Wie ein Tauchclub in Weinheim die Gewässer sicherer macht
Sven Silberzahn, Andreas Muschalle und Franz Schreiner sind drei von 20 frisch gebackenen Rettungsschwimmern. Damit sind die Taucher vom Tauchclub Hohensachsen Vorbild für andere Vereine.
Mit solch einer Resonanz hatten die Verantwortlichen des Tauchclubs Hohensachsen nicht gerechnet. Insgesamt 20 Mitglieder, des am Waidsee in Weinheim beheimateten Vereins, haben das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Silber absolviert und bestanden. Mit ihrem Einsatz machen sie die Schwimmbäder und Seen der Region jetzt ein wenig sicherer.
Badeunfälle: Traurige Zahlen
Im Juli 2013 muss eine 69-jährige Frau aus dem Hemsbacher Wiesensee gerettet werden. Sie ging infolge eines Hustenanfalls unter und wurde von der DLRG Wasserrettung wiederbelebt.
Eine 77-jährige Frau verliert im Juni 2014 beim Schwimmen im Strandbad Waidsee das Bewusstsein. Eine Nachbarin, die mit ihr hinausgeschwommen war sowie zwei Mädchen verhindern, dass die Frau untergeht und retten ihr so das Leben.
Im Juli 2017 ertrinkt ein 48-jähriger Flüchtling im Hemsbacher Wiesensee. Das Unglücksopfer konnte nicht schwimmen.
Ein 34-jähriger Fernfahrer ertrinkt im Juli 2017 im Badesee in Bensheim. Der Mann habe sich offenbar im See abgekühlt.
Im April 2020 kommt der Einsatz der Rettungskräfte am Bensheimer Badesee zu spät. Aufgrund einer Strömung ertrinkt eine 41-jährige Frau.
Schockmoment im Juli 2022 im Freizeitbad Miramar. Eine Siebenjährige treibt regungslos im Nichtschwimmerbecken des Wellenbades. Die Bademeister starten sofort mit den Reanimationsmaßnahmen.
Tödlicher Badeunfall im Weinheimer Waidsee. Im Juli 2023 kann ein 81-jähriger Mann nur noch tot aus dem Wasser geborgen werden.
Nur wenige Tage zuvor ertrinkt ein 22-jähriger Mann im Heddesheimer Badesee. Der Rettungseinsatz läuft vorbildlich, allerdings können die Retter nicht mehr helfen.
„Als wir unseren Mitgliedern diesen Kurs angeboten haben, haben wir höchstens mit ein oder maximal zwei Teilnehmern gerechnet. Dass es dann 20 waren, ist schon sensationell“, sagt der zweite Vorsitzende Andreas Muschalle, der selbst an der Ausbildung teilnahm. Dafür habe der Verein gerne die Kosten von rund 50 Euro pro Person übernommen. Muschalle war übrigens mit seinen 66 Jahren der älteste Teilnehmer aus Weinheim.
Drei Monate Ausbildung
Insgesamt dauerte die Ausbildung, die von der DLRG-Ortsgruppe Hemsbach organisiert wurde und größtenteils im Hohensachsener Viktor-Dulger-Bad stattfand, drei Monate. Neben jeder Menge Theorie standen wöchentlich auch zahlreiche praktische Momente auf dem Stundenplan. Ob beim Transportschwimmen, beim Tieftauchen, beim Tauchen mit Kleidung oder beim Erlernen der besonderen Rettungshaltegriffe – alle Prüfungsteile hatten so ihre Besonderheiten. Die Inhalte sind übrigens deutschlandweit vorgegeben und damit standardisiert. Für Sven Silberzahn, der mit seinen 25 Jahren der jüngste Teilnehmer des Kurses war, war es auch wichtig zu erlernen, wie man Rettende durch Lösen aus einer Umklammerung mittels eines Befreiungsgriffs herausholt und der Paniksituation dadurch begegnet. „Der Kurs hat wirklich sehr viel Spaß gemacht. Wir hoffen natürlich alle, dass wir das Erlernte nie anwenden müssen, aber sollte es zu einem Notfall kommen, sind wir jetzt bestens gewappnet, zu helfen.“ Und weiter: „Ich tauche seit gut sechs Jahren. Auch beim Tauchen kann ich natürlich die Kenntnisse anwenden, wenn einmal etwas passieren sollte.“
Immer wieder ertrinken Menschen
Notfälle gab es in den vergangenen Jahren in den Gewässern der Region immer mal wieder. Ob im Weinheimer Waidsee – dem vertrauten Heimgewässer der Taucher – im Hemsbacher Wiesensee, im Heddesheimer oder Bensheimer Badesee, immer wieder ertranken auch Menschen. Der Grund für die Häufung von Badeunfällen liege auf der Hand, meint Franz Schreiner, langjähriges Mitglied des Tauchclubs, gute Seele des Vereins und ebenfalls seit wenigen Tagen offizieller Rettungsschwimmer: „Früher wurde in der Schule noch Schwimmen gelernt, das ist heute selten der Fall." In der Tat ist das in den Schulplänen längst nicht mehr verankert. Abgesehen davon haben viele Städte und Gemeinden ihre Hallenbäder wegen zu hoher Unterhaltungskosten geschlossen. Auch Personalmangel zwinge viele Kommunen zum Schwimmbadaus. Außerdem: Während der Pandemie hat über längere Zeiträume praktisch keine Schwimmausbildung stattfinden können. Das sind jetzt die Nachwehen. Auch Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, seien immer wieder unter den Opfern. Dadurch, dass Schwimmen in vielen Ländern nicht zum Kulturgut gehöre, werde die Gefahr unterschätzt, ist man sich beim Tauchclub sicher. Viele seien Nichtschwimmer. Auch die Sprachbarriere und das „nicht lesen können“ von Warnschildern trage dazu bei, leichtsinnig zu sein.
Statistik
Immer weniger Kinder in Deutschland können sicher schwimmen. Das zeigte 2023 eine vom Umfrageinstitut „Forsa“ durchgeführte Umfrage für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Demnach konnten rund 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren 2022 nicht schwimmen.
2017 waren es noch zehn Prozent. Aktuell 37 Prozent der Jungen und Mädchen im Grundschulalter haben noch kein Schwimmabzeichen – auch nicht das auf das Schwimmen vorbereitende Seepferdchen.
Nicht ganz wie bei Baywatch
Ein wenig stolz sind die Taucher aus Hohensachsen natürlich auf sich selbst, wenngleich sie sich nicht unbedingt als neue, braun gebrannte Baywatch-Truppe in knallroten Badeshorts, Bikinis und Plastikboje sehen. In der US-Kultserie aus den 90er Jahren „rettete“ Schauspieler David Hasselhoff alias Mitch Buchannon mit seinem Team am Strand von Malibu Menschen in Not aus dem Wasser. Der Strand am Waidsee sei damit natürlich nicht zu vergleichen, sind sich alle drei einig. Dennoch, wenn irgendwann nur ein einziges Leben durch die neuen Rettungsschwimmer gerettet werden kann, haben sich die Anstrengungen für den Kurs schon gelohnt.
Infos zum Tauchclub Hohensachsen gibt es unter www.tauchclub-hohensachsen.de