Weinheimer Einzelhandel

Nach 38 Jahren: Frank Witt schließt sein Foto-Geschäft in Weinheim

Er hat ganz Weinheim fotografiert: Millionäre und Schulanfänger, Lieblingshunde, Honoratioren und Tausende Kerwebesucher. Doch nun gibt Frank Witt seinen Laden in der Bahnhofstraße auf.

Vollbart, Ohrring im linken Ohr und ein buntes Hemd - Frank Witt ist ein Weinheimer Original im besten Sinn. Sein Foto-Geschäft in der Bahnhofstraße ist noch bis zum 28. März geöffnet. Foto: Marco Schilling
Vollbart, Ohrring im linken Ohr und ein buntes Hemd - Frank Witt ist ein Weinheimer Original im besten Sinn. Sein Foto-Geschäft in der Bahnhofstraße ist noch bis zum 28. März geöffnet.

"Die Show muss stimmen", sagt Frank Witt mit großer Geste und lehnt sich in dem Sessel in seinem Atelier in der Bahnhofstraße zurück. Vollbart, die langen Haare zum Zopf gebunden, ein buntes Hawaii-Hemd - so kennt man Frank Witt, den 65 Jahre alten Fotografenmeister, der schon ganz Weinheim vor der Linse hatte. Millionäre und Schulanfänger, werdende Mütter (und Väter), Honoratioren und solche, die es gerne wären, Lieblingshunde, Konfirmanden, Senioren, Babys - und Tausende Kerwebesucher an seinem Stand für Juxbilder am Hutplatz. Seit 38 Jahren ist er DER Haus- und Hof-Fotograf der Weinheimer. Am 1. August 1986 übernahm der gebürtige Mannheimer "Foto Wendel" in der Bahnhofstraße, damals noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite seines heutigen Ladens. Sechs Monate später hieß das Geschäft "Foto Witt" und ist heute im Erdgeschoss der ehemaligen Uhlandschule zu finden. Aber nicht mehr lange.

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"Der Chef": Frank Witt vor 38 Jahren, als er "Foto Wendel" in der Weinheimer Bahnhofstraße übernahm. Foto: Marco Schilling
"Der Chef": Frank Witt vor 38 Jahren, als er "Foto Wendel" in der Weinheimer Bahnhofstraße übernahm.

"Es ist erst ein richtiges Fest, wenn der Witt dabei ist"

Am Gründonnerstag (28. März) ist Schluss, dann schließt Frank Witt sein Atelier samt Laden. "Ich vermisse meine Kunden schon jetzt", sagt er mit einem wehmütigen Lächeln. Und sie werden ihn vermissen, denn wie heißt es in Weinheim: "Es ist erst ein richtiges Fest, wenn der Witt dabei ist." Da muss er schmunzeln, denn vermutlich haben nur wenige Menschen in der Stadt so viele intime Einblicke in Weinheimer Familien bekommen, wie er. Als Fotograf muss man nicht nur ein guter Menschenkenner, sondern auch ein hervorragender Beobachter sein und im Getümmel den einen Moment für das beste Bild abpassen - und dann auch noch so geschickt vorgehen, dass niemand bemerkt, dass da einer mit einer Kamera ist. "Ich mache das wie ein Löwe. Ich umkreise die Menschen ganz langsam und dann bin ich mittendrin, ohne dass sie das vorher bemerkt haben", sagt Frank Witt.

Frank Witts Trick für Foto-Phobiker

Aber er kann auch ganz anders, weniger zurückhaltend. Womit wir wieder bei der Show sind, die stimmen muss. "Die Menschen erwarten beispielsweise von einem Fotografen, dass er mit einem großen Fotoapparat kommt, am besten noch mit ein paar Lichtern und Blitzen, auch wenn es ein kleinerer Fotoapparat vollkommen ausreichend wäre", so Witt. Und ein bisschen ist man als Fotograf auch Alleinunterhalter, muss vor allem die "auftauen", die bei der Aussicht auf ein Fotoshooting vor Schreck erstarren. Die sich nicht gerne fotografieren lassen. Witts Trick: "Früher, wenn man den Film gewechselt hat und in diesem Moment technisch gar nicht in der Lage war, ein Foto zu machen, da haben sich die Leute entspannt und zum Beispiel eine gute Pose eingenommen", sagt er. Heute wird häufig digital fotografiert - ohne Film. "Deshalb lege ich die Kamera zwischendurch auch mal für einen Moment beiseite", sagt Witt und vergisst dann schon mal, wo er das gute Stück "geparkt" hat. Schusseliger Künstler? Absolut nein.

Menschenkenner, Entertainer, Verkäufer - und Fotografenmeister

Frank Witt ist Menschenkenner, Entertainer, Verkäufer, auch Künstler und Handwerker mit Meistertitel. "Man kann keine Kunst machen, ohne sein Handwerk zu beherrschen", sagt der Fotografenmeister. Fokussiert war auch sein beruflicher Weg, den er konsequent und ehrgeizig verfolgt hat. Mit der Fotografie wuchs Witt praktisch auf. "Mein Vater war Leiter der Fotoabteilung bei Kaufhof in Mannheim. Als ich 15 Jahre alt war, sind wir aus Mannheim weggezogen, weil meine Eltern in Rittenweier ein Haus gebaut haben." Als Teenager von der Großstadt ins Dorf? Ein Schock für den jungen Frank. "Jetzt liebe ich das Dorf", sagt er und ist Rittenweier treu geblieben. Noch immer lebt er dort, gemeinsam mit Ehefrau Anita in seinem Elternhaus.

Seit 29 Jahren ist er mit der Schwäbin verheiratet, die beiden haben zwei Söhne. Anita hat selbst eine Fotografenausbildung absolviert und sich im Studio vor allem um die Ausstattung beziehungsweise die Requisiten gekümmert.

Frank Witt sorgte für Stadtgespräche

Verrückte Sachen haben die Witts erlebt, zum Beispiel den Auftrag, eine Schiffstaufe in Amsterdam zu fotografieren. Und dann war da noch die Sache mit der älteren Dame. Frank Witt sorgte mit "Themenmonaten" immer mal für Stadtgespräch, zum Beispiel wenn er in seinem Schaufenster Fotos von nackter Haut und Tattoos ausstellte. "Eines Tages, wir hatten gerade Dessous-Fotos im Schaufenster, kam eine ältere Dame - über 70 - in meinen Laden. Sie meinte, sie wollte solche Fotos, wie sie im Fenster zu sehen sind. Ich war erst ein bisschen perplex, aber sie wollte mit den Fotos ihrer Enkelin zeigen, dass man sich nicht gehen lassen darf und auf seinen Körper achten sollte. Sie selbst war super in Form und es sind tolle Bilder geworden", sagt Witt.

Seine Schaufenster - oder besser die dort gezeigten Fotos - sorgten manchmal für Stadtgespräch: Frank Witt vor seiner Auslage an der Bahnhofstraße. Foto: Marco Schilling
Seine Schaufenster - oder besser die dort gezeigten Fotos - sorgten manchmal für Stadtgespräch: Frank Witt vor seiner Auslage an der Bahnhofstraße.

Ja und warum hört er denn jetzt eigentlich auf? Das Alter? Ein bisschen. Aber insgesamt hat sich das Geschäft mit der Fotografie doch auch sehr verändert - und das nicht unbedingt zum Besseren, sagt Frank Witt. "Jeder macht heute mit dem Smartphone Fotos. Früher war ich bei einer Hochzeit nahezu der einzige, der beim Anschneiden der Hochzeitstorte ein Foto machte. Heute knipst fast jeder Gast", so Witt. "Die Digitalfotografie hat viel kaputt gemacht. Die Bilder haben an Wertigkeit verloren."

Und dann die vielen Leute, die ihre Dienste als Fotografen anbieten, aber das Handwerk nicht gelernt haben. Witt ist selbst Fotografenmeister, hat in seinem Geschäft mehr als 30 Azubis ausgebildet und auch jungen Fotografen wie Marco Schilling viel beigebracht. Sechs Jahre arbeitete Marco Schilling, der unter anderem auch für WNOZ fotografiert, bei Frank Witt. An welchen Leitsatz seines Ex-Chefs er sich noch gut erinnert? "Die Show muss stimmen" - was sonst.