Weinheim

Weinheimer Kochbuch: Wenn Heimat durch den Magen geht

Dr. Markus Weber legt mit „Kartoffelbrieh – die Woch is hie“ Weinheimer Rezepte vor, die Erinnerungen wecken.

Eines der ersten Exemplare des Weinheimer Kochbuchs überreichte Dr. Markus Weber (Mitte) dem Weinheimer Oberbürgermeister Manuel Just (links). Viele Fotos zu den Rezepten steuerte Sven Sasse-Rösch bei. Foto: Marco Schilling
Eines der ersten Exemplare des Weinheimer Kochbuchs überreichte Dr. Markus Weber (Mitte) dem Weinheimer Oberbürgermeister Manuel Just (links). Viele Fotos zu den Rezepten steuerte Sven Sasse-Rösch bei.

Lachen ist die beste Medizin, weiß Dr. Markus Weber, Weinheims wohl bekanntester Apotheker, Dialektforscher und „Märchenonkel“. Und eine gute Suppe gilt seit jeher als Heilmittel für Körper und Seele. Beides verbindet er jetzt mit seinem druckfrischen Kochbuch mit Weinheimer Rezepten unter dem Titel „Kartoffelbrieh – die Woch is hie“. Es lädt zum Kochen ein, wie Oma es getan hat, aber auch zum Schmunzeln. Denn die traditionellen Gerichte, die Weber gesammelt hat, sind nicht nur eine spannende Reise zurück in die Küchen der Großmütter, sondern auch in zweisprachiger Ausführung abgedruckt. Ein wunderbarer Kniff, den das Multitalent bereits bei seinem Märchenbuch samt CD angewandt hat.

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Mehl auf den Wangen: Dr. Markus Weber. Foto: Sven Sasse-Rösch
Mehl auf den Wangen: Dr. Markus Weber.

Der Dialekt ist für den waschechten „Woinemer Bu“ ein Stück Heimat. Ebenso wie auch die Gerichte der Kindheit. „Heimat ging schon immer auch vom Gaumen zum Magen und dann direkt ins Herz“, heißt es im Klappentext. Weil dem so ist, ließ der „Muddersprochler“ zur Buchvorstellung im „Tafelspitz“ am Marktplatz stilecht Kartoffelsuppe mit Pflaumenkuchen servieren, besser bekannt als „Kartoffelsupp un Quetschekuche“ – und zwar gleichzeitig! Ein kulinarischer Gegensatz, den Zugezogene oder „Roigeplaggde“ nicht immer sofort zu schätzen wissen.

Hegel’sche Synthese

Die Kombination bringt den Sprachforscher direkt zur Hegel’schen Theorie von These und Antithese, deren praktische Umsetzung das Gericht für ihn ist. Der gleichzeitige Verzehr ist demnach nichts anderes als die Hegel’sche Synthese. „Und die hat vom Geschmackserlebnis her mehr zu bieten als die Summe der einzelnen Teile“, sagt Weber und holt damit einmal mehr den Dialekt und seine Dialektik aus dem Nischendasein. Er adelt ihn gar – und die Rezepte gleich mit.

Die hat Weber von jungen und betagten Weinheimer Köchinnen, die ihm ihre überlieferten Familienrezepte aufgeschrieben oder zur Verfügung gestellt haben, damit die Klassiker wie auch die weniger bekannten Gerichte nicht verloren gehen. Um in Kontakt zu treten, war er auf Kaffeekränzchen und bei Seniorennachmittagen. Die Resonanz war überwältigend. „Bei mir haben sich die Rezeptbücher gestapelt“, erklärt der Buchautor, der sich dankbar zeigt für die Unterstützung aus der Bevölkerung.

Markus Weber in der "Denkwerkstatt" im Keller seines Hauses. Hund Mogli ist immer mit dabei. Foto: Iris Kleefoot
Markus Weber in der "Denkwerkstatt" im Keller seines Hauses. Hund Mogli ist immer mit dabei.

Ode an die Dampfnudel

Die 120 Seiten sind prall gefüllt mit Rezepten, die Nostalgie wecken. Eine Huldigung an die heimische Kulinarik, die geprägt ist von einfachen Speisen, darunter zwei Klassiker: die Dampfnudel mit Weinsoße und die Kartoffelsuppe. Der Dampfnudel widmet Weber sogar eine Ode. Und die hat sie verdient! Im Kochbuch folgen Suppen und Gemüse und eine enorme Auswahl an Kartoffelgerichten wie Schupfnudeln (Buweschbitzelscha), Hin und Her Geklatschte (Gedidschde Gedadschde) oder Verheiratete (Verheierde). Dann folgt Süßes wie Karthäuser Klöße (Kadaiserglees) oder Grießknöpfe (Griesknepp). Bei den Kuchen darf der Kirschenplotzer (Kerscheblotzer) ebenso wenig fehlen wie der Streuselkuchen (Riwweleskuche). Und passend zur kommenden Jahreszeit hält das Kochbuch auch Rezepte für Weihnachtsgebäck (Woihnachtsgudsel) bereit.

Zum Genuss wird das Lesen und Nachkochen durch die Bilder von Sven Sasse-Rösch. Der Hobby-Fotograf ist selbst gelernter Koch und hat einen Teil der Rezepte für das Buch nachgekocht, in Szene gesetzt und abgelichtet. Wie detailverliebt er dabei vorgegangen ist, beweist ein Bild von den gealterten Händen seiner Mutter, die den Teig der Dampfnudeln knetet. Bei den Süßspeisen und Kuchen hatte Sandra Sarenio, eine Mitarbeiterin aus Webers Apotheke, die Hände im Spiel.

Voll im Zeitgeist

Wer bei all den tollen Bildern und Rezepten Lust bekommt auf die Küche der Mütter und Großmütter, der liegt sogar voll im Trend. Die traditionellen Gerichte lassen sich nicht nur ganz einfach nachkochen, sie sind auch im Zeitgeist, denn viele von ihnen kommen ohne Fleisch aus. Damals aus der Not geboren, heute eine Einstellungssache. Sie regen außerdem dazu an, schon beim Einkaufen regional zu denken. Für Markus Weber gibt es kaum etwas Schöneres, als samstags auf dem Bauernmarkt einzukaufen oder beim Bauern seines Vertrauens.

In Webers Kochbuch steckt viel Erinnerung – an klebrige Hände in Teigschüsseln aus Porzellan, an den Duft von Gemüsesuppe und an die Wärme am Ofen, auf dem gerade Dampfnudeln brutzeln. „Heimat ist ein Gefühl“ lautet das Motto der baden-württembergischen Heimattage, die 2025 in Weinheim stattfinden. Heimat ist aber auch ein Geschmack, der Bilder von früher hervorruft. Weber: „Und weil Heimat etwas sehr Wertvolles ist, habe ich dieses Kochbuch gemacht.“

Am liebsten kocht Dr. Markus Weber eigentlich aus „de la main“, also aus dem Gefühl heraus und ohne Rezept. Doch für unsere Leser hat er sich die Kochschürze umgebunden und ein Gericht zubereitet aus seinem neuen Kochbuch: Kartoffelsuppe nach Weber-Art. In der eigenen Küche und nach Anleitung. Ein echter Genuss! Hier auf unserer Homepage zu finden.