sache“, Zeit zum Zuschauen hat der Spielertrainer des SV Unter-Flockenbach aber nicht.

Übrigens kennt der Ex-Profi – Hammann stieg unter anderem mit dem 1. FC Magdeburg in die 2. Liga auf – mit Moritz Leitner aus seiner Zeit bei 1860 München und Marc Rzatkowski aus Bielefeld zwei aktuelle Baller-League-Kicker. „Da gibt es sicherlich noch mehr. Aber bei den beiden habe ich es auf Insta-gram gesehen“, sagt Hammann.

Riza Aydogan: Früher waren die Jungs auf dem Bolzplatz


„Ob die Baller League die Zukunft ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist sie ein Teil der Vergangenheit“, sagt Riza Aydogan, Spielertrainer des A-Ligisten SV/BSC Mörlenbach. „Früher war es noch so, dass die Jungs auf dem Bolzplatz waren und der Straßenfußball das Leben geprägt hat. Das will man ja mit der Baller League wieder aufleben lassen.“

Mit 41 Jahren ist Riza Aydogan eigentlich im besten „Baller-League-Alter“, doch der Spielertrainer wird beim SV/BSC Mörlenbach gebraucht. Foto: Fritz Kopetzky
Mit 41 Jahren ist Riza Aydogan eigentlich im besten „Baller-League-Alter“, doch der Spielertrainer wird beim SV/BSC Mörlenbach gebraucht.

Der 41-Jährige, der selbst mit seiner herausragenden Technik besticht, findet das Modell sehr interessant. „Mit technischer Finesse und ohne taktisches Geplänkel – da geht einem doch das Herz auf“, sagt Aydogan. Als Familienvater, Trainer und nicht zuletzt als Arbeitnehmer komme es für ihn jedoch nicht in Frage, selbst mitzuspielen.

Okan Ceneli: Viel Werbung und wenig Verbundenheit


Okan Ceneli ist TikTok-Star und hat als okanfnw rund 400 000 Fans in den sozialen Netzwerken. Er spielt selbst beim B-Ligisten FSV Zotzenbach. Der Content-Creator weiß also, wovon er redet, wenn er sagt: „Die Baller League ist nicht die Zukunft des Fußballs, weil sie doch sehr eigen und individuell geprägt ist von einzelnen Personen – wie zum Beispiel die Mannschaft von MontanaBlack, die absolute Werbung für seinen Energydrink Gönrgy ist.“

Okan Ceneli hat in den sozialen Netzwerken mehr als 400 000 Fans. Der Rimbacher spielt selbst Fußball beim FSV Zotzenbach. Foto: Okan Ceneli
Okan Ceneli hat in den sozialen Netzwerken mehr als 400 000 Fans. Der Rimbacher spielt selbst Fußball beim FSV Zotzenbach.


Ceneli fehlt dabei die Verbundenheit und Tradition, die die junge Baller League zwangsläufig noch nicht haben könne. „Das ist etwas Nettes nebenher, um sich vielleicht auf Social Media eine gewisse Reichweite aufzubauen“, sagt Ceneli.
Allerdings könnten gerade jüngere Spieler vor einem großen Publikum ihr Können zeigen und sich möglicherweise für höhere Aufgaben empfehlen. Die Baller League unterstütze von daher den Fußball und gebe Straßenfußballern den Raum, um auf sich aufmerksam zu machen.


Marcus Lauer: „Das Modell berührt mich nicht“


Die Baller League interessiert Marcus Lauer überhaupt nicht. „Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, unser Schiff wieder auf Kurs zu bringen“, sagt der Trainer der SG Unter-Abtsteinach, der in der Kreisoberliga auf Platz drei abgerutscht ist. „Ich finde es auf eine gewisse Art zwar toll, wenn sich ausrangierte Profis noch einmal zusammentun, um mit Amateuren zu zocken, aber mich berührt das Modell nicht. Deswegen kann ich auch nur unsachliche Kommentare von mir geben“, sagt Lauer.

Lucas Oppermann: Es trifft genau den Zeitgeist der Zielgruppe


Lucas Oppermann, Spielertrainer des FC Fürth, ist skeptisch: „Weniger wegen der Inhalte, sondern wegen der Attitüde. Das ist eine weitere Verschiebung des ursprünglichen Proletariatsports in Richtung Entertainment und sehr amerikanisch angehaucht.“

Spielertrainer Lucas Oppermann vom FC Fürth hat als Lehrkraft viel mit Jugendlichen zu tun. Für ihn ist die Bolzplatz-Zeit vorbei. Bild: Fritz Kopetzky Foto: Thomas Rittelmann
Spielertrainer Lucas Oppermann vom FC Fürth hat als Lehrkraft viel mit Jugendlichen zu tun. Für ihn ist die Bolzplatz-Zeit vorbei. Bild: Fritz Kopetzky


Der ehemalige Profi (unter anderem VfL Bochum) hält den Deckmantel der Baller League sogar für etwas heuchlerisch, wenn der Fußball zu seinen Ursprüngen zurückholt und der Bolzplatz revitalisiert werden solle. „Die Bolzplatz-Zeit ist einfach vorbei. Die Lebensrealität der Zielgruppe hat sich in den digitalen Raum verschoben“, sagt der 37-Jährige, der Lehrkraft an einer Schule ist und somit viel mit Jugendlichen zu tun hat. „Podolski und Hummels treffen mit ihrer gesamten Entourage aus den Sozialen Medien aber absolut den Zeitgeist und bedienen genau das, was vermeintlich nachgefragt wird“, fügt Oppermann an.

Sascha Huy: Räumliche Distanz ist ein Problem


Sascha Huy hatte bisher noch keine direkten Berührungspunkte mit der Baller League. „Sollte sich jemand von uns dort beworben haben, ist das Thema nicht bei mir angekommen“, sagt der Bürstädter, der den Verbandsligisten VfR Fehlheim trainiert. Mit der räumlichen Distanz und dem Termin der Baller-League-Spieltage macht Huy gleich zwei mögliche Gründe für die Zurückhaltung aus. „Wenn du jeden Montag von hier nach Köln und zurück fahren musst, ist das über eine längere Zeit schwer mit deinem Arbeitgeber zu vereinbaren“, vermutet er.
Vom Fehlheimer und Wald-Michelbacher Liga-Konkurrenten Sportfreunde Seligenstadt schaffte es mit Kevin Müller ein Akteur in die Baller League. Wie er reagieren würde, wenn einer seiner Spieler die Chance bekäme, weiß Huy nicht. „Auf der einen Seite ist das sicher ein cooles Erlebnis, wenn du mit einem Max Kruse kicken und dich locker austauschen kannst“, holt er aus. „Auf der anderen Seite hätte ich schon einen Hals, wenn wir sonntags ein entscheidendes Spiel haben und mein Spieler sich montags in der Baller League verletzt.“ beg/cpa