Landtag

Experte sieht problematische Entwicklung bei Wahlbeteiligung

Nichtwähler ist man auch - aber nicht nur - aus Frust am politischen System, sagt ein Experte. Besonders wichtig ist das Verhalten der Erstwähler, denn es kann ein ganzes Leben lang prägend sein.

Boris Rhein (CDU) steckt den Umschlag mit seiner Stimme in die Wahlurne. Foto: Helmut Fricke/dpa
Boris Rhein (CDU) steckt den Umschlag mit seiner Stimme in die Wahlurne.

Darmstadt (dpa/lhe) - Je höher der Verdienst und je besser die Bildung, desto wahrscheinlicher gehen Menschen wählen - ein Muster, das sich beim genaueren Blick auf die Landtagswahl 2018 in Hessen bestätigt hat. Auch für die anstehende Wahl ist davon auszugehen, sagte der Politikwissenschaftler Christian Stecker von der TU Darmstadt der Deutschen Presse-Agentur. Besonders ausgeprägt ist die Lücke zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bei Erstwählern. «Das ist problematisch, denn das führt dazu, dass besser gestellte Gruppen auch besser politisch repräsentiert werden», sagte Stecker.

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Die Schere bei der Wahlbeteiligung werde in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich noch weiter auseinandergehen. Nehme man als Erstwähler oder Erstwählerin an einer Wahl teil, sei das meist prägend für das gesamte Leben: Die Wahrscheinlichkeit, dass man weiterhin wählen geht, steigt. Genauso verhält es sich umgekehrt, sagte Stecker: Geht man als Erstwähler nicht zur Wahlurne, bleibt man mit höherer Wahrscheinlichkeit über das weitere Leben Nichtwähler.

2018 lag die Wahlbeteiligung in Hessen bei 67,3 Prozent, 2013 bei 73,2 Prozent - in dem Jahr fand die Landtagswahl gleichzeitig mit der Bundestagswahl statt, was zusätzlich mobilisierend wirkt. Der bisherige Tiefstpunkt war 2009 mit 61 Prozent, 1978 war mit knapp 88 Prozent die bislang höchste Beteiligung erreicht worden.

Mit Blick auf die anstehende Wahl am 8. Oktober könne die Tatsache positiv wirken, dass es mit Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) drei prominente Spitzenkandidaten gebe, sagte der Professor. Allerdings sei bisher kein Kopf-an-Kopf-Rennen absehbar, was erfahrungsgemäß mehr Wähler anziehen würde.

Die Gruppe der Nichtwähler sei in sich sehr verschieden. «Da geht es nicht nur um Systemfrust», sagte Stecker. Auch «passive Akzeptanz» sei eine Einstellung, wegen der Menschen nicht zur Wahl gingen. «Sie denken, das ist schon in Ordnung, wie das läuft.» Hinzu komme eine sehr große Gruppe, die aus Zeitmangel nicht wähle und keine Briefwahl beantragt habe. Briefwahl werde erfahrungsgemäß eher von privilegierten Menschen beantragt: «Je urbaner und je wohlhabender ein Viertel ist, desto eher wird Briefwahl beantragt.»