Klima

Letzte Generation rekrutiert in Weinheim

Klimaschutz-Aktivisten Leo Elgas, Evelyn Hüller und Alexander Rose sprechen im Café Central über Erderwärmung und zivilen Ungehorsam. Sie sind jedoch nicht nur zum Informieren da.

Aktivist Leo Elgas spricht im Café Central über globale Erwärmung und sucht Unterstützer. Foto: Gabriel Schwab
Aktivist Leo Elgas spricht im Café Central über globale Erwärmung und sucht Unterstützer.

Weinheim. „Sind Sie zu einer einmaligen Festnahme bereit? Sind Sie bereit, ins Gefängnis zu gehen? Vielleicht, aber Sie brauchen mehr Infos?“ Diese drei Fragen sind die ersten, die die Letzte Generation auf ihrem Kontaktbogen stellt. Am Donnerstagabend waren die Klimaaktivisten, die mit ihren Störaktionen für Aufsehen und für massive Kritik sorgen, im Café Central in Weinheim – auf Rekrutierungsmission.

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Ausbleibender Fortschritt

Leo Elgas, 24 Jahre alt, Student aus Heidelberg, steht auf der Bühne des Kulturzentrums. Vor kurzem klebte er noch auf der Straße. Er skizziert den globalen Klimawandel, unterlegt Fakten und Prognosen stets mit verlässlichen Quellen. Elgas erzählt von seinem Aktivismus und seiner Ohnmacht durch den ausbleibenden Fortschritt. Und er erklärt die Ziele seines Besuchs in Weinheim: „Mein Vortrag soll informieren und er soll dazu motivieren, sich unserer Bewegung anzuschließen.“

Im ersten Teil spricht Elgas von den Auswirkungen der globalen Erwärmung, die heute schon den Planeten heimsuchen. Von den Flutkatastrophen, die ganze Dörfer wegspülen, und der Dürre, die Menschen am Hungertuch nagen lässt. Eine Entwicklung, die immer mehr Klimaflüchtlinge hervorbringt: „Das führt zu einem Rechtsruck in ganz Europa, den wir schon heute beobachten können.“ Der volle Name der Aktivistengruppe lautet „Letzte Generation vor den Kipppunkten“. Damit sind die Grenzen im Kampf gegen die globale Klimaerwärmung gemeint. Ihre Überschreitung kann zu Umbrüchen in Systemen führen, die so gravierend sind, dass der Mensch sie nicht mehr umkehren kann.

Ein Beispiel ist das Szenario einer Massenschmelze des Grönlandeises, welche den Meeresspiegel so sehr anheben könnte, dass Küstenstädte nicht mehr bewohnbar wären. Strittig ist, welche Kipppunkte mit welchem globalen Temperaturanstieg einhergehen. Also ob etwa die Eisschmelze in Grönland bereits bei einer Erderwärmung von 1,5 oder vielleicht erst 3 Grad in diesem Jahrhundert eintreten würde. „Zu wenig Klimaschutz ist nicht viel besser als gar kein Klimaschutz“, betont Leo Elgas deshalb. Seit Jahren setze er sich für die Sache ein. Erst bei Fridays for Future, dann bei Extinction Rebellion: „Aber nirgendwo ging es vorwärts.“ Die einzige Lösung, die er sieht: sozialer Ungehorsam. Der Letzten Generation geht es ums mediale Echo. Ein Protestmarsch mit hundert Menschen, das fänden viele gar nicht berichtenswert. „Aber wenn wir uns mit fünf Leuten auf die Straße kleben, berichten alle Zeitungen darüber“, erklärt Elgas. Er fordert dazu auf, der Bewegung beizutreten. Am besten komme man gleich am 17. April mit nach Berlin, wo die Letzte Generation einen massenhaften Protestmarsch durchführen will. Nicht jeder müsse bereit sein, sich bei den Aktionen verhaften zu lassen. Mitwirken könne man auch im Hintergrund. Und dennoch: Es ist die erste Frage, die die Besucher auf dem Kontaktformular beantworten sollen. Warum ist das so, will unsere Zeitung von Mitaktivistin Evelyn Hüller wissen? „Es ist schon wichtig, dass man sich darüber grundlegend Gedanken macht, wie weit man gehen will“, sagt sie. „Der zivile Ungehorsam ist der Kern der Sache. Auch bei mir ist er ständiger Wegbegleiter.“ Ob sie sich auch schon festgeklebt hat? „Nein, bisher noch nicht.“

Nach dem Vortrag teilen die Aktivisten das rund 30-köpfige Publikum in Kleingruppen auf mit je einem Ansprechpartner der Letzten Generation. Die Weinheimer im mittleren Erwachsenenalter (Jugendliche und junge Erwachsene sind keine da) sind wissbegierig. „Was ist die höchste Strafe, die man fürs Kleben bekommen kann?“, möchte zum Beispiel eine Teilnehmerin wissen. Das sei schwer zu sagen, es laufe in der Regel aber auf eine Geldstrafe hinaus, erklärt Hüller. Wie viele Menschen bei der Letzten Generation Rhein-Neckar mitmachen? Die Klimaschützerin schätzt die Anzahl der Aktiven auf 20. Es seien jedoch bestimmt noch etwas mehr. Bei Fragen zum Kleben reagiert sie eher ausweichend. „Darüber können wir reden, sobald ihr mitmacht.“

Zu Hüllers Runde stößt auch Aktivist Alexander Rose dazu. „Ihr kennt mich vielleicht“, sagt er, „ich bin der Demonstrant, dem über den Fuß gefahren wurde.“ Der besagte Vorfall ereignete sich im Februar in Berlin. Erst vergangene Woche habe er versucht, sich vor Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Auftritt in Potsdam festzukleben. „Mir hilft es, aktiv zu werden. Das lässt mich besser zurechtkommen mit meiner Verzweiflung über die Politik.“

Bereits am 6. April (19 Uhr) kommt die Letzte Generation erneut ins Café Central zur „Öffentlichen Krisensitzung“. Dann will sie erneut über das Klima reden. Und Menschen dafür gewinnen, sich der Sache anzuschließen.