Weinheim

Soll Weinheim über 30 Millionen Euro in Kindergärten investieren?

Das Rathaus stellt eine Prognose für die kommenden 20 Jahre vor. Dabei hat es umfassende Maßnahmen in neun Einrichtungen empfohlen.

An etlichen Kindergärten und -Krippen soll sich etwas tun. Auch in der „Rasselbande“: Diese steht aber weit hinten in der Warteschleife. Foto: Philipp Reimer
An etlichen Kindergärten und -Krippen soll sich etwas tun. Auch in der „Rasselbande“: Diese steht aber weit hinten in der Warteschleife.

Schon jetzt ist klar: Die Kindergarten-Landschaft wird kräftig umgebuddelt. In der Planung, wie viele Plätze das Weinheim der Zukunft für seine Kinder braucht, wirft die Stadt jetzt einen Blick über den Tellerrand hinaus. Konkret gehen die Überlegungen und Prognosen bis 2040. Das macht die Bedarfsplanung zu einem schwierigen Unterfangen. Langwierige Baumaßnahmen müssen in die Wege geleitet werden. Und zwar für Kinder, die teilweise noch gar nicht geboren wurden. „Wir haben einen nicht unerheblichen Investitionsbedarf vor der Brust“, erklärte Oberbürgermeister Manuel Just in der Sitzung des Kinder- und Jugendbeirats am Mittwoch. Dabei gelte es, in den nächsten Jahren Summen von über 30 Millionen Euro zu bewegen.

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Wie viele Kinder kommen nach Weinheim?

Blick in die Glaskugel: Um zu ermitteln, wie sich die Kinderzahlen voraussichtlich bis 2030 und darüber hinaus entwickeln, beauftragte die Stadt die Schulentwicklungsplanung und Beratung (Bonn).

Dr. Anja Reinermann-Matatko prognostiziert, dass die Anzahl der Null- bis Dreijährigen bis zum Kindergartenjahr 2029/2030 auf 1239 Sprösslinge steigt (Anfang 2023 waren es 1161). Kindergartenkinder über drei Jahren wird es 2023/2024 insgesamt 1678 geben (2029/2030: 1728). Bis 2040 soll die Gesamtzahl wieder auf 1491 sinken (Null- bis Dreijährige: 1065). OB Just wies jedoch darauf hin, dass die Prognose zwei gewichtige Faktoren nicht berücksichtigt. Das ist der Zuzug von geflüchteten Kindern auf der einen Seite. Und eine denkbare Abnahme der Geburtenrate bei anhaltender Rezession.

Bringt die Kommune ihre Kinder unter?

Bildungsamts-Chefin Carmen Harmand kalkuliert, dass es zu einer Unterversorgung kommt, sollten keine erweiterten Maßnahmen ergriffen werden. Demnach ergäbe sich ein Defizit von fünf Gruppen (100 Plätze) bis 2030/2031 bei den Kindergartenkindern über drei Jahren. Bei den Krippenkindern unter drei Jahren würden bis dahin 110 Plätze beziehungsweise elf Gruppen à zehn Kindern fehlen. Dies unter der Voraussetzung, dass 49 Prozent der Eltern einen Krippenplatz für ihren Nachwuchs in Anspruch nehmen.

Wie will Weinheim gegensteuern?

„Wir haben eine Strategie ausgearbeitet, mit der wir eine Antwort haben könnten“, so OB Just. Der Blick wandert hier auf neun Einrichtungen, die neu- und umgebaut beziehungsweise erweitert werden würden. Manche dieser Maßnahmen sind vom Gemeinderat schon beschlossen oder es wurde breite Zustimmung signalisiert.

Andere werden von der Verwaltung empfohlen, da etwa Renovierungen für den Fortbestand unausweichlich sind. Hier braucht es noch das grüne Licht der Kommunalpolitiker. Grundsätzlich soll es an vielen Stellen möglich sein, Gruppen für Kinder über drei Jahren in Krippengruppen umzuwandelnd – und umgekehrt.

In welchen Einrichtungen soll etwas passieren?

Das Rathaus hat mehrere Varianten im Repertoire. Die folgende Marschroute wird bevorzugt. Der Betrieb in der Kita Kuhweid findet derzeit in Containern statt. Sie soll 2026/2027 in einen Neubau in der Kurt-Schuhmacher-Straße ziehen und über fünf Kindergarten- und eine Krippengruppe verfügen. Die Kita „Am Markusturm“ wird bereits 2025/2026 ihren Betrieb in dem beschlossenen Neubau aufnehmen (drei Kindergarten- und eine Krippengruppe). Das Rathaus schlägt außerdem vor, den Kindergarten Waid auf dem jetzigen Gelände neuzuerrichten (zwei Kindergarten- und eine Krippengruppe). Auch der Kindergarten St. Marien soll am bestehenden Standort neu gebaut werden (sechs Gruppen). Im Neubaugebiet Allmendäcker würde ebenfalls bis 2029/30 eine Kita entstehen (drei Gruppen für Kinder über drei Jahren).

Die Bach-Kita der AWO soll noch mindestens für zehn Jahre betrieben werden (fünf Kita-Gruppen). Darüber hinaus ist die Zukunft ungewiss. Als Ersatz könnte eine neue Kita in den Baugebieten Albert-Schweitzer- oder Johann-Sebastian-Bach-Schule entstehen.

Und der Rest?

Das „Kindernest“ soll bis 2030/2031 weiterbetrieben werden (drei Gruppen für Kinder über drei Jahren, drei Gruppen für Kinder unter drei Jahren). Danach wäre eine Schließung denkbar.

Um den Bedarf zu decken, müsste die Sport-Kita Purzel weiterbetrieben werden (eineinhalb Gruppen für Kinder über drei Jahren). Nach langer politischer Debatte bringt die Stadt auch wieder eine mögliche Erweiterung auf den Thementisch. Für das Kinderhaus Rasselbande (Rittenweier) schlägt das Rathaus einen Anbau vor. Dort herrschen beengte Platzverhältnisse. Jedoch ist eine Fertigstellung der Maßnahme erst für das Kindergartenjahr 2029/2030 vorgesehen.

Wie hoch sind die Kosten?

Die Stadt erstellte eine Kostentabelle, die grobe Anhaltspunkte liefern soll. Dabei betont sie, dass diese ausschließlich dem Vergleich dienen und es sich nur um investive Maßnahmen für Neubauten handelt. So soll der Neubau der Kita Kuhweid die Stadt 9 Millionen Euro kosten, der Zuschuss für die Kita am Markusturm rund 4,4 Millionen Euro. Der Kindergarten Waid schlägt mit 4,5 Millionen Euro zu Buche, die Finanzspritze für den Kindergarten St. Marien mit 8,1 Millionen Euro. Der Neubau einer Einrichtung im Allmendäcker wird auf 4,5 Millionen Euro geschätzt. In der Summe sind das 30,5 Millionen Euro. Dabei ist die Erweiterung des Kinderhauses Rasselbande nicht einberechnet.

Was soll der Gemeinderat beschließen?

Der Gemeinderat soll in seiner Juli-Sitzung nun darüber abstimmen, ob die Maßnahme einer Kita im Neubaugebiet Allemndäcker in die Bauplanung geht. Dasselbe gilt für den Neubau des Kindergartens Waid. Weiter braucht die Stadt grünes Licht, um zu eruieren, ob ein Anbau an das Kinderhaus Rasselbande die Platzzahl erhöhen würde. Ein weiterer Prüfungsauftrag steht für eine neue Kindertagesstätte „Bewegung und Sport“ zum Beschluss. Diese könnte beispielsweise durch eine Erweiterung der Spor-Kita Purzel entstehen. Der Ausschuss signalisierte fraktionsübergreifend Zustimmung. Hier und da gab es aber Kritik (siehe weiteren Artikel).

Stimmen aus den Fraktionen

Bei der Debatte um den steigenden Bedarf an Kindergarten- und Krippenplätzen äußerten die Mitglieder des Kinder- und Jugendbeirats Ideen und übten auch Kritik. So forderte Stadträtin Hella Dannenmann (GAL), dass nicht nur in Einrichtungen investiert werden solle. Auch der Beruf der Tageseltern müsse weiter gefördert und ausgebaut werden. SPD-Stadträtin Stella Kirgiane-Efremidou kritisierte, dass es sich bei den Maßnahmen an den Kitas fast ausschließlich um Einrichtungen der Kernstadt handele.

Monika Springer (Freie Wähler) zeigte sich (wie andere Stadträte und Beiratsmitglieder) überrascht, dass die „unendliche Geschichte“ einer Sport-Kita wieder auf den Tisch kommt. Dass sich endlich etwas beim Kinderhaus „Rasselbande“ tun könnte, begrüßte sie.

Das tat auch CDU-Stadtrat Dr. Thomas Ott, der sich hier mehr „Tempo und Verbindlichkeit“ wünscht. Kritik übte er am Finanzierungsplan der Stadt für die 30-Millionen-Euro-Investition. Diese will das Rathaus unter anderem durch die Grundstücke der beiden ehemaligen Schulstandorte stemmen. Hier sprach Ott von einer „Milchmädchenrechnung“: „Das Geld haben wir schon ausgegeben!“

Dr. Carsten Labudda sah bei den Kita-Erweiterungen viele alte Forderungen der Linken bestätigt. Darüber hinaus forderte er: „Wir müssen den Fachkräftemangel zur Kenntnis nehmen.“ Eine Vereinbarkeit von Job und Beruf mache auch die Ausweitung der Betreuungszeiten notwendig.