Weinheim

40 Jahre Spitzklicker: Von feinem Humor bis bitterböser Satire

Hut ab! Die Spitzklicker führten am Freitagabend die Premiere ihres Programms zum 40. Geburtstag auf.

Mutter Erde (Susanne Mauder) muss zum Doktor (Franz Kain): Der diagnostiziert unter anderem kreisrunden Waldausfall. Foto: Fritz Kopetzky
Mutter Erde (Susanne Mauder) muss zum Doktor (Franz Kain): Der diagnostiziert unter anderem kreisrunden Waldausfall.

Weinheim. „Ein Joint, ein guter Joint, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt!“ tönt es am Freitagabend in der ausverkauften Alten Druckerei aus mehreren hundert Kehlen, während sich der Premiere-Abend der Spitzklicker langsam dem Ende zuneigt. Nein, das Publikum war nicht bekifft, der etwas abgewandelte 20er-Jahre Hit war vielmehr eine Zugabe der Spitzklicker aus ihrem „Kurpfälzer Harmonists“-Sketch.

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Ein wenig „Babylon Berlin“

Mit diesem brachten sie am Freitagabend bei der Premiere ihres Programmes „40 Jahre – Hut ab!“ ein wenig „Babylon Berlin“ auf die Bühne der Alten Druckerei. Und sie stellten erschreckende Parallelen der Goldenen 1920er Jahre zu den heutigen Zwanzigern fest – nicht ohne noch eine Evergreen-Parodie nachzuschieben. „Wir sind von Kopf bis Fuß auf Hetze eingestellt“, sang Daniel Möllemann mit viel Max Raabe in der Stimme und Franz Kain meinte dazu: „Früher war Hetze noch richtig Arbeit, heute kann man sie gemütlich auf dem Sofa über Instagram verbreiten.“

Hut ab! Die Spitzklicker führten am Freitagabend die Premiere ihres Programms zum 40. Geburtstag auf. Foto: Fritz Kopetzky
Hut ab! Die Spitzklicker führten am Freitagabend die Premiere ihres Programms zum 40. Geburtstag auf.

In der gewohnten Formation: Franz Kain, Markus König, Susanne Mauder und Daniel Möllemann läutete das Weinheimer Kultkabarett „Die Spitzklicker“ mit seinem 39. Programm gleichzeitig sein 40. Bühnenjubiläum ein. Mit dem Programm-Titel „40 Jahre – Hut ab!“ applaudieren sie sich selbst. Und das mit Recht, wie das Ensemble mit zwei Stunden beißendem Spott, lustvollem Philosophieren, überzeugender Darstellungskunst und perfekt choreografierten Songs bewies. Szenische Abläufe, professionelle Gesangstechnik und synchrone Schrittfolgen zeigten die Handschrift der beiden Regisseurinnen Patricia Kain und Felicitas Hadzik. Beim Texten stand dem Ensemble das Autorenteam Manfred Maser, Peter Flitzinger, Roger Schmelzer und Bernhard Bentgens zur Seite. Jeder Sketch, der von der Länge her eher kleinen Theaterstücken glich, strotzte vor gesellschafts-politischen Pointen, dialektischen Sichtweisen und verquerem Unterhaltungswitz. Wohltuend war der Verzicht auf Witze unter der Gürtellinie und flache Schenkelklopfer.

SPD und Sherwood Forest

War der Gag, das richtige Grill-Wetter über die gefühlten hundert Wetter-Apps zu finden, ein herrliches Vergnügen, so geriet die Gegenüberstellung zweier Flüchtlinge zur bitterbösen Satire. Während der Mann aus Kiew (Markus König) im schäbigen Anorack und gebrochenem Deutsch von der Hölle „Krieg“ erzählt, schimpft der Steuerflüchtling (Franz Kain) im feinen Zwirn und Aktenkoffer über die Finanzpolitik. Humor und Tiefsinn zugleich brachte die Diagnose „Homo sapiensitis“. Mutter Erde (Susanne Mauder) muss zum Doktor (Franz Kain). Sie klagt über zu viele Menschen, kreisrunden Waldausfall und fügt verlegen hinzu, dass sie das Wasser nicht halten kann. Ein anderes Thema waren die hohen Mieten in München, sodass man Studierende jetzt in Einmann-Zelten unterbrachte. Markus Söder „höchstpersönlich“ stattete die Mini-Wohnstätten mit Kruzifixen aus.

Foto: Fritz Kopetzky

Es gab auch Momente an diesem Abend, in denen die Lachtränen flossen. Dann nämlich, als die vier Spaßvögel ihre Hörspielproduktion von Robin Hood mit Geräuscheinspielung präsentierten. Da wurde das Handeln des tapferen Mannes aus dem Sherwood Forest, der die Reichen bestahl und die Armen beschenkte, mit der SPD verglichen. Kaum zum Lachen war die Szene, in der die Hundertjährige (großartig: Susanne Mauder), nach dreißig Jahren Rente immer noch den Schrubber schwang, um das Geld für ihren Sarg zusammenzukriegen. Bei den traditionellen „Woinem News“ ging es um das verwaiste Dreiglocken-Center, dem Dornröschenschlaf der Hildebrandschen Mühle und dem Martin-Luther-Haus. Mit „Häck, Häck, Hurra“ wurde schließlich im Hacker-Seminar für Einsteiger als erstes die Seitenbacher-Werbung vernichtet. Am Ende dieses Pointen-Marathons konnte man, in Anlehnung an das Programm-Motto, nur den Hut ziehen und dem Ensemble Danke sagen: für 40 Jahre geschliffene Kabarettkunst.

Information über Karten und Termine gibt es hier!