Genuss

Krapfen selber backen nach alten Rezepten: OZ-Redakteurin hat es ausprobiert

Wie hat man das Fastnachtsgebäck eigentlich früher gemacht? OZ-Redakteurin Stephanie Kuntermann hat drei Rezepte aus alten Kochbüchern ausprobiert: Zwei von 1900, eins von 1715. Mindestens zwei von ihnen sind sehr empfehlenswert.

Drei Rezepte für Krapfen aus dem "Neuen Stuttgarter Kochbuch" von 1900. Foto: Stephanie Kuntermann
Drei Rezepte für Krapfen aus dem "Neuen Stuttgarter Kochbuch" von 1900.

Ein Krapfen, das ist ein in Fett ausgebackenes Hefeteilchen, mit Marmelade gefüllt und mit Puderzucker bestreut - das jedenfalls ist die landläufige Meinung, wie so ein Fastnachtsgebäck auszusehen hat.

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Früher sah man das noch nicht gar so eng; im "Neuen Stuttgarter Kochbuch", das entgegen seinem Titel bereits 124 Jahre auf dem Buckel hat, gibt es im Kapitel "Zuckerbackwerk und Konfekt" drei Krapfenrezepte, und ich beschließe, zwei von ihnen zu probieren.

Rezept Nummer eins: "Braune Krapfen"

"Braune Krapfen" heißt das erste; man braucht dazu 250 Gramm "geschälte und abgetrocknete Mandeln", die man "länglich in 4 Teile" schneiden soll. Das klingt nach ermüdender Kleinarbeit, doch heute hat es der Bäcker da leichter und kauft einfach Mandelstifte. Sie werden in einer "messingnen Pfanne mit 2 Eßlöffeln gestoßenem Zucker gelb" geröstet, fährt die Autorin fort. Allerdings leidet mein Haushalt in puncto messingner Pfannen an einer drastischen Versorgungslücke; eine kurze Recherche ergibt, dass es heutzutage kaum noch Kochgeschirre aus Messing gibt; die Profis verwenden stattdessen Kupfer. Weil es mir auch daran fehlt, muss eine normale, beschichtete Pfanne her. Um es vorwegzunehmen: Mandeln werden nicht gelb, es sei denn, man verwendet Lebensmittelfarbe. Mit Puderzucker bestreut karamellisieren sie leicht und werden an den Enden bräunlich. Weiter im Rezept: 220 Gramm oder 14 Lot gesiebter Zucker und vier Eier werden eine halbe Stunde lang gerührt. Das kommt noch aus einer Zeit, als die Küchenmaschine Minna hieß, mächtige Oberarme und vermutlich ein Kreuz wie ein Ringer hatte. Der elektrische Helfer ist schneller, und in den Schaum kommen nun acht Gramm Zimt. Dazu kommen noch eine halbe, geriebene Muskatnuss (weniger ist hier besser) und 185 Gramm oder 12 Lot "feines Mehl"; ich verwende eine Mischung aus Weizen- und Dinkelmehl. Das alles wird zu den Mandeln gegeben, dann werden mit einem Esslöffel Häufchen geformt und aufs Backblech gelegt. Gebacken werden die Krapfen im "nicht zu heißen Ofen" - in Zeiten von Holzöfen und Kohleherden gab es noch keine Angaben zu Backzeit und Temperatur. Nach einigem Herumprobieren finde ich heraus, dass sie bei 180 Grad Ober-/Unterhitze und 14 Minuten auf dem mittleren Rost sowie zwei weiteren ganz unten am besten werden.

So sehen die "Braunen Krapfen" aus dem "Stuttgarter Kochbuch" aus. Foto: Stephanie Kuntermann
So sehen die "Braunen Krapfen" aus dem "Stuttgarter Kochbuch" aus.

Am Ende hat man Plätzchen, etwas zwischen Makronen und Weihnachtsgebäck. Sie sind am Rand knusprig, in der Mitte noch ein bisschen weich und schmecken intensiv nach Zimt. Sie sind sehr zu empfehlen, haben aber mit ihren Namensvettern von heute weder optisch noch geschmacklich etwas zu tun.

Rezept Nummer zwei: "Kräpflein von Butterteig"

Als Nächstes probiere ich die "Kräpflein von Butterteig" werden mit einem Mürbeteig gebacken, an dem zweierlei auffällt: zum einen fehlt Zucker, was den Teig recht fade werden lässt. Zum anderen sind die Mengen gewaltig: 375 Gramm Mehl, 250 Gramm Butter, vier Eigelb. Das mag zu den großen Haushalten früherer Zeiten passen, für eine heutige Familie reicht die Hälfte aber völlig aus. Die Zutaten werden vermischt, es kommt noch etwas Wasser dazu, dann verknetet man alles, rollt es mit dem Nudelholz aus und faltet es wieder zusammen. Nach einer Weile ist der Teig schön geschmeidig. Er wird "messerrückendick" ausgerollt, und an dieser Angabe scheiden sich die Geister: Angaben im Internet schwanken zwischen zwei und fünf Millimetern. Schon Letzteres ist eine Geduldsarbeit, weil der Teig leicht reißt.

Doch irgendwann liegt eine beinahe durchsichtige Teigscheibe vor mir, aus der ich Kreise aussteche, etwa in der Größe einer Espresso-Untertasse. Darauf kann man im Prinzip alles Mögliche platzieren, ich entscheide mich für die angegebene "Mandelfülle" aus "gestoßenem Zucker und fein gestoßenen Mandeln", die mit Zitronensaft vermischt werden und etwas ruhen sollen. Im Grunde ist das Marzipan, und ich verwende statt des Safts Rosenwasser. Je ein Teelöffel davon kommt auf den Teigkreis, ich falte ihn einmal und fahre die Ränder mit dem Teigrädchen nach - jetzt sieht jedes Teilchen aus wie eine Mini-Calzone. Am Schluss kommt noch verquirltes Eigelb obendrauf und das Ganze für eine Viertelstunde in den 180 Grad heißen Ofen.

Die "Kräpflein von Butterteig" erinnern eher an eine kleine Calzone. Foto: Stephanie Kuntermann
Die "Kräpflein von Butterteig" erinnern eher an eine kleine Calzone.

Lecker sehen sie aus, die Teilchen, wie glänzende Ravioli. Allerdings sind sie ein bisschen trocken, was durch das Marzipan in der Mitte nicht besser wird. Vielleicht würde sich Marmelade doch besser eignen?

Rezept Nummer drei: "Kräpffgen mit eingemachten Johannes-Beeren aus Schmalz gebacken"

Auf der Spurensuche nach weiteren Rezepten stoße ich einige Tage später auf Gottlieb Siegmund Corvinus´ "Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon", das zum ersten Mal 1715 bei Gleditsch in Leipzig herauskam. Netterweise stellt es die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel in digitalisierter Form zur Verfügung, und auch in diesem dicken, alten Wälzer mit dem heute untragbaren Titel gibt es Krapfen-Rezepte.

"Kräpffgen" oder "Crepides" heißen sie, und der Autor erklärt dazu Folgendes: Sie "bestehen aus einem mit etwas Butter, Rahm, Eyern und ein wenig Salz vermengten Teig, in welchen zugleich gewisse Dinge, als Kirschen, Johannes- oder Stachel-Beeren etc. geschlagen, und aus Schmalz gebacken werden."

Um es gleich vorwegzunehmen, diesem Rezept fehlt noch mehr als nur die Backzeit: Es gibt keinerlei Mengenangaben, was heißt, ich muss experimentieren.

  • Das Rezept geht so: "Schüttet Mehl auf einen Tisch, schlaget 3. Eyer drein, thut ein Stückgen Butter, und ein wenig Rahm dazu, saltzet es ein wenig und bereitet davon einen nicht gar zu festen Teig, reibet solchen ganz dünne aus, und bestreiche ihn mit Eyern. Hierauf nehmet eingemachte Johannes-Beere, machet von selben Häuffgen in einer gleichen Reihe hin, überschlaget solche mit dem Teig, der vorgehen muß, drücket ihn fein mit den Fingern zu, schneidet sie alsdenn mit einem Backrädgen ab, und verfertiget deren so viel als ihr brauchet, setzet hernach in einer Pfanne Schmalz aufs Feuer, und lasset solches heiß werden, backet sodann die Kräpffgen fein goldgelb heraus, richtet sie an, und bestreuet sie mit Zucker."

Mehl und Eier werden auf der Arbeitsplatte gemischt - eine schöne Schweinerei. Ich verwende drei Eier und etwa 200 Gramm Mehl, wieder keinen Zucker, dafür etwa 50 Gramm Butter und 80 Gramm Sahne. Das muss nun eine ganze Weile geknetet werden, doch irgendwann wird der Teig weich und elastisch. Dann lasse ich ihn etwa eine Stunde bei Zimmertemperatur ruhen. Er wird zum Rechteck ausgerollt, mit einem verquirlten Ei bestrichen und zur Hälfte mit kleinen Häufchen Marmelade belegt (ich nehme selbstgemachtes "Latwersch", also Zwetschgenmarmelade mit weniger Zucker als bei gekauften Marmeladen). Dann kommt die andere Teighälfte drüber, und mit dem Rädchen macht man eine Art süßer Ravioli.

Die fertigen "Kräpffgen": warm, lecker und besser als die heutigen Krapfen. Foto: Stephanie Kuntermann
Die fertigen "Kräpffgen": warm, lecker und besser als die heutigen Krapfen.

In Ermangelung von Schmalz backe ich sie in Sonnenblumenöl aus; pro Seite dauert das drei bis vier Minuten, und schnell duftet es nach dem Gebäck.

Kurz lasse ich sie abkühlen, dann kann man sie essen. Sie sind knusprig, noch warm und einfach köstlich. Weil sie ausgebacken sind, ähneln sie den heutigen Krapfen oder Kreppeln am meisten - sind aber nach meinem Dafürhalten deutlich leckerer und aromatischer. Ganz klar: Dieses 300 alte Rezept ist der Favorit und wird unbedingt zur Nachahmung empfohlen.