Weinheim

Der "Bücherwald" in Weinheim schließt seine Türen am 20. März

Die Buchhandlung „Bücherwald“ in Weinheim steht vor dem Aus. Die Schließung des Geschäfts ist ein weiterer Schlag für die Buchhandelsbranche in Deutschland.

Geschäftsführerin Nele Neumann sortiert die letzte Auswahl an Lesestoff im „Bücherwald“ in Weinheims Weststadt. Einige Exemplare wurden bereits an die Verlage zurückgeschickt. Foto: Thomas Rittelmann
Geschäftsführerin Nele Neumann sortiert die letzte Auswahl an Lesestoff im „Bücherwald“ in Weinheims Weststadt. Einige Exemplare wurden bereits an die Verlage zurückgeschickt.

Die grünen Wände und der gemütliche Holzboden erinnern tatsächlich an eine naturbelassene Landschaft. Um seinem Namen alle Ehre zu machen, ragen im „Bücherwald“ in Weinheim hohe, weiße Regale wie Bäume in die Höhe – statt Blättern jedoch mit Lesestoff bestückt – allerdings nur noch wenige Tage.

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In Deutschland gibt es aktuell 5000 Buchhandlungen – von Jahr zu Jahr werden es weniger. Auch der Bücherwald in der Weinheimer Weststadt muss sich von seinen Kunden verabschieden: Ab dem 20. März schließt das Geschichtenparadies für immer seine Türen. Weinheim bleiben nach der Schließung des „Bücherwalds“ noch zwei Buchhandlungen in der Innenstadt: die Beltz Buchhandlung und die Buchhandlung Schäffner.

Seit neun Jahren gibt es d den „Bücherwald“ in der Pappelallee. Davor hatte er im alten Multzentrum sein Zuhause. Nach dem Tod des ehemaligen Inhabers, Thomas Wetzel, im Jahr 2013 übernahm Nele Neumann zusammen mit ihrer Kollegin Bettina Finger die Leitung.

Noch keinen Nachmieter gefunden

Wer nach ihnen die Ladenräume übernehmen wird, das weiß Neumann nicht. „Es gibt schon viele Interessenten, aber die Hausverwaltung hat noch niemand neuen unter Vertrag genommen“, sagt die 39-Jährige.

Aber warum ist jetzt überhaupt Schluss? Die Inhaberin erklärt, warum der beliebte Stöbertreff schließen muss: „Durch gestiegene Kosten trägt sich das Geschäft einfach nicht mehr.“

Ein schwerer Schritt – ihre Arbeit liegt ihr sehr am Herzen: „Für jeden Kunden das passende Buch zu finden, ist immer wie eine kleine Herausforderung, die ich über Jahre hinweg gerne angenommen habe“.

Im "Bücherwald" gab es neben dem Tagesgeschäft auch immer wieder kleinere Veranstaltungen. Foto: Thomas Rittelmann
Im "Bücherwald" gab es neben dem Tagesgeschäft auch immer wieder kleinere Veranstaltungen.

Besonders für kleine Leseratten engagierte sich das Team des „Bücherwalds“. Am jährlichen Welttag des Buches, dem 23. April, nahm die Buchhandlung jedes Jahr an der Aktion „Ich schenke dir eine Geschichte“ teil. Dabei wird jedes Jahr ein neues Welttagsbuch an Schüler in ganz Deutschland verschenkt.

Der „Bücherwald“ belieferte unter anderem Schulen in Hemsbach, Weinheim und deren Stadtteil Hohensachsen. Auch Erwachsene konnten sich über Veranstaltungen des Büchergeschäfts freuen. Bei Stöberabenden durfte die Kundschaft auch nach den Öffnungszeiten nach dem nächsten Leseschatz suchen.

Da der „Bücherwald“ ausschließlich in Frauenhand liegt, wurden zudem „Mädelsabende“ organisiert. Dort stellten die Mitarbeiterinnen speziell Bücher für Mädchen und Frauen vor.

Ein schwerer Abschied

Der Abschied fällt also schwer – dem Team und den Kunden gleichermaßen. Bei einem Glas Sekt verabschiedete sich der „Bücherwald“ bereits gebührend von der treuen Kundschaft. „Es kamen ganz viele unserer Stammkunden vorbei und haben sich ein letztes Mal mit Lesestoff bei uns eingedeckt“, erzählt Neumann.

Auf den letzten Metern bis zur endgültigen Schließung geht darum, „das ganze gut und würdevoll zu Ende zu bringen“, wie es Neumann ausdrückt. Sie ist selbst eine Leseratte und hat schon viele Werke durchstöbert. „Ein Lieblingsbuch habe ich allerdings nicht, dafür gibt es zu viele gute Geschichten“, verrät sie.

„Ich bedauere es sehr, dass der Laden in der Weststadt schließen muss“ - Silvia Mayer

Das Schicksal des „Bücherwalds“ lässt auch die Inhaberin der Buchhandlung Schäffner nicht kalt. Silvia Mayer ist seit 20 Jahren für das Geschäft in der Fußgängerzone verantwortlich. „Ich bedauere es sehr, dass der Laden in der Weststadt schließen muss“, betont sie und liefert den Grund gleich mit: „Es gibt zu wenig Leute, die lokal einkaufen.“

Denn die Deutschen kaufen immer mehr Bücher online. Dies zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Danach wurden 2021 mehr als ein Viertel aller Bücher im Internet bestellt.

Dabei hat der Einkauf vor Ort viele Vorteile. Ein Pluspunkt des Besuchs im echten Laden ist die persönliche Beratung, weiß Mayer. „Als Einzelhändler sollten wir alle darauf achten, Einkaufen zu einem Erlebnis zu machen, sodass es nicht nur ein Mittel zum Zweck ist“, erklärt sie.

„Wenn zum Beispiel jemand ein Kochbuch sucht, findet er im Laden vielleicht noch einen interessanten Roman oder den Ratgeber, der ein langwieriges Gartenproblem löst.“ Die Buchhändlerin kennt ihre Kunden: „Wenn ich mich mit den Leuten unterhalte, kann ich gut einschätzen, welches Buch für sie infrage kommt“, erzählt sie.

Online-Shop seit sechs Jahren

Und wie rüstet man sich für die Zukunft? Seit sechs Jahren führt Mayer neben dem Geschäft in der Fußgängerzone zusätzlich einen Online-Shop. „Vor allem in der Corona-Zeit hat uns das sehr geholfen, da neben unseren Stammkunden auch neue Interessenten auf der Website unterwegs waren. Viele wollten die großen Anbieter meiden und kleinere Geschäfte wie unseres unterstützen“, berichtet die Geschäftsführerin.

„Der Einzelhandel ist ein Kulturgut, das wir brauchen" - Silvia Mayer

Dass die Buchhandlung Schäffner ebenfalls bald ihre Türen schließen muss, bezweifelt Mayer. „Unseren Laden gibt es seit 186 Jahren und ich habe keine Bedenken, dass es sie noch weiter geben wird“, sagt sie deutlich. „Der Einzelhandel ist ein Kulturgut, das wir brauchen.“

Hinweis: Der Text wurde am 18. März aktualisiert.