Weinheim/Mannheim

Urteil im Maskenprozess gegen Weinheimer Ärztin ist gefallen

Freispruch oder vier Jahre Gefängnis - so weit lagen die Plädoyers von den Verteidigern der Weinheimer Ärztin und der Staatsanwalt im Berufungsverfahren wegen des Ausstellens von mehr als 4000 Maskenattesten „auf Zuruf“ auseinander. Am Dienstag hat das Landgericht Mannheim das Urteil verkündet.

Die Angeklagte und ihre Verteidiger Sven Lausen (links) und Holger Willanzheimer kurz vor dem Urteil des Landgerichts Mannheim im Maskenprozess. Foto: Carsten Propp
Die Angeklagte und ihre Verteidiger Sven Lausen (links) und Holger Willanzheimer kurz vor dem Urteil des Landgerichts Mannheim im Maskenprozess.

Der größte Sitzungssaal des Landgerichts war mit rund 100 Personen nahezu voll besetzt, als der Vorsitzende Richter der 12. kleinen Strafkammer, Dr. Christian Hirsch, zusammen mit den beiden Schöffen den Raum betrat. Im Namen des Volkes verkündete er das Urteil: Die Angeklagte wird wegen des „Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse" in mehr als 4000 Fällen zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Ein befristetes Berufsverbot verhängte die Kammer gegen die 60-jährige Ärztin nicht.

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Aber sie wurde zur Zahlung von 18 000 Euro an den Bezirksverein für soziale Rechtspflege in Mannheim verpflichtet. Und das Geld, das die Ärztin mit dem Ausstellen der Atteste eingenommen hatte - rund 28 000 Euro - wird eingezogen, entschied das Gericht.

Trotzdem war es ein Teilerfolg für die Angeklagte, die vor einem Jahr in erster Instanz vom Amtsgericht Weinheim zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie zu einem dreijährigen Berufsverbot verurteilt worden war, das bis zur erfolgreichen Beschwerde der Angeklagten auch rund sechs Wochen in Kraft war. Für diese Zeit stehe der Ärztin eine Entschädigung zu, erklärte Richter Hirsch.

Revision wahrscheinlich

Die im Vergleich zur ersten Instanz mildere Strafe führte dazu, dass bei der Urteilsverkündung Unmutsäußerungen ausblieben, auch wenn die große Mehrheit der Zuschauer auf einen Freispruch für die Ärztin gehofft hatte. Doch zufrieden waren weder die Staatsanwaltschaft noch die Verteidigung. Man werde prüfen, ob man in Revision gehen werde, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Nach Aussage der beiden Verteidiger, Sven Lausen und Holger Willanzheimer, sei es so gut wie sicher, dass ihre Mandantin diesen Rechtsweg beschreiten werde. "Wir halten das Urteil für falsch", sagte Willanzheimer in einer ersten Reaktion. Noch deutlicher formulierte es die Ärztin selbst: "Das ist ein Unrechtsurteil." Aber sie sei doch erleichtert, dass die Strafe nun zur Bewährung ausgesetzt werden solle, fügte sie hinzu.

Die Revision ist in einem Strafverfahren die letzte Möglichkeit, ein Urteil anzufechten. Dabei wird das Urteil aber nicht mehr inhaltlich geprüft, sondern nur noch auf Rechtsfehler untersucht. Beide Seiten haben nun eine Woche Zeit, Revision einzulegen.

Die Urteilsbegründung

In seiner Urteilsbegründung ging Richter Hirsch noch einmal auf die Umstände ein, die zur Tatzeit (Mai 2020 bis Januar 2021) Deutschland prägten. Wegen der Corona-Pandemie wurden von Bund und Ländern umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Lockdowns, Abstandsregeln und die Maskenpflicht gehörten dazu und seien von der großen Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen worden. Doch es habe auch von Anfang an Kritiker der Coronamaßnahmen gegeben, zu denen auch die Angeklagte gehörte. Dies habe sie auch immer wieder öffentlich kundgetan und zum Beispiel zur Teilnahme an Corona-Demos aufgerufen.

Daher habe sie sich entschlossen - im Widerspruch zu den geltenden Corona-Verordnungen - Maskenbefreiungsatteste für jeden auszustellen, der diese haben wollte. Zunächst für fünf Euro, später dann für sieben Euro konnten Menschen diese Atteste quasi bei ihr bestellen, ohne dass dazu eine körperliche Untersuchung erfolgte.

Dass es sich bei diesen Attesten um "Gesundheitszeugnisse" im Sinne des Paragrafen 278 Strafgesetzbuch (alte Fassung) handelte, stehe für das Gericht außer Frage. Alle Bemühungen der Verteidigung, dies anders darzustellen, stünden im Widerspruch zu zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen. Die fehlende körperliche Untersuchung lasse sich nicht wegdiskutieren. Und nach dem "objektiven Empfängerhorizont" seien die Atteste sehr wohl zur Vorlage bei einer Behörde bestimmt gewesen. Dies sei der Angeklagten auch bewusst gewesen.

Bei der Strafzumessung seien aber auch weitere Aspekte berücksichtigt worden. Die Angeklagte habe die Taten in der ersten Instanz eingeräumt, sei nicht vorbestraft und habe sich vor der Tatzeit auch berufsrechtlich nichts zuschulden kommen lassen. Die lange Verfahrensdauer habe man ebenso zu ihren Gunsten in das Urteil miteinbezogen wie die besonderen Umstände in einer Pandemie, "die so wahrscheinlich nicht noch einmal vorkommen wird", so Hirsch.

An die Adresse der Verteidigung gerichtet, fügte der Vorsitzende Richter kritisch hinzu: "Eine Hauptverhandlung sollte kein Ort der Selbstdarstellung sein." Ziel sei es offenbar gewesen, die Verhandlung immer wieder mit neuen Beweisanträgen zu verschleppen und mögliche Revisionsgründe zu schaffen. Diese Vorwürfe wies Verteidiger Sven Lausen anschließend zurück. Er bemängelte vielmehr, dass das Gericht in seinem Urteil nur sehr oberflächlich auf die Rechtsfragen eingegangen sei.