Flüchtlingsunterbringung

Kritik von Anwohnern an Plänen: Die Caspers wehren sich

Das Ansinnen der Stadt Weinheim, auf dem Schulgelände des Werner-Heisenberg-Gymnasiums (WHG) eine Unterkunft für Flüchtlinge zu errichten, stößt weiter auf Unverständnis und Kopfschütteln. Im Vorfeld einer nicht-öffentlichen Sitzung des Weinheimer Gemeinderates melden sich Anwohner zu Wort.

Sabine und Wolfgang Casper vor dem ehemaligen Hausmeisterhäuschen am Werner-Heisenberg-Gymnasium. Links von ihrem Heim könnte eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden – falls der Gemeinderat zustimmt. Foto: Iris Kleefoot
Sabine und Wolfgang Casper vor dem ehemaligen Hausmeisterhäuschen am Werner-Heisenberg-Gymnasium. Links von ihrem Heim könnte eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden – falls der Gemeinderat zustimmt.

Sabine und Wolfgang Casper sind schockiert. Die Bewohner des denkmalgeschützten Häuschens, des ehemaligen Hausmeisterhauses am Werner-Heisenberg-Gymnasium, trauten ihren Ohren kaum, als sie vom (erneuten) Ansinnen der Stadt Weinheim erfuhren, auf dem Schulgelände eine Anschlussunterbringung für Flüchtlinge zu errichten. „Von offizieller Seite wissen wir eigentlich gar nichts. Hier mangelt es gehörig an Transparenz“, sagt der 71-Jährige.

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Erst die Vor-Ort-Termine von Stadträten Ende vergangener Woche an der Schule, die das Ehepaar durch das Wohnzimmerfenster beobachten konnte, riefen die Caspers auf den Plan. Die Informationen von Schulleitung und aus der Zeitung machen sie sprachlos. Danach soll ein Neubau für 32 Flüchtlinge auf dem schmalen Gelände entstehen, auf dem aktuell die Fahrradständer installiert sind. Das neue Gebäude mit einer Größe von 24 auf 12 Metern und einer Höhe von zehn Metern würde direkt zwischen dem Hausmeisterhäuschen und der Wohnbebauung in der Friedrichstraße 3 platziert werden und fast bündig mit dem Auslauf der 75-Meter-Sprintbahn abschließen (wir haben berichtet).

Auf dieser Fläche zwischen dem Hausmeisterhäuschen des Gymnasiums und der Wohnbebauung in der Friedrichstraße 3 könnte ein Gebäude zur Unterbringung von Flüchtlingen entstehen. Das Schulgebäude ist kaum zehn Meter entfernt. Der Standort war bereits 2015 im Gespräch. Foto: Iris Kleefoot
Auf dieser Fläche zwischen dem Hausmeisterhäuschen des Gymnasiums und der Wohnbebauung in der Friedrichstraße 3 könnte ein Gebäude zur Unterbringung von Flüchtlingen entstehen. Das Schulgebäude ist kaum zehn Meter entfernt. Der Standort war bereits 2015 im Gespräch.

Die Caspers sind weltoffen, empathisch und hatten während ihres ganzen Berufslebens – er als Lehrer an der Karrillon-Schule, sie als Sozialpädagogin – viel mit Menschen mit Migrationshintergrund zu tun. Und sie wissen um die Not der Stadt, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben. Aber die Idee, eine Flüchtlingsunterkunft direkt an der Schule anzusiedeln, halten sie gelinde gesagt für „befremdlich“. Für beide ist die dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen ein Muss.

Sozialverträglichkeit?

Auch 2015, als der Standort zum ersten Mal in der Diskussion war, meldeten sich die Caspers zu Wort. Zum einen wegen der Schüler, denen der „Platz zum Atmen genommen wird“, wie es Wolfgang Casper ausdrückt. Zum anderen wegen der Sozialverträglichkeit. Die Caspers befürchten Probleme bei einem Zusammenleben verschiedener Kulturen auf so engem Raum. „Wo sollen diese Menschen sich denn draußen aufhalten – ohne Spielplatz für die Kinder, ohne eigenes Außengelände?“, fragt Sabine Casper. „Das spielt sich dann doch zwangsläufig auf dem Schulhof ab“, denkt sie. Ganz zu schweigen von den Stellplätzen für Autos, die gebraucht würden.

Ein weiterer Aspekt ist für die Caspers der Wegfall des schmalen Grünstreifens, auf dem der Neubau errichtet werden könnte. „Hier ist alles eh schon eng bebaut“, findet Wolfgang Casper. „Jetzt noch das letzte schmale Stück Grün wegzunehmen, ist unverständlich.“ Er schwärmt von dem Habitat für Tiere, die das Grundstück bietet, und von der kühlenden Wirkung in den zunehmend heißen Sommern. Das wäre dann ebenfalls futsch.

In der Verlängerung der Fläche befindet sich die Sportanlage der Schule. Foto: Iris Kleefoot
In der Verlängerung der Fläche befindet sich die Sportanlage der Schule.

Und dann ist da noch die Angst um das eigene Zuhause. Seit 35 Jahren leben die Caspers in dem wunderschönen Gebäude aus dem Jahr 1909 – denkmalgeschützt wohlgemerkt. Sabine Casper schüttelt mit dem Kopf: „Ein Juwel neben einem solchen Zweckbau“, das mag sie sich nicht vorstellen.

Kritik auch aus dem „Friedrichshof“

Kritisch sieht das Projekt auch Gerd Fuchs. Der Architekt und Stadtplaner hat das Wohngebäude „Friedrichshof“ nebenan in der Friedrichstraße 3 als Projektentwickler und Bauherr 2007 realisiert. Er erinnert sich: „Seinerzeit wurde von der Verwaltung die Auskunft erteilt, dass dieses Grundstück als Schulerweiterungsgrundstück benötigt würde und für eine Wohnbebauung nicht – auch nicht teilweise – zur Disposition stünde! Auf dieser seriösen Vertrauensbasis haben auch die späteren Bauherren der Friedrichstraße 3 ihre Wohnungen erworben.“ Für ihn ist aus städtebaulichen und sozialen Gesichtspunkten ein großformatiges Gebäude zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen nicht nachzuvollziehen.

Fuchs führt neben der geminderten Wohnqualität weitere Argument ins Feld. „Bei der Grundstücksfläche für die geplante Flüchtlingsunterkunft handelt es sich um die letzte Reservefläche für die Nutzung und gegebenenfalls die Erweiterung der schulischen Sportflächen“, sagt er. Und auch die ökologische Verbindung zur Grünfläche am Kriegerdenkmal der Bahnhofstraße sei für die Innenstadt nicht zu unterschätzen. Fuchs: „Die städtebauliche, soziale und ökologische Qualität der schönen Weinheimer Innenstadt darf nicht durch kurzfristige Zwänge gänzlich aufgeben und teilweise in ihr Gegenteil verkehrt werden.“

Info-Veranstaltung Anfang nächsten Jahres

Noch ist nichts entschieden. Der Gemeinderat wird zunächst eine Priorisierung der möglichen Standorte beschließen. Zu Beginn des neuen Jahres ist dann eine Bürger-Informationsveranstaltung geplant, in der alle denkbaren Standorte vorgestellt werden. Erst danach wird der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung eine Entscheidung treffen.

Was sagt der Elternbeirat?

Der Elternbeirat des Heisenberg-Gymnasiums möchte sich im Vorfeld der nicht-öffentlichen Sitzung am Mittwoch noch nicht in der Zeitung äußern. Der Grund: Man will das bisher gute Verhältnis zur Stadtverwaltung nicht belasten. Es wurde allerdings eine Stellungnahme an den Oberbürgermeister und den Gemeinderat geschickt. „Es ist für alle Beteiligten wichtig, dass dieser Austausch mit Respekt und Sensibilität geführt wird, um Verständnis und Unterstützung für die Bedürfnisse aller Beteiligten zu erzielen“, heißt es in einem Brief an die Eltern.