Musikszene

Salma segelt im Kosmos der Klänge

Aus einem Haus voller Instrumente in Ellenbach führt der Weg von Salma Kiem in die Welt der Musik. Sie schreibt Songs mit deutschen Texten und hat in „Salma mit Sahne“ eine folkig-poppige Liedermacherband. Im Gespräch mit unserer Redaktion zeichnet die 33-Jährige ihren Weg nach, der sie auch ans Theater geführt hat. Sie spricht über Selbstvertrauen und Verletzlichkeit, die eigene Findungsphase und den Bezug zu ihrer Odenwälder Heimat. Sie ist auch auf der WN/OZ-Playlist "Songballschlacht" vertreten.

Voller Energie: Aus Salma scheint die Musik geradezu herauszusprudeln. Zu hören ist sie auch auf der WN/OZ-Playlist „Songballschlacht“ auf Spotify. Foto: Semra Ak
Voller Energie: Aus Salma scheint die Musik geradezu herauszusprudeln. Zu hören ist sie auch auf der WN/OZ-Playlist „Songballschlacht“ auf Spotify.

Salma, wenn man dich performen sieht, dann spürt man, wie du die Musik lebst. Wie habt ihr beide zueinander gefunden?

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Salma: Ich bin in einem Haus voller Musikinstrumente aufgewachsen und hab alles irgendwie ausprobiert. Zunächst vor allem das Klavier. Als ich meinen Bruder Amin am Lagerfeuer Gitarre spielen sah, wollte ich das unbedingt auch lernen. Er hat es mir beigebracht. Mit Amin hatte ich auch meine erste Band. „Ungehört“ hießen wir. Da war ich 17 Jahre alt.

Dein Elternhaus und deine Familie haben dich also musikalisch geprägt.

Salma: Meine Oma und meine Mama haben ebenfalls Musik gemacht. Ich habe mit drei Jahren damit angefangen – ganz klassisch mit einer Flöte. Da es aber bei uns viele Instrumente gab, konnte ich von Beginn an einiges ausprobieren und habe viele Klänge für mich „erforscht“.

Hat sich damals bereits abgezeichnet, dass du Musikerin wirst?

Salma: Nein. Ich habe mich nie so richtig getraut, diesen Schritt zu machen. Bis heute habe ich tatsächlich so etwas wie Bühnenangst. Deshalb habe ich nach dem Abi ganz klassisch eine Ausbildung zur Fotografin in Rimbach begonnen. Aber der Drang, Musik zu machen, war immer da. Die Wende kam während meiner einjährigen Studienzeit in Bristol. Ich hatte einige Kontakte in die lebendige Kunstszene dort und viel auf „Open Stages“ gespielt. Im Nachhinein betrachtet war das für mich der große „Mutbringer“.

Der zur Gründung der eigenen Band geführt hat.

Salma: Ja. Nachdem ich zunächst ein wenig auf Solopfaden gewandelt bin, ist 2018 das Projekt „Salma mit Sahne“ entstanden. Das war eine aufregende Zeit. Gleich im ersten Sommer haben wir rund 30 Gigs gespielt – hui! Dann kam aber irgendwann Corona. . .

. . . der große Bruch für viele künstlerisch Tätige.

Salma: Das Schlimme ist, dass in dieser Zeit viele Kontakte verloren gegangen sind. Und Kontakte sind in der Musikszene immens wichtig. Andererseits hat sich in der Coronazeit eine neue Tür für mich geöffnet: das Theater. Die Musikerin Naima Husseini suchte eine zweite Musikerin für das Stück „1001 Nacht“, das am Jungen Staatstheater Karlsruhe inszeniert wurde. Über Umwege kam Husseini auf mich. Das war eine tolle neue Erfahrung: Neben den Songs begleitete ich das Stück über eine Stunde mit Soundeffekten auf den unterschiedlichsten Instrumenten und sprach sogar ein paar Textpassagen.

Es ist nicht bei der einmaligen Berührung mit der Theaterbühne geblieben.

Salma: Im vergangenen Herbst haben wir mit diesem Ensemble „Pinocchio“ inszeniert und auch – wie schon „1001 Nacht“ – in der Weihnachtszeit aufgeführt. Und dann hat mich die Regisseurin Janina Haring irgendwann gefragt, ob ich die Musikalische Leitung bei dem Stück „Die Bremer Stadtmusikanten“ im Weimarer Stellwerk übernehmen will. Das läuft seit November und war wieder eine völlig neue Erfahrung: Zum ersten Mal habe ich Songs geschrieben, die dann von Anderen gesungen worden sind. Das Stück hat einen pädagogischen Ansatz, wir haben das alles gemeinsam mit den Schauspielerinnen und Schauspielern entwickelt. Das hat großen Spaß gemacht.

Aber „Salma mit Sahne“ bleibt unabhängig davon bestehen. Wie geht es mit diesem Projekt weiter?

Salma: Im Moment bin ich in einer Findungsphase. Einerseits denke ich, dass es nach zwei EP-Veröffentlichungen Zeit für ein Debütalbum wäre. Andererseits überlege ich gerade sehr viel: Wer bin ich – und wie will ich klingen? Ich habe das Gefühl, meinen endgültigen Sound noch nicht gefunden zu haben, und arbeite gerade eng mit ein paar Produzenten und Produzentinnen zusammen. Ich probiere mich aus und komme am Ende vielleicht zu der Erkenntnis, dass der Wandel mein Merkmal ist. Ich möchte mich jedenfalls nicht in eine bestimmte musikalische Nische einordnen, sondern mich von dem leiten lassen, was mich gerade beschäftigt und beeinflusst. Wahrscheinlich ist die Transformation meine Konstante.

Du sprichst von den Dingen, die dich beschäftigen und beeinflussen. Sind dies auch deine Inspirationsquellen beim Songwriting?

Salma: Ich habe mit 15 Jahren angefangen, Songs zu schreiben. Damals habe ich bis zu vier Stunden am Tag Gitarre gespielt. Und eine Methode aus dieser Zeit wende ich heute oft noch an: Einfach hinsetzen, eine Melodie spielen und darauf irgendetwas Improvisiertes singen. Irgendwann kommt der eine Satz, von dem du denkst: Der ist es! Und darauf baut sich alles Weitere auf. Natürlich verändert sich die Herangehensweise, wenn du Songs für eine oder mit einer Band schreibst. Darüber habe ich viel in meiner Zeit als Sängerin in verschiedenen Bands gelernt, wie der Jazz-Jam-Band „Fat Tea“ oder „Kofferraumasyl“. Für „Salma mit Sahne“ liefere ich meistens einen Grundbaustein, aus dem wir dann gemeinsam den fertigen Song entwickeln. Das ist ein spannender Prozess.

Welche Tipps kannst du Menschen geben, die gerne Songs schreiben möchten, aber dabei nicht so richtig weiterkommen?

Salma: Ein Kniff ist es, mit dem Titel anzufangen. Gib dem Lied einen Namen – „Der Rote Stuhl“ zum Beispiel – und trage in deinen Gedanken alles zusammen, was du mit einem roten Stuhl verbindest. Es ist ein meditativer Prozess, bei dem du alles andere ausblenden solltest. Wichtig ist es auch, Vertrauen in das zu haben, was du tust. Das hat mir sehr geholfen, als ich für die „Bremer Stadtmusikanten“ Songs unter genauen Vorgaben schreiben musste: Es geht darum, sich selbst loszulassen, einfach alles fließen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass aus diesem Fluss etwas entstehen wird.

Foto: Semra Ak

Stichwort Vertrauen: Du hast vorhin von Bühnenangst gesprochen. Das mag man kaum glauben, wenn man einmal erlebt hat, wie bei deinen Gigs die Musik förmlich aus dir heraussprudelt.

Salma: Es ist ganz wichtig in Bezug auf das Musikgeschäft zu realisieren: Obwohl alles so leicht aussieht, ist es auch mit einigen Tiefen verbunden. In den sozialen Netzwerken liegt der Fokus immer noch zu sehr auf dem schönen Ergebnis, dem Erfolg und nicht auf dem dahin führenden Prozess mit all seinen Tiefschlägen. Ich halte es aber für wichtig, auch damit offen umzugehen. Ich habe tatsächlich etwas Bühnenangst – aber ich habe Strategien entwickelt, damit umzugehen. Viel kräftezehrender ist der Druck, der an anderen Stellen entsteht. Das habe ich erlebt, als 2023 der Release-Prozess für die EP „drüber weg“ lief. Dieses permanente Präsentsein und Vermarkten hat mich geschafft. Es kam der Moment, an dem ich einfach nur noch da raus wollte.

Dann war die drüber-weg-Segeltour auch eine Flucht aus dem Hamsterrad?

Salma: Genau. Thomas, ein guter Freund, den ich noch von meiner Ausbildung zur Fotografin kenne, hat ein Boot in der Flensburger Förde. Er hat mir angeboten, ein paar Tage dort zu verbringen und zur Ruhe zu kommen. Dabei ist dann die Idee zur Segeltour gekommen. Wir sind zehn Tage lang durch die Förde getourt, haben deutsche und dänische Häfen angelaufen und dort Musik gemacht. Straßenmusik auf dem Wasser quasi – auf eine nachhaltige Art und Weise. Das war eine tolle Erfahrung und sehr erholsam. Es hat auch mein Selbstbewusstsein wieder gestärkt.

Das man als junge Frau in der nach wie vor männerdominierten Musikszene sicher gebrauchen kann.

Salma: Tatsächlich glaube ich, ich hätte mich vieles eher getraut oder schneller erreichen können, ohne das permanente Gefühl im Nacken, mich als Frau noch einmal ganz besonders beweisen zu müssen. Das ist ein ganz subtiler Druck, der da entsteht. Deshalb bin ich gerade auch mit anderen Menschen dabei, in Heidelberg einen regelmäßigen Flinta*-Jam zu organisieren (Flinta* = Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen, Anm. der Redaktion). Es ist wichtig, sich zu vernetzen und seine Erfahrungen zu teilen. Das A und O in dieser Branche: In der Gemeinschaft ist man stark.

Apropos Gemeinschaft: Du hast inzwischen ja auch einen eigenen Fanklub.

Salma: Das sind ganz tolle Menschen, die mich mit einem monatlichen Beitrag auch finanziell unterstützen. Das hilft mir, Aufnahmen und Studiozeit zu bezahlen. Hauptsächlich ist es aber eine wunderbare Gemeinschaft. Es ist so wertvoll, dass da Menschen sind, die an mich glauben und mich unterstützen. Das ist auch eine Art, Wertschätzung zu zeigen, gerade in einer Zeit, in der durch das Streaming Musik immer weniger wert ist.

Im vergangenen Jahr hast du beim Jubiläumskonzert der Swinging Cords in Ellenbach mitgewirkt. Danach hast du auf Instagram geschrieben, dass dich das mit deinem Heimatort „versöhnt“ hat. Wie war das zu verstehen?

Salma: Ich bin in Ellenbach groß geworden und habe als Kind dort Mobbingerfahrungen gemacht. Kinder sind manchmal grausam. Dann kommt man zurück und merkt, wie Menschen sich verändert haben. Ich habe mit den Leuten gesungen in der Halle, in der ich als Kind so oft war. Das war ein heilsamer Moment, voller Liebe und Versöhnung – darum geht es.

Die ganz besondere Konzertreise: 2023 ist Salma zu einer Segeltour mit Auftritten in zehn Häfen rund um die Flensburger Förde aufgebrochen. Foto: privat
Die ganz besondere Konzertreise: 2023 ist Salma zu einer Segeltour mit Auftritten in zehn Häfen rund um die Flensburger Förde aufgebrochen.

Was bedeutet der Odenwald grundsätzlich für dich?

Salma: Ich mag den Odenwald sehr. Ich bin ein „Landei“ und möchte viel öfter hier sein als in der Stadt. Es herrscht eine besondere Ruhe hier. Wobei ich mir manchmal noch mehr Gemeinschaft und Miteinander in der Region wünschen würde.

Wofür du dich ja unter anderem im Orga-Team des Lindenfels-Festivals 2022 und 2023 selbst engagiert hast.

Salma: Die Kraft der Musik ist es, Menschen zusammenzubringen. Die will ich nutzen. Das habe ich bei der Planwagentour 2022 im Rahmen des Festivals wieder extrem gespürt. Wir kamen in die Orte und die Leute waren da, haben uns und unsere Musik angenommen. Vor allem aber sind sie zusammengekommen – und erst wenn man zusammenkommt, kann man sich austauschen und den Anderen verstehen. Auch deshalb ist die Förderung der Kultur so wichtig: Sie schafft Gemeinschaft und Kommunikation. Ich wünsche mir diese Offenheit, die ich dabei erlebt habe, noch öfter – auch in Bezug auf Veränderungen und unangenehme Themen. Ich finde es beispielsweise wichtig, auch über solche Erfahrungen wie das Mobbing zu reden. Wir tun immer so stark, sind aber verletzlich. Wir sollten viel ehrlicher auch mit diesen Gefühlen umgehen. Daraus erwächst auch Stärke.

Inwiefern?

Salma: Meine Lehre ist: Immer weitermachen, auch wenn man Zweifel hat. Mir ist bewusst geworden – auch in Bezug auf das Songwriting: Man muss nicht immer Lösungen anbieten, sondern kann einfach nur ausdrücken, was man fühlt. Die eigenen Gefühle anzunehmen, damit umzugehen und versuchen, sie zu kommunizieren – das ist das Entscheidende.

Hier geht es zur Songballschlacht.

Hier gibt es weitere Informationen über "Salma mit Sahne", auch über den Fanklub und einen Newsletter.