Weinheim

Was passiert mit dem Weinheimer Weststadtkitz?

Wo das kleine Reh nach der spektakulären Rettungsaktion vergangene Woche nun aufgepäppelt wird und warum eine Rückführung zur Mutter ausgeschlossen ist.

Erst hinter der Theke, dann mit Reh auf dem Arm: Emilio Efremidis, langjähriger Mitarbeiter im Restaurant „Beim Alex“, beruhigt das Jungtier. Foto: Vassilios Efremidis
Erst hinter der Theke, dann mit Reh auf dem Arm: Emilio Efremidis, langjähriger Mitarbeiter im Restaurant „Beim Alex“, beruhigt das Jungtier.

Die gute Nachricht vorweg: Das Rehkitz, das sich in der Weinheimer Weststadt verlaufen hatte und am Donnerstagabend eingefangen werden konnte, ist wohlauf und putzmunter. Wie Michael Ehlers von der Rehkitzrettung Weinheim und Umgebung mitteilt, konnte bei der Rehkitzhilfe Franken ein vorübergehendes Zuhause für das Jungtier gefunden werden. „In Abenberg wird es gerade aufgepäppelt“, so Ehlers.

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Damit nimmt die Geschichte ein hoffentlich gutes Ende, die bereits Ende Juni mit der Trennung von Mutter und Kind begonnen hatte. Schon da waren Hinweise von Anwohnern der Weststadt bei der Polizei eingegangen, dass ein junges Reh in den Gärten herumstreift. Doch die Suche blieb zunächst erfolglos – bis zum Donnerstagabend. Wie berichtet, wurde die Freiwillige Feuerwehr Weinheim in den Birkenweg gerufen, wo das Kitz auf der Großbaustelle der evangelischen Gemeinde gesichtet worden war. Bei Ankunft der Einsatzkräfte flüchtete das Reh allerdings in Richtung Breslauer Straße. Die Feuerwehr nahm die Verfolgung auf. Zuflucht suchte das Kitz dann ausgerechnet in der Gaststätte „Beim Alex“ im Rolf-Engelbrecht-Haus.

Im Transportkörbchen geht es in Richtung Franken. Foto: Rehkitzrettung
Im Transportkörbchen geht es in Richtung Franken.

Ins Restaurant „gesaust“

„Man hatte schon vom Restaurant aus gesehen, dass die Feuerwehrleute draußen nach etwas suchen“, berichtet Stella Kirgiane-Efremidou, deren Mann Alexandros Efremidis die Gaststätte betreibt. „Und dann kam das kleine Tier auch schon reingesaust, erst hinter die Theke, dann ins große Nebenzimmer“, schildert sie die Situation. Dort konnte Emilio Efremidis, langjähriger Mitarbeiter und Cousin von Alexandros, das panische Tier fangen. „Es hat wie ein Baby geschrien, sich aber dann auf dem Arm beruhigt“, so Stella Kirgiane-Efremidou.

Die Feuerwehr war schnell zur Stelle, um das Jungtier in Empfang zu nehmen. „Da einer unserer ehrenamtlichen Einsatzkräfte auch Hobbyjäger ist, wusste er, wie er mit dem Tier artgerecht umgehen musste“, berichtet Ralf Mittelbach, Sprecher der Weinheimer Feuerwehr von dem außergewöhnlichen Einsatz.

Das Rehkitz hat bereits ein neues Zuhause im fränkischen Abenberg gefunden. Hier kann es mit Artgenossen aufwachsen, bevor es ausgewildert wird. Foto: Rehkitzrettung
Das Rehkitz hat bereits ein neues Zuhause im fränkischen Abenberg gefunden. Hier kann es mit Artgenossen aufwachsen, bevor es ausgewildert wird.

Die hinzugezogene Rehkitzrettung sorgte noch in der Nacht dafür, dass das Tier zur Rehkitzhilfe Franken gebracht wurde. Aber warum gerade dorthin? Michael Ehlers: „Die Tierschützer haben ein tolles Gehege. Dort kann es mit Artgenossen spielen und so die nötige Prägung erfahren für eine spätere Auswilderung.“

Von den Breitwiesen?

Eine Rückführung zur Mutter ist ausgeschlossen. Ehlers: „Wir wissen ja gar nicht, wo sie ist, und haben keine Ahnung, von wo das Tier kam.“ Auch wenn er vermutet, dass das Reh von den Breitwiesen im Westen der Stadt stammt. Das Kitz könnte aber auch von den Feldern hinter dem Marktkauf in der Ebene von Lützelsachsen gekommen sein. Der Tierschützer nimmt an, das Jungtier wurde von der Ricke getrennt, weil sie aus irgendeinem Grund flüchten musste. Das Alter des Kitzes schätzt er auf rund acht Wochen. „Eigentlich müsste es noch gesäugt werden“, weiß er. Dass es so lange mitten in einem Wohngebiet überlebt hat, erstaunt ihn. Denn aufgrund der Hitze gibt es in den Gärten aktuell nicht viel zu fressen, und auch Wasser ist Mangelware. Ehlers: „Früher oder später hätten dem Kitz die Kräfte gefehlt.“ Dazu kommt der Verkehr, dem es hätte zum Opfer fallen können. Deshalb ist Ehlers erleichtert, dass das kleine Reh eingefangen werden konnte. „Es hätte sonst keine Chance gehabt“, ist er sich sicher.

Normalerweise nehmen die Helfer der Kitzrettung die Tiere nur mit Handschuhen auf, um den menschlichen Geruch nicht zu übertragen, der die Mutter abschreckt. „In diesem Fall war es aber absolut richtig, das Tier mit bloßen Händen zu fangen“, erklärt er, „weil eine Rückführung zur Mutter ohnehin nicht möglich gewesen wäre.“

Jetzt muss das Kleine erst einmal zu Kräften kommen. Im Frühjahr soll es ausgewildert werden. Ehlers: „Dann ist es kein Weststadtkitz mehr, sondern ein fränkisches Reh.“