Wald-Michelbach

Fehlendes Personal, Bürokratie, ausufernde Förderprogramme: Bürgermeister Weber spricht über kommunale Herausforderungen

In Wald-Michelbach wird die überparteiliche Kampagne „Halt! So geht es nicht weiter!“ vorgestellt. Bürgermeister Sascha Weber fordert bei der Sitzung der Gemeindevertretung eine grundlegende Verwaltungsreform und einen massiven Abbau von Bürokratie. Und das hat viele Gründe.

Eine grundlegende Verwaltungsreform, den Abbau von Bürokratie und die Depriorisierung von Aufgaben. So lauten weitere Appelle von Bürgermeister Dr. Sascha Weber im Rahmen seiner Vorstellung der HSGB-Kampagne. Foto: Fritz Kopetzky
Eine grundlegende Verwaltungsreform, den Abbau von Bürokratie und die Depriorisierung von Aufgaben. So lauten weitere Appelle von Bürgermeister Dr. Sascha Weber im Rahmen seiner Vorstellung der HSGB-Kampagne.

Die überparteiliche Kampagne des hessischen Städte- und Gemeindebunds (HSGB) mit dem Namen „Halt! So geht es nicht weiter!“ stellte Bürgermeister Sascha Weber in der vergangenen Sitzung der Gemeindevertretung vor. Der Verband fordert darin mehr Realitätssinn, denn „die Leistungsgrenze der Kommunen ist überschritten“.

WNOZ WhatsApp-Kanal

Die Weinheimer Nachrichten und Odenwälder Zeitung auf WhatsApp! Aktuelle Nachrichten aus deiner Region. Die Top-Themen jeden Mittag frisch auf dem WhatsApp-Kanal.

Impressum

Unnötige Bürokratie in Kommunen abbauen

Was man brauche: Eine grundlegende Verwaltungsreform mit massivem Abbau von Bürokratie, Depriorisierung von Aufgaben und einem simplen Versprechen: Der Staat muss der kommunalen Selbstverwaltung wieder vertrauen. Und nicht so tun, als würde diese Unfug verzapfen, wenn man ihr nicht auf die Finger schaut, wusste Weber aus eigener Erfahrung zu berichten.

Notwendig wäre seinen Worten zufolge eine Aufgabenkritik, also was Pflicht ist, wo es sich um freiwillige Aufgaben handelt, außerdem eine Priorisierung dessen, was angegangen werden muss und die Abschaffung bürokratischer Hemmnisse.

Denn eine Krise jagt die nächste, betonte Weber: Fehlendes Personal, Bürokratie ohne Ende und ausufernde Förderprogramme machen den Gemeinden das Leben schwer. Der HSGB fordert schon seit Langem, erklärte der Bürgermeister, dass Förderprogramme zugunsten von mehr direkten Zuweisungen an die Kommunen gestrichen werden sollen. Denn für die Programme braucht es wieder Personal und Kapazitäten, die nicht vorhanden sind. Zum Glück sieht es in der Wald-Michelbacher Verwaltung personell noch ganz gut aus, weil man seit Längerem auch selbst ausbildet.

Im benachbarten Oberzent sei es anders: Da müssen selbst attraktive Jobs mehrfach ausgeschrieben werden. Das Maß an öffentlichen Leistungsversprechen passt laut Bürgermeister schon länger nicht mehr mit dem zusammen, was die staatliche Leistungsfähigkeit hergibt – nicht nur wegen finanzieller Knappheit, sondern auch wegen personeller Ressourcen und überbordender bürokratischer Anforderungen. Als Beispiele nannte er Ganztagesangebote im Kindergarten und bald auch in der Grundschule.

Politikverdrossenheit wächst

An sich eine gute Sache, aber von oben verordnet und versprochen ohne Rücksicht darauf, ob das „unten“, bei den Städten und Gemeinden, geleistet werden kann. „Die Menschen merken dies“, hob er hervor. Was sich bei Wahlen und in der Wahlbeteiligung widerspiegelt. „Die Zufriedenheit mit dem Funktionieren unserer Demokratie geht zurück“, sagte der Bürgermeister. Vor allem in Ostdeutschland sei das stark ausgeprägt. Aber auch vor Ort sei diese Politikverdrossenheit immer deutlicher zu spüren. Der sinkende Handlungsspielraum der Gemeinden spielt dabei sicherlich eine Rolle. Der steht Weber zufolge aber im Widerspruch zur hessischen Gemeindeordnung.

Denn die sagt: „Die Gemeinde ist die Grundlage des demokratischen Staates. Sie fördert das Wohl ihrer Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe.“ Allerdings sei diese kaum noch gegeben. Immer mehr würden die Kommunen fremdbestimmt. Von oben delegierte Aufgaben würden immer mehr Personal und finanzielle Mittel binden, erläuterte das Gemeindeoberhaupt. Durch die Gesetzgebung von Bund und Land werde sie zur Pflicht gemacht.

Aktuellstes Beispiel sei der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung im Grundschulalter. Die Anforderungen an diese Pflichtaufgaben würden auch immer weiter erhöht, kritisierte er. Beispielhaft hierfür nannte Weber die mehrfach erhöhten Mindest-Personalanforderungen für den Betrieb von Kindertagesstätten. Zum Teil schließen die Vorgaben sogar aus, dass die Aufgaben der Kommune verlässlich und ordnungsgemäß erfüllt werden.

Minimaler Handlungsspielraum

„Die staatliche Vorgabe verengt zudem die Auswahl der Instrumente, die die Kommune nutzen darf.“ Damit noch nicht genug. Hinzu treten nach den Worten des Bürgermeisters organisatorische Vorgaben über die Benennung von Beauftragten, Dokumentations- und Verfahrensanforderungen. Schließlich folge dem einen Gesetz häufig auch schnell das nächste, ohne dass die Wirkungen der zuvor getroffenen Vorgaben ausgewertet worden wären.

Er zeigte die Probleme auf: Die umfangreichen Vorgaben verengen die Handlungsspielräume der kommunalen Gremien, die unmittelbar von der Bevölkerung gewählt werden. Mit der Wahl sind aber entsprechende Erwartungen an die Gestaltungsfähigkeit verbunden. „Diese können die haupt- und ehrenamtlich in Politik und Verwaltung Tätigen vor Ort immer weniger erfüllen“, meinte Weber. Wer wofür die Verantwortung trage, werde immer unklarer. Die Entscheidungsmöglichkeiten vor Ort schrumpfen, monierte der Rathauschef.

„Das hat vielfältige negative Folgen.“ Es können immer weniger Menschen gewonnen werden, vor Ort Verantwortung zu übernehmen. Mit der Vorgabe von Zielen und Instrumenten verhinderten Bundes- und Landespolitik zudem viele Innovationen. Gerade aus der örtlichen Lösungssuche würden vielfältige und unterschiedliche Lösungen resultieren, bei denen sich im Zeitverlauf die bewährteren in einer wachsenden Zahl von Kommunen herumsprechen und durchsetzen könnten, betonte er. Eine engagierte Diskussion in der Gemeindevertretung schloss sich an.